Originalsammlung
Die Originalsammlung des Archäologischen Instituts wurde 1839 begründet, als der berühmte Göttinger Altertumswissenschaftler Karl Otfried Müller (1797–1840) auf einer Studienreise nach Italien und Griechenland die ersten Vasen, Tonfiguren und Marmorskulpturen für die Göttinger Universität erwarb. Unter Leitung des ersten Göttinger Ordinarius für Archäologie, Friedrich Wieseler (1811–1892), und seines Nachfolgers, Karl Dilthey (1839–1907), wurde vor allem die Sammlung antiker Vasen durch regelmäßige Ankäufe wie auch durch Dauerleihgaben der Berliner Antikensammlung stark erweitert. Neben vollständigen Gefäßen konnten auch umfangreiche Bestände von Scherben, die für die archäologische Ausbildung besonders aufschlussreich sind, erworben werden. Die etruskische Abteilung der Sammlung bereicherte vor allem Gustav Körte (1852–1917), Direktor des Archäologischen Instituts seit 1907, durch bedeutende Neuerwerbungen, insbesondere im Bereich der Kleinbronzen.
Da im Kunsthandel angebotene archäologische Objekte sehr oft aus Raubgrabungen stammen, wurden in den letzten Jahrzehnten keine Objekte mehr für die Göttinger Archäologische Originalsammlung angekauft. Zumal diese seit langem umfangreiche Fundkomplexe aus regulären Ausgrabungen enthält. Im Jahr 1902 erhielt das Institut beispielsweise einen Teil der Funde von Heinrich Schliemanns Ausgrabungen in Troia aus Berlin. Ebenso bedeutsam sind die Funde der Grabungen des Kasseler Archäologen Johannes Boehlau (1861–1941) in Larisa am Hermos (Westtürkei) sowie in Pyrrha auf der griechischen Insel Lesbos. Diese werden samt zugehöriger Dokumentation im Göttinger Archäologischen Institut aufbewahrt und von internationalen Forscherinnen und Forschern häufig konsultiert.
Durch die Vielfalt der vertretenen Materialien, Gattungen und Kulturen – neben griechischen, altitalischen und römischen sind auch ägyptische und vorderasiatische Artefakte vertreten – ist die Göttinger Sammlung antiker Originalwerke über ihre Bedeutung für die Forschung hinaus auch ein wertvolles Hilfsmittel der archäologischen Lehre.
Die Skulpturensammlung Wallmoden
Die Sammlung Wallmoden war eine langfristige Leihgabe des Welfenhauses, Hannover, an das Archäologische Institut der Universität Göttingen. Von 1979 bis 2023 war sie dort öffentlich ausgestellt. Auf Geheiß des Eigentümers, Erbprinz Ernst August von Hannover, wurden 2016 sieben Hauptwerke der Sammlung nach England verbracht, 2023 wurde der Rest der Sammlung in ein Depot an einem unbekannten Ort abtransportiert. Seither sind die bislang in Göttingen gezeigten Exponate der Öffentlickeit nicht mehr zugänglich.
Die Sammlung besteht größtenteils aus antiken römischen Marmorwerken, die General Johann Ludwig von Wallmoden (1736–1811) im Jahr 1765 in Rom erwarb. Der spätere Reichsgraf von Wallmoden-Gimborn war ein leiblicher Sohn Georgs II. August von Großbritannien und Hannover. Nach englischem Vorbild angelegt, bilden Wallmodens Skulpturen die älteste Antikensammlung ihrer Art in Deutschland, die noch nahezu vollständig erhalten ist. Damit stellt sie ein herausragendes Zeugnis für die Antikenrezeption des 18. Jahrhunderts dar. Nach dem Tod Wallmodens im Jahr 1812 wurde die Sammlung an das Welfenhaus verkauft, in dessen Eigentum sie sich bis heute befindet.
