Kunstwerk des Monats im Juni 2015
07. Juni 2015
"Künstlers Erdenwallen" von Adolph Menzel
Vorgestellt von: Julia Diekmann, M.A.
Adolph Menzel: "Künstlers Erdenwallen" (1833/1834)
Das graphische Werk Adolph von Menzels (1815 - 1905) umfasst eine unglaubliche Bandbreite von der Glückwunschkarte bis zur hochwertigen Buchillustration. Es beinhaltet sowohl den eigenständigen künstlerischen Ausdruck als auch die künstlerische Satire. Zu letzterer zählt auch die Serie "Künstlers Erdenwallen". Menzel bietet hier in elf Szenen auf sechs Blättern das Panorama eines zeitgenössischen Künstlerlebens dar. Er zeigt die sozial prekäre und künstlerisch unbefriedigende Lebenssituation zahlreicher zeitgenössischer Maler auf, wobei er auf die englische Karikatur des 18. Jahrhunderts Bezug nimmt und sich zahlreicher Künstlerlegenden und visueller Topoi bedient. Begleitet werden die szenischen Darstellungen jeweils von einer Vignette, die den Bildinhalt sinnfällig verdeutlicht. Beginnend mit "Keim / Trieb" zeigt Menzel den kindlichen Künstler, der im elterlichen Hause den Fußboden bemalt hat, wofür er vom Vater zur Rechenschaft gezogen wird.
Thema des Bildes sind die künstlerischen Topoi Frühbegabung und Autodidaktentum des kindlichen Künstlers. Wie die Vignette, ein gerade geschlüpfter Schmetterling im Fangnetz, verdeutlicht, werden diese nicht gefördert sondern bestraft. Die folgenden Bilder zeigen dem Betrachter den jugendlichen Künstler in einer gezwungenen Schusterausbildung ("Zwang"), die ihm nur nachts Gelegenheit bietet seiner künstlerischen Neigung nachzugehen ("Trieb"). Der hier in sein Gegenteil verkehrte Topos ist jener der ersten Künstlerakademien in Italien, die sich in ihrer Selbstdarstellung als bei Nacht lernende Gemeinschaft präsentierten, Menzels junger Künstler ist jedoch allein. Endlich gelingt ihm die Flucht aus Elternhaus und ungeliebtem Lehrberuf ("Freiheit") und er erlangt eine akademische Künstlerausbildung. ("Schule"), die ihn nicht befriedigt und in den "Selbstkampf" führt. Nachdem der junge Mann - mit deutlichen Faustbezügen in der bildlichen Darstellung Menzels - seine Liebe gefunden hat, ist er freilich gezwungen, eine Familie zu ernähren und für den Broterwerb das Portrait einer hässlichen, neureichen Frau anzufertigen ("Wirklichkeit"). Die zahlreichen künstlerischen und kunsttheoretischen Anspielungen in diesem Bild zitieren neben Dürer und Plinius auch Goethes "Künstlers Erdenwallen" von 1775. Die nächste Szene thematisiert den frühen Tod des Künstlers im Kreise seiner Familie und vor einem unvollendeten Historiengemälde, der akademisch höchsten, allerdings schwer verkäuflichen Bildgattung. Das letzte Bild "Nachruhm" ist angelegt in einer Gemäldegalerie und verarbeitet damit wiederum eine Szene aus Goethes "Künstlers Erdenwallen". Ein junger Kunstschüler kopiert hier unter der Aufsicht seines Lehrers das Werk eines als vorbildhaft angesehen Künstlers. Dessen letztes Werk wurde vom Prinzen angekauft und wird in diesem Augenblick angeliefert. Es handelt sich um das in der vorher gehenden Sterbeszene im Hintergrund zu sehende Bild, es zeigt den römischen Feldherrn Belisarius als Bettler, nach einem bekannten Gemälde von Jaques Louis David (1784) und rekurriert damit auf eine schon damalige Ikone der Historienmalerei. Menzel jedoch bezieht auch dieses Bildzitat auf die Situation des zeitgenössischen Künstlers und ironisiert und kritisiert - auch durch die Anwesenheit Goethes im Bild - sowohl den zeitgenössischen Kunstbetrieb als auch die akademische Ausbildung der Künstler.