Presseinformation: Studie von Nachwuchsforscherinnen: Kritischer Blick auf den "echten Körper"
Nr. 310/2001 - 28.11.2001
Zwei Göttinger Studentinnen im Rahmen des 3. Deutschen Studienpreises ausgezeichnet
(pug) Die Göttinger Studentinnen Johanna Offe (Ethnologie und Soziologie) und Eva Blome (Germanistik, Ethnologie und Soziologie) haben einen dritten Preis im Forschungswettbewerb 2000/2001 der Hamburger Körber Stiftung zum Thema „Bodycheck - Wie viel Körper braucht der Mensch?“ erhalten. Die mit 3.000 Euro dotierte Auszeichnung des 3. Deutschen Studienpreises würdigt ihre interdisziplinäre Studie über die umstrittene Ausstellung „Körperbilder - die Faszination des Echten“, die mit bisher mehr als 7,5 Millionen Besuchern nach Angaben der Initiatoren „zur erfolgreichsten Sonderausstellung aller Zeiten" geworden ist. Die Präsentation zeigt nach einem besonderen Verfahren konservierte Leichen - „echte menschliche Plastinate“, die den Besuchern nach den Worten der Ausstellungsmacher erstmals einzigartige Enblicke in den Körper des Menschen ermöglichen. Johanna Offe und Eva Blome machen in ihrer Arbeit deutlich, dass diese Vorstellung vom „echten Körper“ von kulturellen Faktoren abhängig ist.
„Es ist auffallend, dass ein Leichnam, der mit enormem technischen Aufwand behandelt wurde und zu 90 Prozent aus Plastik besteht, als echter Körper wahrgenommen wird“, sagt Johanna Offe. Zudem würden die Körper von Männern und Frauen in klassischen geschlechtspezifischen Posen dargestellt und spiegelten damit gesellschaftliche Klischees von Mann und Frau. „Wir wollen mit unserer Untersuchung ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das, was als Wahrheit vermittelt wird, auch kulturell bedingt ist und gesellschaftliche Machtverhältnisse spiegelt", so Eva Blome. Die Studie der beiden Nachwuchsforscherinnen zeigt noch einen weiteren Aspekt auf: „Die Ausstellung erinnert an das medizinische Körperbild des frühen 19. Jahrhunderts, als wissenschaftliche Erkenntnisse mit Hilfe von Leichensezierung gewonnen wurden“, sagt Eva Blome. Das Wissen um sezierte Leichen sei lange Zeit nur Medizinern zugänglich gewesen. Heute jedoch gewinne die Medizin ihre Erkenntnisse im Zuge von Gentechnik und systemischen Vorstellungen von Körpern auf andere Weise. Damit ist nach Ansicht der Nachwuchsforscherinnen ein neues „Medizin-Elitewissen" entstanden, so dass das alte Wissen öffentlich gemacht werden kann.
Mit dem deutschen Studienpreis will die Körber Stiftung nach eigenen Angaben den Dialog zwischen Hochschule und Gesellschaft fördern. In diesem Zusammenhang unterstützt sie praxisrelevante, interdisziplinäre und teamorientierte Forschung von Studierenden. Die Preisverleihung für den Forschungswettbewerb 2000/2001 ist für den 24. und 25. Februar 2002 in Berlin vorgesehen.