Kunstwerk des Monats im November 2011


06. November 2011
"Maria und Johannes das Kind anbetend" von Francesco Botticini (1446-1497)
Vorgestellt von: Swetlana Mass

KdM November 2011 - Botticini Die hier vorgestellte Tafel des in Florenz ansässigen Künstlers Francesco Botticini (1446-1497), gelangte im Jahre 1882 dank der aus italienischen Gemälden bestehenden Stiftung des Göttinger Mediziners Wilhelm Baum an die Universität Göttingen. Als Werk der Frührenaissance geschaffenes Bild zählt es heute zu den ältesten und wertvollsten Exponaten der universitären Kunstsammlung. Das kleine Format (89,5 x 60,5 cm) und die Darstellungsweise des Bildmotivs der Maria in Anbetung ihres Kindes machen deutlich, dass es sich hier um ein häusliches Andachtsbild handelt; eine im Quattrocento (15. Jh.) zum Höhepunkt gelangende Bildform, die eine gegenüber den Kultbildern im Kircheninnern, das heißt den Gemälden auf Hauptaltären und den Altarwerken in Familienkapellen, konkurrierende Stellung einnahm. Anders als diese in die Liturgie integrierten, damit für die Öffentlichkeit zugänglichen Bilder, war das häusliche Andachtsbild in Privatbesitz, vorzugsweise im Schlafgemach, anzutreffen. Sie waren dazu bestimmt den einzelnen Gläubigen außerhalb der liturgischen Abläufe zur individuellen Andacht anzuregen. Die Bedeutung dieser Bildgattung, die sich in der zahlenmäßigen Ausbreitung und den vielfältigen Ausprägungen der Bildthemen äußerte, wurde durch das steigende Interesse am Individuum des Renaissance-Menschen und den Wohlstand der bürgerlichen Gesellschaftsklasse ermöglicht. Den bevorzugten Darstellungsgegenstand bildete Maria mit Kind.
Das Bildmotiv der Madonna in der Anbetung des vor ihr am Boden liegenden Christuskindes ist zunächst - beeinflusst durch zwei mystische Texte des beginnenden 14. Jahrhunderts - in Weihnachtsbildern zu finden und für das Andachtsbild aus diesem szenischen Kontext herausgelöst worden.
Die kontemplative Versenkung in den Bildinhalt und die damit geforderte Minderung der geistigen Distanz des Betrachters zum Bild werden im Göttinger Werk nicht – wie in Bildern anderer Themen – durch die innige Beziehung zwischen Mutter und Kind, sondern durch die Handlung, das heißt durch die Anbetung selbst hergestellt, welche in der niedergeknieten Haltung und den zusammengelegten Händen zu sehen ist.
Im Œuvre des Künstlers sind neben dem Göttinger Werk eine Vielzahl weiterer Anbetungsdarstellungen zu finden. Botticini – in der älteren Wissenschaft des Öfteren aufgrund seiner künstlerischen Orientierung an zeitgenössischen erstrangigen Künstlern wie Botticelli, Verrocchio oder Domenico Ghirlandaio als Eklektiker bezeichnet - setzte sich mit diesem Bildthema insbesondere in seiner späten Schaffenszeit auseinander.