Science.Super.Stars.
Von Helden, Genies und Grenzfiguren in den Wissenschaften
Donnerstags, 18.15 UhrTagungs- und Veranstaltungshaus Alte Mensa , Wilhelmsplatz 3, 37073 Göttingen, Taberna
Ausstellungen über sogenannte große Wissenschaftler und ihre Leistungen bergen die Gefahr, schnell in ein Heldennarrativ zu verfallen. Die Kunst besteht darin, die individuelle Leistung des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin zu würdigen, ohne dabei den wissenschaftshistorischen Horizont zu vergessen. Die Vortragsreihe Science.Super.Stars. Von Helden, Genies und Grenzfiguren in den Wissenschaften möchte zu einer kritischen, wissenschaftshistorischen Beschäftigung mit den Bedingungen wissenschaftlicher Außerordentlichkeit anregen. Ausgehend von verschiedenen Beispielen und konkreten Fallgeschichten zeigen die Vorträge, dass wissenschaftliche Exzellenz immer auch Effekt medialer Inszenierungen, kooperativer Arbeitspraktiken oder geschlechtsspezifischer Konstellationen ist.
Termine:
15. Dezember 2016: Hochbegabte Verlierer. Nobelpreiskandidaten und das fehlende. Stück zum Glück
Nils Hansson
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Seit mehr als hundert Jahren gilt der Nobelpreis als der weltweit renommierteste Wissenschaftspreis. Bis heute wurden mehr als 200 Forscherinnen und Forscher für ihre Entdeckungen in der Medizin ausgezeichnet. Dabei gab und gibt es keine Silber- und Bronzemedaillen - oder um es mit der Liedzeile einer schwedischen Popgruppe zu sagen: "The winner takes it all, the loser standing's small". Den Laureaten stehen allerdings Tausende nominierte Forschende gegenüber. Warum haben jene "hochqualifizierten Verlierer" es nicht geschafft? In diesem Vortrag wird der Frage nachgegangen, wie wissenschaftliche Exzellenz inszeniert und letztlich produziert wird.
12. Januar 2017: Exhibiting science or scientists? The dilemma of the modern science museum
Marika Hedin
Director of Gustavianum, Uppsala University Museum
Science museums have made great strides in the past decades and are now among the most visited museums in the world. They have also received recognition as a tool to make young people interested in science and technology, at a time when most Western countries need more engineers and scientists. At the same time, scientists themselves have accused museums of over-simplifying their topic and focusing on individual science "heroes", not at all reflecting the fact that modern science is all about complexity and teamwork. In this talk Marika Hedin will give some examples from the Nobel Museum, The Vasa Museum and Gustavianum on the challenges of exhibiting modern science. The talk will also connect with a commented tour of the current exhibition on/off. The Nobel Prize and the Boundaries of Science.
Im Anschluss an den Vortrag wird es eine kommentierte Führung durch die Ausstellung zusammen mit dem Ausstellungsmacher Joachim Baur geben.
26. Januar 2017: Mathematik hat kein Geschlecht?
Anne Jelena Schulte
Theaterautorin
"Es gibt keine männliche, keine weibliche Mathematik", so eine Göttinger Mathematik-Professorin. Wenn die Mathematik tatsächlich so neutral ist - warum gibt es dann in Deutschland immer noch weitaus weniger Frauen als Männer, die dieses Studium aufnehmen, geschweige denn eine akademische Laufbahn einschlagen? Die Theaterautorin Anne Jelena Schulte spricht über ihre künstlerische Recherche zu Frauen in der Mathematik früher und heute am Beispiel der Mathematikerin Sofja Kowalewskaja und anhand von Interviews mit Studentinnen und Professorinnen der Fakultät für Mathematik in Göttingen.
