Kunstwerk des Monats im Januar 2012


08. Januar 2012
Johann Heinrich Tischbein d.J. - Das Portrait des Abraham Gotthelf Kaestner 1770
Vorgestellt von: Dr. Anne-Katrin Sors

KdM Januar 2012Das Por­trait des Abraham Gotthelf Kaestner ist auf­grund ver­schiedener As­pekte spannend: erstens auf­grund des Dar­ge­stellten, der neben seiner Professur für Mathe­matik und Physik auch als Schrift­steller Furore machte, zweitens ist die Pro­venienz und An­kaufs­ge­schichte gut do­ku­mentiert, drittens ist die Zu­schreibungs­frage spannend und viertens ver­birgt sich eine außer­ge­wöhn­liche Ge­schichte hinter dem "Riss" am unteren rechten Bild­rand. Abraham Gotthelf Kaestner war Professor für Mathe­matik und Phy­sik in Leip­zig und Göttingen. Be­kannt ist Kaestner vor allem als Lehrer Lichter­bergs, Lessings und anderer sowie wegen seines epi­grammatischen Talents. Hier kann als Bei­spiel ledig­lich das Ge­dicht zum be­sprochenen Werk dienen, das sogar auf dem Ge­mälde selbst zu lesen ist. In seiner Linken hält Kaestner ein be­schriebenes Blatt Papier, auf dem folgendes ver­mut­lich eigens für dieses Por­trait ge­dichtete Epi­gramm zu lesen ist:

Sorgt ja, daß auch von euren Zügen
Ein gutes Bild der Nachwelt übrig ist:
So sieht sie euch, Autoren, ! mit Vergnügen,
Wenn sie euch lange nicht mehr liest.


Das Portrait konnte 1973 aus Sonder­mitteln der Universität er­worben werden. Durch Notizen in den Akten der Kunst­sammlung können wir die Pro­venienz bis ins 19. Jahr­hundert nach­voll­ziehen. Das Gemälde wurde an­ge­kauft als Werk des Johann Heinrich Wilhelm Tischbein d.J., des sog. Goethe-Tischbein, später wurde es Johann Heinrich Tischbein d.Ä. zu­ge­schrieben, seit einigen Jahren ist es ein­deutig Johann Heinrich Tischbein d.J. zu­zu­schreiben.

Eine Sonder­heit ist der sich rechts unten im Bilde be­find­lichen ca. 5 cm langen Riss. Auf einem Zettel, der auf der Rück­seite des Keil­rahmens in Höhe des zwar ge­schlossenen, je­doch ab­sicht­lich sicht­bar ge­lassen Risses an­ge­bracht ist, kann man lesen: Historischer Ein­hieb be­lassen, denn Prinz Wilhelm von Württemberg fügte dem Gemälde diesen Schaden beim Üben der Mensur­fechter­ei zu.