Kunstwerk des Monats im Februar 2011


06. Februar 2011
"Erbauung in Farbe. Das kolorierte Exemplar des Speculum passionis Ulrich Pinders (Nürnberg 1507) in der Göttinger Universitätskunstsammlung"
Vorgestellt von: Dr. Anne-Katrin Sors

Ulrich Pinder KdMNeben Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen, Druckgraphik und Videokunst nennt die Göttinger Universitätskunstsammlung einen beachtenswerten Bestand an illustrierten Büchern ihr Eigen. Eines der frühesten ist ein koloriertes Exemplar des spätmittelalterlichen Passionstraktats Speculum passionis (Nürnberg 1507). Der Nürnberger Stadtarzt Ulrich Pinder kompilierte die Texte, gab die Illustrationen in der Dürer-Werkstatt in Auftrag und druckte das Werk in seiner eigenen Druckerei. Das aus drei Teilen bestehende Werk ist mit insgesamt 77 Holzschnitten illustriert, 39 sind ganzseitig. Im ersten Teil, der Einleitung, wird der geneigte Leser in Passionsmediation und Lebensgeschichte Christi eingeführt. Im zweiten Teil, dem Hauptteil, folgt die Passion Christi vom Gang nach Gethsemane bis zur Grablegung, im dritten Teil werden Wunder Christi nach seinem Tode sowie das Jüngste Gericht behandelt. Das Speculum wurde als „eines der schönsten deutschen Holzschnittbücher des 16. Jahrhunderts“ bezeichnet. Für die Holzschnitte zeichnen Hans Schäufelein, Hans Baldung Grien und Hans Süß von Kulmbach verantwortlich.

Das Göttinger Exemplar zeichnet sich nicht nur durch die kolorierten Holzschnitte aus, handschriftliche Vermerke am Textrand bezeugen den häuslichen Gebrauch als Andachtsbuch. Durch die große Bekanntheit und weite Verbreitung fanden die Illustrationen hohe Schätzung als Vorlagen für gemalte Passionsszenen und –folgen. Als lokales Göttinger Beispiel ist die Szene „Einzug in Jerusalem“ des Hochaltares in der Marienkirche von Heinrich Heisen aus dem Jahre 1524 zu nennen.