Decolonizing Knowledge

Objekte, Sammlungen und die Ambivalenz der Aufklärung

Montags, 18.15 bis 19.45 Uhr
Taberna in der Alten Mensa, Wilhelmsplatz 3, 37073 Göttingen




Wie an vielen universitären Sammlungen finden sich auch in Göttingen Objekte und Sammlungsbestände, die im Zuge der europäischen kolonialen Herrschaft nach Europa kamen. Der Übergang der Objekte in europäische Museen und Sammlungen machte sie zu Wissensobjekten, bei denen ihre ursprüngliche Bedeutung und ihr vormaliger Status zugunsten einer westlichen Perspektive tendenziell unsichtbar gemacht wurden. Mit der Entwicklung einer Basisausstellung im Forum Wissen, die auch marginalisierte und verdrängte Wissensformen in die Ausstellung miteinbeziehen möchte, stellt sich die Frage, wie und unter welchen Bedingungen solche Objekte in die Ausstellung integriert werden können,
ohne dabei einen westlichen Blick zu reproduzieren.

Dazu möchte die Vortragsreihe besonders den Zusammenhang zwischen Wissensproduktion und kolonialer Machtausübung in den Blick nehmen. Vor allem postkoloniale Studien machten in letzter Zeit vermehrt darauf aufmerksam, dass Kolonialismus nicht nur als eine soziale, politische oder ökonomische Praxis betrachtet werden kann, die sich über direkte Herrschaft und Ausbeutung etabliert und aufrechterhält, sondern auch als eine Wissensordnung begriffen werden muss, die „westliches“ Wissen universalisiert und gleichzeitig „andere“ Wissensbestände marginalisiert. Dass mit dem Ende der realen kolonialen Herrschaft keineswegs ein Ende asymmetrischer Wissensordnungen verbunden ist, bildet ebenfalls eine wichtige Einsicht postkolonialer Studien.

Die Referentinnen und Referenten der Reihe fragen anhand unterschiedlicher Fallbeispiele zum einen danach, welchen Anteil Wissen am europäischen kolonialen Projekt hatte und wie dieses Wissen zu einem Teil der kolonialen Herrschaftspraxis wurde. Besonderes Interesse gilt der materiellen Kultur der Wissenschaften. Über das Sammeln, Ordnen und öffentliche Inszenieren wurden universitäre Sammlungsobjekte zu einem zentralen Instrument, um Wissen über den „Anderen“ herzustellen und zu vermitteln.

Zum anderen geht es um das ambivalente Erbe aufgeklärter Wissensparadigmen. Das Versprechen der Aufklärung nach Partizipation und Emanzipation durch den Gebrauch der Vernunft und die Anwendung kritischen Denkens ging Hand in Hand mit der Suche nach universellen Wahrheiten, die kulturelle Differenzen übergeht und sich weigert, alternative Wissensformen als gleichwertig anzusehen. Wie können die Prinzipien der Aufklärung in heutigen Zusammenhängen produktiv gemacht werden, ohne dabei überkommene Wissenshierarchien zu reproduzieren?

14.5 Richard Hölzl (Göttingen): Das Zirkulieren von Intimität. Tansanische Initiationsobjekte aus der Sammlung des Missionars und Ethnologen Meinulf Küsters und ihre Karriere im 20. Jahrhundert

28.5. Rebekka Habermas (Göttingen): Born to go wild? Koloniale Forschungsreisen im langen 19. Jahrhundert

4.6. Regina Sarreiter (Berlin): Ton, Steine, Scherben - Synchronisierte Objektgeschichten jenseits institutioneller Ordnung

5.6., 18-20h Philipp Schorch (München): Curating socialist environments: (Post)colonial histories, ethnographic exhibitions and public art interventions [zus. mit Lehrstuhl für Neuere Geschichte],
Abweichender Veranstaltungsort: PH 20, Humboldtallee 19/21.

11.6. Karin Hostettler (Basel): Zum Othering in der kritischen Philosophie Kants
Abweichender Veranstaltungsort: Auditorium, Weender Landstraße 2, Seminarraum Erdgeschoss.

18.6. Sebastian Garbe (Gießen): Die Sozialwissenschaften dekolonisieren: mit anstatt über den Süden denken.

2.7. Ruth Sonderegger (Wien): Eine Weichenstellung von irritierender Nachhaltigkeit. Zur Entstehung der deutschsprachigen ästhetischen Theorie im globalen und kolonialen Kontext des 18. Jahrhunderts

9.7. Nikita Dhawan (Innsbruck): Rescuing the Enlightenment from the Europeans