9. Februar 2017: Kalter Meister. Hanns Hörbiger und die Welteislehre 1894-1945
Christina Wessely
Institut für Geschichtswissenschaft und Literarische Kulturen, Leuphana Universität Lüneburg
Im September 1894 hatte der österreichische Maschineningenieur und Kältetechniker Hanns Hörbiger eine Vision, die ihm eine "allumfassende Theorie des Himmels und der Erde" bescherte: Die so genannte Welteislehre oder Glazialkosmogonie ging davon aus, dass das Universum zu einem großen Teil aus Eis bestünde. Sie versprach nicht nur die Erklärung sämtlicher astronomischer, geologischer und meteorologischer Phänomene, sondern sollte auch eine "kosmische Kulturgeschichte" begründen.
Der Vortrag widmet sich der wechselvollen Geschichte der Welteislehre, die - obwohl akademische Gelehrte sie beinahe ausnahmslos als pseudowissenschaftliche Scharlatanerie ablehnten - enorme Popularität erlangen konnte. Grund dafür waren nicht zuletzt die öffentlichen Inszenierungen Hörbigers als genialer und charismatischer "Welteis-Meister". In diesen Inszenierungen schrieb er sich auf subversive Art und Weise in den Genie- und Heldendiskurs der zeitgenössischen Naturwissenschaften ein.
23. Februar 2017: Der Philosoph als Held. Aspekte der Heroisierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der Vormoderne und der sogenannten "wissenschaftlichen Revolution"
Monika Mommertz
Geschichte der Frühen Neuzeit, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Das Ideal vom Geisteshelden oder vom Wissenschaftler als (Anti-)Helden hat eine bis in die Antike und weiter zurück reichende Geschichte. Bereits damals entwickelte man Grundlagen einer später verchristlichten Anthropologie und (Natur-)philosophie, für die das Heroische zum unverzichtbaren Moment der Wissenssuche, aber auch zu einem wichtigen Aspekt der Vorgehensweisen, der Gegenstände und Ziele von Wissenschaft gehörte.
In Rezeptionen des Mittelalters und der Renaissance lassen sich die Spuren dieser Überlieferung festmachen. Sie wurden in der sogenannten "wissenschaftlichen Revolution" für neue Begründungszusammenhänge genutzt, unter anderem gegenüber Ansprüchen nicht gelehrter Wissensträgerinnen und Wissensträger. Wer sich auf die zum Teil verblüffende "Fremdheit" vergangener Vorstellungen vom "Wissenshelden" einlässt, entdeckt faszinierende, tief in das jeweilige Verständnis von Natur, Wissenschaft und Gesellschaft eingewobene Aspekte eines bis heute nachwirkenden Interpretaments.
9. März 2017: Von Erzschurken und Superhelden der Forschung. Narrative der Wissenschaft in der Fiktion
Luz María Hernández
Forschungsgruppe "Fiction Meets Science", Universität Bremen und Peter Weingart, Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftsplanung, Universität Bielefeld
Fiktionale Wissenschaftler wie Viktor Frankenstein oder Mr. Fantastisch tragen dazu bei, das öffentliche Bild der Wissenschaft zu prägen. Zum einen transportieren schurkische und heldenhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Bilder von guter oder schlechter Wissenschaft sowie von positiven oder negativen Anwendungen wissenschaftlicher Produkte und ihren gesellschaftlichen Folgen. Zum anderen liegen sowohl einfachen als auch mehrdimensionalen Figuren komplexere Vorstellungen zugrunde, die die gegenwärtige Verortung der Wissenschaft in unserer Gesellschaft beschreiben. Wie werden die Produktion von wissenschaftlichem Wissen und die Entwicklung technologischer Produkte in der Fiktion kontextualisiert? Welche gesellschaftliche Rolle wird der Wissenschaft durch Wissenschaftlerfiguren zugeschrieben? Der Vortrag diskutiert Narrative der Wissenschaft in verschiedenen Medien, darunter Comics, Filme, Romane und Zeichentrickserien für Kinder.