Kunstwerk des Monats im April 2006


02. April 2006
Frans Masereel (1889-1972): Paysage 9 oder Nächtliche Großstadtstraße, 1927
Vorgestellt von: Inke Beckmann, M.A.

Frans Masereel: Paysage 9 oder Nächtliche Großstadtstraße"Frans Masereel ist 1889 in Blankenberghe als Sohn gutbürgerlicher Eltern geboren und wuchs auf in Gent. Der junge Zeichner, Holzschneider, Illustrator - er hat zahlreiche fremde Bücher mit Bildern versehen, Bücher von Verhaeren, Jouve, Rolland, Duhamel, namentlich Charles Louis Philippe, bevor er sein eigenes Genre fand - zählte er 25 Jahre, als der Weltkrieg einfiel - Zeitwende im Leben jedes Einzelnen, die auch Masereel zu dem gemacht hat, was er heute ist: aus einem flämischen Realisten hat sie ihn zu zum europäischen Künstler gemacht.

Er selbst hat es so gesagt:

"Ich gefiel mir vor dem Kriege", sagte er auf Befragen zu seinem Landsmann Henry van de Velde, "in krassem, echt flämischen Realismus; Kirmes, öffentliche Bälle, Dirnen und Matrosen" Ich habe Stöße von Skizzen nach dem Leben, von der Straße, den Höfen, aus den Spelunken. Ich habe immer viel gearbeitet" Aber der tiefste Sinn von all dem entging mir, und ich fühle wohl, daß der Krieg stark beigetragen hat, ihn mir verständlich zu machen." ["] Der Krieg hat eine geistige Figur, ein Organ des öffentlichen Gewissens aus ihm gemacht. Folglich ist er ein Revolutionär" - Ich muß hoffen, daß das kleine Zögern, mit dem ich die Frage bejahe nicht missverstanden wird, denn selbstverständlich ist sie zu bejahen. Ich sagte ja schon, daß Masereels Kunst unsere Zivilisation anklagt und richtet, und ich sagte auch, daß, wenn sie an den Missbildungen des Lebens und der freien Gesellschaft Kritik übt, sie es aus dem natürlichsten und freiesten menschlichen Gefühl, aus Künstlertum mit einem Worte, und nicht aus ideeller Verbissenheit tut."

Thomas Mann, 1919: Aus dem Vorwort zu Frans Masereel, Mein Stundenbuch.