Die Sammlung umfasst 56 Statuen und Büsten sowie reliefverzierte marmorne Urnen, vorwiegend aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. Alle Werke wurden im 18. Jahrhundert, dem ästhetischen Empfinden der Zeit gemäß, von führenden italienischen Bildhauern, insbesondere von Bartolomeo Cavaceppi (1716–1799), ergänzt und überarbeitet. Gerade diese Ergänzungen und Restaurierungen machten die Objekte in den vergangenen Jahrzehnten besonders wertvoll für die archäologische Lehre an der Universität Göttingen, denn anders als an Gipsabgüssen lässt sich hieran die komplizierte Unterscheidung antiker und neuzeitlicher Elemente erlernen, wie sie für die professionelle Analyse griechisch-römischer Skulpturen aus altem Sammlungsbesitz unerlässlich ist.
Zu den herausragenden Werken der Sammlung gehören die Gruppe »Perseus befreit Andromeda«, die Statue einer kauernden Nymphe (sogenannte Knöchelspielerin) sowie eine Reihe sehr qualitätvoller römischer Porträts.
Über die Geschichte der Originalsammlung des Archäologischen Instituts informiert der folgende Aufsatz:
Daniel Graepler, Die Sammlung antiker Originale im Archäologischen Institut der Universität Göttingen
[hier als pdf-Datei abrufbar]
Literatur zur Göttinger Originalsammlung
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Christian Gottlob Heyne, Vasorum fictilium literatorum et ectyporum genus superstes, necdum satis exploratae fidei, ad examen vocatum d. 29. Sept. 1810, Commentationes Societatis Regiae Scientiarum Gottingensis recentiores 1, 1811
Friedrich Wieseler, Göttingische Antiken. Göttingen 1858
Friedrich Wieseler, Die Sammlungen des archäologisch-numismatischen Instituts der Georg-August-Universität. Ein museographischer Bericht zur Feier des am 16. October 1859 statthabenen Jubiläums F. G. Welcker’s, Professors in Bonn, früher in Göttingen, im Namen des Instituts verfasst von Friedrich Wieseler. Göttingen 1859
Friedrich Wieseler, Die kürzlich aus der mineralogischen Sammlung in die archäologisch-numismatische Sammlung übergegangenen Gegenstände, Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität zu Göttingen No. 2, 22. Januar 1862, 29–43
Friedrich Wieseler, Ueber den Zuwachs der Sammlungen des archäologisch-numismatischen Instituts der Georg-Augusts-Universität seit dem Ende des Jahres 1859, Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität zu Göttingen No. 20, 10. November 1869, 407–429
Friedrich Wieseler, Ueber einige im Orient erworbene Bildwerke und Alterthümer, Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften und der G. A. Universität zu Göttingen No. 19, 23. Juli 1873, 522–536
Georg Hubo, Originalwerke in der archäologischen Abteilung des archäologisch-numismatischen Institutes der Georg-August-Universität. Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Doctorjubiläums des Directors Herrn Professors Friedrich Wieseler am 13. Januar 1887. Im Namen des Institutes verfasst von Dr. Georg Hubo. Göttingen 1887
Walther Müller, Eine Terrakotta der Göttinger Sammlung. Herrn Prof. Dr. Friedrich Wieseler zur Feier seiner fünfzigjährigen Lehrthätigkeit an der Universität Göttingen überreicht vom Kgl. archäologischen Seminar. Göttingen 1889
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Bernhard Müller, Dreizehn Gemmen der Göttinger Universitätssammlung. Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Wieseler zur Feier des vollendeten 80. Lebensjahres gewidmet vom Königlichen archäologischen Seminar. Göttingen 1891
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Norbert Eschbach, CVA Deutschland, 92: Göttingen, Archäologisches Institut der Universität, 4: Attisch rotfigurige Keramik. München 2012
Katalog der Skulpturen der Sammlung Wallmoden, herausgegeben von Klaus Fittschen und Johannes Bergemann unter Mitarbeit von Daniel Graepler, Joachim Raeder, Friederike Sinn, und Christiane Vorster, Aufnahmen von Stephan Eckardt. München 2015
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