Lernkultur und Unterrichtsentwicklung in Ganztagsschulen - Rekonstruktionen zur Transformation schulischen Lehrens und Lernens (LUGS)
Gefördert durch Mittel des BMBF und des ESF
Laufzeit: 1.10.2005-30.9.2008, verlängert bis 30.9.2009
Projektleitung: Prof. Dr. Fritz-Ulrich Kolbe † (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Prof. Dr. Sabine Reh (TU Berlin), Dr. Bettina Fritzsche (TU Berlin), Dr. Till-Sebastian Idel (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), Dr. Kerstin Rabenstein (TU Berlin)
Vier Jahre lang wurde in dieser praxistheoretisch orientierten sowie ethnographisch verfahrenden Studie die Entwicklung und professionelle Reflexion pädagogischer Angebote an 12 Ganztagsschulen (je vier in Berlin, Brandenburg und Rheinland-Pfalz) begleitet und analysiert. In einem rekonstruktionslogischen und mehrperspektivischen Design wurden mit Hilfe von Interviews, Gruppendiskussionen und teilnehmender Beobachtung in Sitzungen verschiedener schulischer Gremien Vorstellungen („symbolische Konstruktionen“) der schulischen Akteure über eine ganztägige Beschulung rekonstruiert. Mit Hilfe von teilnehmender Beobachtung und Videographien in unterschiedlichen Angeboten (Unterricht, Förderangebote, Freizeitangebote, Mittagessen u.a.m.) wurden demgegenüber pädagogische Praktiken und Lernkulturen einer Öffnung der Schulen erhoben.
Der Blick auf die Vorstellungen der Praktiker offenbarte einen ausgeprägten Legitimationsdiskurs, in dem der Ganztagsschule immer wieder auch eine kompensatorische Aufgabe zugeschrieben wurde – bis hin zur Vorstellung eines Ersatzes der Familie in ihren emotional-stützenden und bildungsanregenden Funktionen. Gleichzeitig nahmen die Akteure Bezug auf reformpädagogische Ideen und Programmatik einer Öffnung der Schule gegenüber dem Leben. Solchermaßen die Grenzen des Schulischen verschiebende Vorstellungen reproduzieren sich – so unsere Beobachtungen – auf der Ebene der pädagogischen Praktiken. Beobachtet wird zum einen die Tendenz einer Individualisierung pädagogischer Angebote als eines verstärkten Zugriffs auf die ganze Person im Sinne der Konstituierung des Subjekts als eines selbständig arbeitenden Aufgabenlösers mit allen produktiven und problematischen Konsequenzen. Zum anderen wird die Tendenz einer Formalisierung deutlich: Im Umgang mit den Sachen bzw. den Gegenständen des Unterrichts und in der Entwicklung eines spezifischen Modus, in dem das legitime Wissen in der Schule alltagsweltlich präsentiert wird, nämlich im Modus der Informationen, die zur Lösung von Aufgaben wichtig sind.