Presseinformation: Moleküldynamik und Vätersprüche
Nr. 199 - 11.12.2023
Universitätsbund Göttingen e.V. verleiht Dissertationspreis an zwei Nachwuchswissenschaftler
(pug) Dr. Arman Nejad und Dr. Jan Reitzner sind für ihre Doktorarbeiten an der Universität Göttingen mit dem Dissertationspreis des Universitätsbundes Göttingen e.V. ausgezeichnet worden. Der Physikochemiker Nejad verband in seiner Dissertation Theorie und Experiment: Er testete die Quantendynamik von Molekülen mittels spektroskopischer Methoden und entwickelte eine Rechenmethode, die diese Befunde sehr genau reproduzieren kann. Der Theologe Reitzner leistete auf seinem Gebiet Pionierarbeit, indem er die Rezeption der sogenannten Vätersprüche spätantiker Mönche im mittelalterlichen Abendland erforscht hat. Dabei entdeckte er unterschiedliche Rezeptionsweisen. Die beiden Nachwuchswissenschaftler teilen sich den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Preis des Universitätsbundes, der von der AKB Stiftung gefördert wird. Die Auszeichnung wurde am 7. Dezember 2023 im Rahmen der Akademischen Jahresfeier der Universität von Prof. Dr. Arnulf Quadt, Vorstandsvorsitzender des Universitätsbundes, überreicht.
Näherungen in quantenmechanischen Berechnungen lassen sich in der Chemie nur durch Experimente wirklich einschätzen. Hier bietet sich vor allem die Wechselwirkung von Licht mit Materie an, welche sehr genaue Einblicke in den Zusammenhalt und die Bewegungsformen der Moleküle ermöglicht. Diesem rigorosen Testen der Quantendynamik hat sich Nejad am Beispiel von Ameisensäuremolekülen und ihren Molekülverbänden gewidmet. Er hat spektroskopische Daten aus nahezu einem Jahrhundert kritisch hinterfragt und sehr umfangreich mit neuen Experimenten erweitert. Zudem hat er eine Rechenmethode ausgearbeitet, welche die experimentellen Befunde sehr genau reproduzieren kann und so einen präzisen Brückenschlag zwischen Theorie und Experiment für Wasserstoffbrückensysteme ermöglicht. Seine Ergebnisse hat er in einer öffentlich zugänglichen Datenbank aufbereitet.
Sprüche und Taten spätantiker Mönchsväter und auch -mütter aus der ägyptischen Wüste wurden gesammelt und tradiert. Sie hatten eine enorme Wirkung auf christliche Askese wie Spiritualität und waren im mittelalterlichen Abendland weit verbreitet. Reitzner hat die Rezeption der „Verba Seniorum“ genannten lateinischen Übersetzung dieser Vätersprüche anhand eines Ausschnitts, der Reform monastischen Lebens im 12. Jahrhundert in Frankreich, erforscht. Mit seiner Studie zeigt er für zwei unterschiedliche monastische Milieus auf, wie sich die Rezeption unterscheidet: In Handschriften aus traditionellen Klöstern wie Cluny wurden sie in konservativer Weise rezipiert, ihre Andersartigkeit gegenüber westlich-mittelalterlichem Mönchtum betont. In Handschriften aus Reformklöstern, speziell aus Zisterzienserabteien, wurde dagegen mit der handschriftlichen Überlieferung gebrochen. Vielmehr wurden die Sprüche in den jeweiligen Aussagekontext eingepasst und die Lesenden zu individueller Reflexion angeregt.