Sonnabend, 15. November 2014
Lebhafte Diskussionen in den Foren
Am Sonnabend wurde die Konferenz mit Vorträgen und Diskussionsforen im Zentralen Hörsaalgebäude der Universität fortgesetzt. Lebhaft diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darüber, wie Wirtschaftswachstum, Staatsverschuldung, Innovationen oder Unternehmenspraxis mit dem Ziel der Nachhaltigkeit zusammenpassen. Studierende berichteten abschließend im Plenum aus den vier Foren.
Grundlegende Dinge diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Forum "Messung von Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit" und suchten nach alternativen Indikatoren. Am Beispiel Bhutan wurde darüber nachgedacht, was nachhaltiges Glück sein könnte. Diskutiert wurde auch der neue Ansatz "Buen vivir", der postuliert, dass die Natur Rechte vor dem Gesetz hat. Für die schwierige politische Umsetzung wurde unter anderem vorgeschlagen, eine öffentliche Diskussion über alternative Messungen anzustoßen oder über die Unternehmen die Politik zu beeinflussen.
Im zweiten Forum wurde über die "schwarze Null", die verteilungspolitische Dimension und die Enkelgerechtigkeit von Staatsverschuldung diskutiert. Zudem präsentierte ein Student sein Forschungsergebnis, dass mehr direkte Demokratie die Staatsverschuldung verringern könnte, weil Partikularinteressen sich nicht so gut durchsetzen könnten. Abschließend diskutierten die Forumsteilnehmer unter anderem, warum ein Staatsbankrott problematisch ist und wie sinnvoll Investitionen in der Krise sind.
Die nachhaltige Wirkung innovativer Projekte aus den Bereichen Energie und Textil wurde im dritten Forum vorgestellt. Mit einer Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht für chemische Bestandteile in Textilien wird Transparenz geschaffen, mit einer noch zu entwickelnden App können sich Verbraucher direkt informieren und im Laden für oder gegen den Kauf entscheiden. Diese direkte Reaktion der Verbraucher soll die Produzenten zum Handeln zwingen.
Steht der Gewinn als Hauptziel eines Unternehmens in Widerspruch zur Nachhaltigkeit? Im vierten Forum berichteten Praktiker aus Groß- und Kleinunternehmen über Spielräume und Probleme, Nachhaltigkeit anzustoßen. Kontrovers wurde zudem diskutiert, ob mehr Regulierung, eine bessere Regulierung oder Freiwilligkeit für eine nachhaltige Entwicklung in der Unternehmenspraxis sorgen kann.
In der anschließenden Plenumsdiskussion bekam die Ökologin Dr. Angelika Hilbeck von der ETH Zürich viel Applaus für ihre Forderung nach einem neuen globalen Rahmen des Wirtschaftens, der die ökologischen Grundregeln berücksichtige. Sie fragte nach einem zyklischen Wirtschaftskonzept, in dem es Wachstum geben kann, wo aber gleichzeitig an anderer Stelle etwas vergeht.
Streitgespräch: Nachhaltiges Wachstum - geht das?
Am Abend diskutierten Sven Giegold, Mitglied der Grünen-Fraktion im Europaparlament, und Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. in einem öffentlichen Streitgespräch über die Frage "Nachhaltiges Wachstum - geht das?". Moderatorin war Dr. Ulrike Bosse, Leiterin der Wissenschaftsredaktion von NDR Info.
Einigkeit bestand darüber, was nachhaltiges Wirtschaften grundsätzlich bedeutet: ein Wirtschaften, das die Grenzen unseres Planeten berücksichtigt und die Bedürfnisse der Menschen deckt. Beide Diskutanten betonten zudem, dass das Bruttoinlandsprodukt als Messinstrument nicht ausreicht. Unterschiedliche Ansätze und Sichtweisen wurden im Verlauf der Diskussion rund um die Energiepolitik deutlich.
Zunächst ging es um die Frage: Brauchen wir Wachstum? Hüther betonte, Wachstum und Fortschritt sei in der Freiheit verankert. Entscheidend sei nicht die Wachstumsrate, sondern wie wir Wirtschaft und Wachstum ordnen und organisieren, so dass wir mit dem Vorhandenen auskommen. Giegold sagte, wir müssten eigentlich über die Grenzen des Wachstums reden, unter denen es die Freiheit gibt zu entscheiden, wie wir wirtschaften. Er forderte neben dem Wirtschaftsbericht einen Wohlstandsbericht, der auch in der öffentlichen Diskussion präsent sein müsse.
Ein inhaltlicher Streit entspann sich dann bei der Frage, was für nachhaltiges Wirtschaften notwendig ist. "Die Energiewende ist eine Katastrophe", sagte Hüther mit Hinweis auf den weiterhin steigenden CO2-Ausstoß. Der Staat solle die gesellschaftliche Ordnung regeln, aber "jeder Einzelne muss Verantwortung übernehmen, muss diesen Rahmen füllen - ob Unternehmer oder Arbeitnehmer". Nach Ansicht von Giegold liegt der steigende CO2-Ausstoß daran, dass die Wirtschaftslobby einen funktionierenden Handel mit Emissionszertifikaten verhindert habe. Hüther kritisierte außerdem, dass Deutschland die Energiewende im Alleingang beschlossen hätte, und wertete dies als unsolidarisches Vorgehen in Europa. "Wir verschenken auch die Möglichkeiten einer europäischen Lösung." Giegold wies darauf hin, dass der EU-Vertrag keine einheitliche europäische Energiepolitik vorsehe - auch wenn dies wünschenswert wäre.
Auf den Vorschlag Hüthers, den CO2-Ausstoß im Individualverkehr über den Preis zu steuern, indem man an die Mineralölhersteller herangehe, antwortete Giegold, dass wir bei einer monetären Steuerung eine Gesellschaft mit weniger Ungleichheit schaffen müssten. Andernfalls sei dies eine Einschränkung der Freiheit der Ärmeren.
Das Streitgespräch wurde in einer leicht gekürzten Fassung am Montag, 17. November 2014, bei NDR Info in der Reihe "Forum" gesendet.
Bilder vom Samstag