Göttinger Tageblatt vom 12. Februar 2009:
WENIG BEKANNTE KOSTBARKEITEN
Sopranistin Antonia Bourvé in der Aula am Wilhelmsplatz in Göttingen
Großartiges Team: Trung Sam und Antonia Bourvé. (Bild: Göttinger Tageblatt/Heller)
Erkältungen fordern in dieser Jahreszeit von Sängern viel Tribut. So hatte der Bariton Georg Gädker am Sonntag seine Mitwirkung beim Aulakonzert der Göttinger Kammermusikgesellschaft in letzter Minute absagen müssen. Doch seine Partnerin für Hugo Wolfs „Italienisches Liederbuch“ wusste Rat: Die Sopranistin Antonia Bourvé stellte rasch ein neues Programm zusammen, Lieder von Robert und Clara Schumann in der ersten, die Frauenlieder aus dem Wolfschen Werk in der zweiten Hälfte des Abends.
Das war eindeutig kein Notprogramm. Die Schumann-Lieder waren klug ausgesucht, außer den populären Mignon-Liedern handelte es sich um wenig bekannte kleine Kostbarkeiten jenseits der gängigen Zyklen. Darüber, dass Clara Schumann in ihren Liedern gegen die Kunst ihres Mannes ein wenig abfällt, sollte man länger nachdenken: Was wäre wohl aus ihrem kompositorischen Talent geworden, wenn sie die gleichen Freiheiten der Entwicklung wie ihr Mann gehabt hätte?
Die Sängerin widmete sich diesen Liedern mit ausgesprochen großer Sorgfalt, mit ausgefeilter Gestaltung, mannigfachen stimmlichen Möglichkeiten zwischen zartem Piano und kraftvollem Forte, von lyrisch-inniger Versenkung bis zu mitreißenden dramatischen Ausbrüchen. Ihre präzise Textartikulation ist vorbildlich, die Übergänge zwischen den Registern sind ausgeglichen, das Timbre ihres immer sicher geführten Soprans klar und klangschön.
Die Wolf-Lieder im zweiten Teil ließen noch darüber hinaus die Kunst Bourvés in lebendiger szenischer Ausgestaltung erkennen: Diese Lieder erzählen ja häufig kleine Geschichten – von erfüllter wie von unerfüllter Liebe, von Stolz, Wut und Zärtlichkeit. Gewiss wäre es schön gewesen, die Abwechslung im männlichen Widerpart zu erleben. Aber was die Sängerin bot, war für sich begeisternd genug.
Perfekter Partner
Großen Anteil am Erfolg dieses Abends hat der Pianist Trung Sam: ein perfekter Partner der Sängerin, technisch präzise, mit hoher Anschlagskultur und bezauberndem Farbenreichtum.
Lange und ausdauernd klatschten die Zuhörer in der Universitätsaula. Zum Dank erhielten sie eine Rarität als Zugabe: ein Kabarettlied, das Arnold Schönberg 1901 für das Berliner „Überbrettl“ geschrieben hat.
Michael Schäfer