Presseinformation: 400 m2 Tradition: Spendenaktion zur Rettung des historischen Göttinger Karzers
Nr. 347/2005 - 21.10.2005
Niedersächsische Justizministerin übernimmt Schirmherrschaft – Vortrag über Universitätsgefängnis
(pug) Wer als Student in Göttingen die Nachtruhe störte, durch ständigen Unfleiß oder Trunkenheit auffällig wurde, musste seine Strafe im Karzer, dem historischen Studentengefängnis der Georg-August-Universität, verbüßen. Die „Insassen“ verewigten sich mit Zeichnungen und Inschriften auf den Wänden ihrer Zellen. Acht Räume im Aulagebäude am Wilhelmsplatz vermitteln bis heute einen lebendigen Eindruck vom Studentenleben zwischen 1837 und der Schließung des Karzers im Jahr 1933. Die Georgia Augusta möchte diese Zeugnisse der Universitätsgeschichte bewahren; für die dringend erforderliche Restaurierung des Karzers fehlen jedoch die Mittel. Die Spendenaktion „400 m2 Tradition“ für den Erhalt des Göttinger Karzers startet mit einer Vortragsveranstaltung, zu der die interessierte Öffentlichkeit am Mittwoch, 2. November 2005, eingeladen ist.
An dieser Auftaktveranstaltung wird neben dem Präsidenten der Universität Göttingen, Prof. Dr. Kurt von Figura, die Justizministerin des Landes Niedersachsen, Elisabeth Heister-Neumann, teilnehmen. Sie hat die Schirmherrschaft für die Karzer-Kampagne übernommen. Im Mittelpunkt steht ein Vortrag mit dem Titel „Bier! Unschuld! Rache! Die Geschichte(n) des Göttinger Karzers“, den Dr. Gert Hahne, Karzer-Experte und Pressesprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, halten wird. Dr. Hahne hat an der Georgia Augusta über die sozialhistorischen Hintergründe des Göttinger Universitätsgefängnisses promoviert. Die Veranstaltung findet in der Aula am Wilhelmsplatz statt und beginnt um 19.15 Uhr.
Die 1737 gegründete Georgia Augusta besaß in den ersten 200 Jahren ihres Bestehens durch königliches Privileg die alleinige Gerichtsbarkeit über ihre Angehörigen. Studentische Missetaten wie öffentliche Trunksucht, nächtliches Lärmen und Beleidigungen konnten mit Aufenthalten im Karzer bestraft werden. Dieser befand sich zunächst im Konzilienhaus der Universität an der Prinzenstraße. Im Aulagebäude entstanden 1837 acht neue Karzerräume, in denen über eine Zeitspanne von knapp 100 Jahren Studenten Buße tun mussten. Kohle- und Kreidezeichnungen – Wappenbilder, farbige Gemälde, Karikaturen und viele Schattenriss-Porträts mit Namen und Haftzeit – zieren bis heute die Karzerwände.
Der Göttinger Karzer zählt zu den am besten erhaltenen Universitätsgefängnissen in Deutschland, doch ist sein Bestand gefährdet: Die Wandzeichnungen und Inschriften, die vom damaligen Studentenleben, den Verstößen gegen die bürgerliche Ordnung und den Sehnsüchten der Insassen erzählen, verblassen. Licht und Feuchtigkeit haben ihre Spuren in den engen Zellen hinterlassen. Um den Karzer in seiner Einmaligkeit zu erhalten und die Bausubstanz zu sichern, sind umfangreiche Restaurierungen notwendig, die rund 80.000 Euro kosten werden.
Mit einer Spendenaktion lädt die Universität Göttingen Freunde und Förderer dazu ein, die Rettung dieses Zeugnisses der Universitätsgeschichte zu unterstützen. So können Patenschaften für die Restaurierung von einem oder mehreren Quadratmetern Wand- und Deckenfläche oder auch von einem kompletten Karzerraum übernommen werden. Dazu hat die Universität ein Spendenkonto bei der Sparkasse Göttingen, Bankleitzahl 260 500 01, Kontonummer 67, Stichwort Karzer, eingerichtet.
Weitere Informationen sind im Internet unter der Adresse www.karzer.uni-goettingen.de abrufbar.
Hinweis an die Redaktionen:
Digitales Bildmaterial kann in der Pressestelle abgerufen werden.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Doris Lemmermöhle
Georg-August-Universität Göttingen
Wilhelmsplatz 1, 37073 Göttingen
Telefon (0551) 39-12184, Fax (0551) 39-4520
e-mail: doris.lemmermoehle@zvw.uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de