Theodor Fontane: Theaterkritik. Große Brandenburger Ausgabe. Das kritische Werk, Band 2–5
Bandherausgeberinnen
Editorische Assistenz
- Adrian Bruhns
- Hartmut Hombrecher
- Nora Probst
Beirat
- Peter W. Marx (Universität zu Köln, Institut für Medienkultur und Theater)
Theodor Fontane als Theaterkritiker
Den mit Abstand größten Teil seiner Theaterkritiken hat Theodor Fontane in den Jahren 1870–1889 bei der »Königlich privilegirten Berlinischen Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen«, einer liberalen Tageszeitung – bekannt als »Vossische Zeitung« – verfasst. Im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt verfolgte Fontane von seinem Stammplatz (Parkettplatz 23) aus die Aufführungen der ersten Bühne Berlins, deren kritische Bewertungen in der Regel zwei Tage später in der »Vossin« zu lesen waren.
In dieser Zeit entstanden etwa 750 Theaterkritiken, die die Entwicklung vom wilhelminischen zum naturalistischen Theater nachzeichnen. Fontane wird, anders als seine Kollegen, die die neue Kunstrichtung anfangs ablehnen, zum kritischen Fürsprecher der naturalistischen Schule (etwa bei Ibsens »Gespenstern« oder Hauptmanns »Vor Sonnenaufgang«) und wird damit zu einer wichtigen Stimme für die naturalistische Bewegung.
Kennzeichnend für Fontanes Kritiken ist ein rezeptionsorientiertes Schreiben. Viel Wert legt er auf den Unterhaltungsfaktor, sodass die Lektüre auch für Leser, die der Aufführung nicht beigewohnt haben, gewinnbringend ist. Stilsicher und originell, mit Wortspiel und Witz bewertet Fontane im für ihn charakteristischen Plauderton Stück, Sujet und Schauspieler (bzw. deren Interpretation, Mimik, Gestik und manchmal auch ihre Kostüme).
Als Maßstab gilt das eigene subjektive Empfinden, wie er es in seiner Kritik zu Felix Dahns »Die Staatskunst der Frauen« am 7. Oktober 1877 schreibt: »Je länger man das kritische Metier treibt, je mehr überzeugt man sich davon, daß es mit den Prinzipien und einem Paragraphenkodex nicht geht. Man muß sich auf seine unmittelbare Empfindung verlassen können. Hat ein unterhaltendes und erheiterndes Lustspiel zugleich auch kunst- und schönheitsvoll auf mich gewirkt, so ist das erste, was mir obliegt, diese Wirkung anzuerkennen. Nicht meine Paragraphen, sondern meine Empfindungen haben zu Gericht zu sitzen. Sie können irren, aber selbst in ihrem Irrtum fördern sie mehr als das tote Gesetz.«
Fontanes »Theaterkritiken« in der Großen Brandenburger Ausgabe
In der Großen Brandenburger Ausgabe werden erstmals alle bekannten Theaterkritiken Fontanes ungekürzt in ihrer historischen Gestalt ediert; die Texte werden nach den Journalerstdrucken zeichengetreu konstituiert. Der vielschichtige forschungs- und quellengestützte Kommentar bietet neben den Überblicken zur Entstehung, Rezeption, Überlieferung und Druckgeschichte auch kulturhistorische Informationen über die Theateraufführungen und gewährt Einblicke in die Theatergeschichte Berlins. Für die Kommentierung werden zum ersten Mal Fontanes Aufzeichnungen in seinen Notizbüchern ausgewertet, die er zum großen Teil schon während der Aufführungen niedergeschrieben hat. Hinzu kommen Erläuterungen der zahlreichen literarischen und historischen Anspielungen. Außerdem werden Fontanes Theaterkritiken im Spiegel anderer zeitgenössischer Rezensionen bewertet. Annotierte Personen- und Werkregister schließen die Bände ab.
Die Edition entsteht in Zusammenarbeit mit der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln und dem Stadtmuseum Berlin.
Gefördert wird das Editionsprojekt vom 1. April 2010 bis zum 31. Juli 2012 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vom 1. August 2012 bis zum 31. Juli 2014 von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. Die dort eingeworbenen Mittel ermöglichen die Finanzierung einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin, einer wissenschaftlichen und einer studentischen Hilfskraft.
(Debora Helmer, Gabriele Radecke)