HD Dr. Eva Willms
Nachruf auf HD Dr. Eva WillmsDas Seminar für Deutsche Philologie nimmt Abschied von der Philologin und Kinderbuchautorin Eva Willms, die am letzten Januarwochenende verstorben ist. Eva Willms war über 35 Jahre lang am Seminar als ebenso engagierte wie couragierte Lehrerin und Forscherin tätig.
Nach dem Studium der Fächer Deutsch und Latein an den Universitäten Bonn und München wurde Eva Willms im Jahr 1972 mit der Arbeit „Die Spruchdichtungen Muskatbluts. Vorstudien zu einer kritischen Ausgabe“ promoviert, die 1976 in der renommiertesten Reihe der älteren deutschen Philologie erschien (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 58). In der selben Reihe sollte dann auch ihr Buch „Liebesleid und Sangeslust. Untersuchungen zur deutschen Liebeslyrik des späten 12. und frühen 13. Jahrhunderts“ publiziert werden (München 1990, MTU 94), mit dem sie sich 1986 ebenfalls in Göttingen habilitiert hatte.
Aus diesen beiden Schriften gehen wesentliche Züge der wissenschaftlichen Persönlichkeit von Eva Willms bereits hervor: Ihre Arbeitsschwerpunkte bildeten das Spektrum der mittelalterlichen deutschen Lyrik, der Sangspruch und der Minnesang, aber vor allem auch die Editorik der älteren deutschen Texte. Vielbeachtet sind ihre überlieferungskritisch-kommentierenden Textausgaben zum Marner (Berlin, New York 2008) und im Bereich der pragmatischen Literatur die Teilausgabe zum „Welschen Gast“ des Thomasin von Zerklaere (Berlin, New York 2004), mit der Eva Willms sich in ihrer Übersetzung nicht nur an Spezialisten und Spezialistinnen gewandt hat. So weist denn auch die weitere publizistische Tätigkeit über das enge Feld der deutschen Philologie hinaus: Seit 1996 ist Eva Willms auch als Autorin von Jugendliteratur tätig gewesen und hat eine Reihe von Kinderbüchern verfasst.
Der Neigung zur Jungendliteratur stärker nachzugeben, wurde Eva Willms mit dem Ausscheiden aus dem Dienst im Jahre 2000 erleichtert, wo sie zunächst seit Anfang der 1970er Jahre als Assistentin des einflussreichen Göttinger Altgermanisten Karl Stackmann und schließlich als akademische Oberrätin und Hochschuldozentin tätig war. Schon ihr Auftreten in der Lehre – stets in enger philologischer Orientierung an den Fragen nach Text und Interpretation –, mit dem sie die Entwicklung des Seminars für Deutsche Philologie über ihr gesamtes Berufsleben hinweg begleitet hat, dürfte Generationen von Studierenden in prägender Erinnerung sein. Aber auch wissenschaftlich ist das Bild von Eva Willms prägnant. In ihrem wissenschaftlichen Arbeiten war Eva Willms eine meinungsstarke, kritisch urteilende Persönlichkeit, die mit ihrer Entschiedenheit auch selbst Kritik herausgefordert hat. Insofern ist die thematische Beschäftigung mit dem streitbaren Geist von Karl Kraus kein Zufall; zu ihm ist Eva Willms gemeinsam mit ihrem Mann Christian Wagenknecht ebenfalls editorisch tätig gewesen (Karl Kraus – Franz Werfel. Eine Dokumentation. Göttingen 2011).
Dem Seminar für Deutsche Philologie war Eva Willms nach ihrem Abschied ähnlich kritisch verbunden, nämlich im Abstand zu neueren institutionellen Härten, aber in freundschaftlicher Beziehung zu ihrem eigenen akademischen Gesprächszirkel, über den sie weiterhin in das Seminar hineingewirkt hat. Diese Wirkung wünscht man auch ihrem letzten, großen Projekt, das zugleich ihr erstes war: Im letzten Jahr sind im Anschluss an die vor 50 Jahren eingereichte Dissertation „Die Lieder Muskatbluts. Hrsg. und kommentiert von Jens Haustein und Eva Willms. Stuttgart: Anton Hiersemann 2021“ erschienen. Mit dieser komplexen Edition hat Eva Willms einen Kreis geschlossen, weil für sie hier ein Projekt aus der frühen Göttinger Zeit, das Eva Willms mit Karl Stackmann begonnen hatte, nun in methodischer Neuausrichtung mit Jens Haustein zu einem Abschluss fand. So hat Eva Willms sich durch einen akademischen Geist ausgezeichnet, über den die vom kurzlebigen Wandel geprägten wissenschaftlichen Institutionen nicht mehr verfügen. Das Seminar für Deutsche Philologie gedenkt Eva Willms mit hohem Respekt und kondoliert ihren Angehörigen und Freunden.