Lehrforschungsprojekt Deutsche Erinnerung - Nationalsozialismus
Grundgedanken
Im Sommersemester 2019 wurde das Lehrforschungsprojekt ‚Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus‘ angeboten. Mit unterschiedlichen Prüfungsleistungen konnten die Studierenden Leistungen in insgesamt sechs Modulen erwerben. Die Veranstaltung sollte flexibel und modulhaft aufgebaut sein, um den Studierenden die Chance zu geben, ihre Leistungen an ihre zeitlichen Kapazitäten anzupassen. Innerhalb des Lehrforschungsprojektes wollten wir auch so viele digitalisierte Elemente wir möglich einbauen, sofern sie denn sinnvoll eingesetzt werden konnten. Als Lernziele formulierten wir:
- Wissenschaftliche Praxiserfahrung
- Präsentationstechniken für die eigene Forschung
- Wissen über Erinnerungsformen
- Tiefergehendes Wissen über den Nationalsozialismus
- E-Learning-Elemente kennenlernen
Inhalt
Eine gemeinsame Geschichte ist einer der wichtigsten Grundpfeiler einer Nation. Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik sind also wichtige Themen auf der Tagesordnung. Wer hier die Deutungsmacht besitzt, hat großen Einfluss auf die Geschicke eines Landes. In diesem Lehrforschungsprojekt wollen wir gemeinsam unterschiedliche Formen der Erinnerung auf staatlicher und nicht-staatlicher Ebene untersuchen. Die Überlegungen zu Erinnerungsorten fußten auf der Einführung in der ersten Sitzung, in der im Plenum geklärt wurde, warum und was erinnert werden muss. Dazu gab es eine detaillierte Einordnung in das Nation-building, denn ohne eine gemeinsame Geschichte würde ein wichtiger gemeinsamer Pfeiler der neuen Nation fehlen. Es wurden verschiedene Erinnerungsstrategien vorgestellt und mit den auf den Ideen von Maurice Halbwachs basierenden Theorien von Jan und Aleida Assmann, die später vielverwendeten Konzepte des kollektiven Gedächtnisses und seiner Teile, der kulturellen und kommunikativen Gedächtnisse, sowie die Theorien zu Erinnerungsorten von Pierre Nora diskutiert.
Durchgeführt wurde, neben dem eigentlichen Seminarverlauf, auch eine Exkursion nach Berlin, um vor Ort Monumente, Initiativen und Ausdrucksformen kennenzulernen. Ebenso haben wir eine Fahrt zum Jugend-KZ Moringen unternommen und die Studierenden haben zwei Stadtführungen durchgeführt, die und an wichtige Erinnerungsorte geführt haben.
Teilnehmende
Von den anfänglich 45 angemeldeten Studierenden haben 43 das LFP abgeschlossen. Die Motivation bei den Studierenden war von Anfang an hoch und wie die Partizipation bis zum Ende gleichbleibend gut. Die Studierenden stammen aus unterschiedlichsten Studiengängen wie dem BA Sozialwissenschaften, dem Lehramt Politikwissenschaft, dem Zwei-Fächer-Bachelor Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie, dem Lehramt Erdkunde, dem Zwei-Fächer-Bachelor Politikwissenschaft mit Rechtswissenschaften oder auch Soziologie sowie dem Master Soziologie, so dass die gewollte Interdisziplinarität voll gegriffen hat. Die Motivation zeigt sich auch an der Teilnahme an den zusätzlichen freiwilligen außercurricularen Angeboten wie den Exkursionen. Die Studierenden haben die ausprobierten Methoden sehr gut angenommen und sind gerne auf die Angebote zur Beratung zurückgekommen.
Module und Prüfungsleistungen
Die Studierenden konnten zwischen sechs Modulen wählen und die jeweiligen Leistungen erbringen. Das flexible Konzept der Lehrveranstaltung erlaubte es den Teilnehmenden auch, mit unterschiedlicher zeitlicher Intensität mitzuarbeiten.
- B.Sowi.1000 ‚Interdisziplinäre Praxis der Sozialwissenschaften‘; 4 C/1 SWS, Prüfung: Posterpräsentation
- B.Sowi.2000 ‚Interdisziplinäre Forschungspraxis der Sozialwissenschaften‘; 8 C/3 SWS, Prüfung: Posterpräsentation mit wissenschaftlich adäquater schriftlicher Ausarbeitung (max. 10 Seiten)
- SQ.Sowi.23 ‚Lehrforschungsprojekt am Beispiel‘; 8 C/ 4 SWS, Prüfung: Posterpräsentation (ca. 15 Minuten) oder Forschungsbericht (max. 10 Seiten)
- B.Soz.300 ‚Forschungspraktikum‘; 8 C/4 SWS, Prüfung: Forschungsbericht (max. 20 Seiten)
- B.Pol.700 ‚Aufbaumodul Politisches System der Bundesrepublik Deutschland‘; 8 C/4 SWS, Prüfung: Präsentation (ca. 20 Minuten) und Portfolio (max. 20 Seiten)
- B.MZS.5 ‚Forschungsübung zur qualitativen Sozialforschung‘; 12 C/6 SWS, Prüfung: Hausarbeit (max. 25 Seiten)
Förderung
Das universitäre Projekt ‚Internationalisierung der Curricula‘ förderte dieses Lehrforschungsprojekt. So konnte eine Person eingestellt werden, die sich insbesondere mit der Implementierung digitalisierter Methoden beschäftigt hat. In den Punkten unten finden Sie die Beschreibung dieser Methoden, der Verwendung von StudIPads und die z. T. daraus resultierenden digitalisierten Outputs. Das Projekt ermöglicht uns außerdem eine Reise zu unserem neuen Partner, der Temple University in Philadelphia ,USA, um dort mit unseren Partnern aus den Fachgebieten Soziologie, Politikwissenschaft, Geschichte, Global Studies, Religionswissenschaft und Gender Studies Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen sowie für die folgenden Semester konkrete Absprachen für gemeinsame Seminare und Sitzungen in Form von Joint Classrooms zu treffen und Interviews zum Thema Vergangenheitsaufarbeitung zu führen, die in den Folge-Lehrforschungsprojekten Verwendung finden sollen. Gleichzeitig wollen wir diese neue Partnerschaft stärken und gute Kontakte auch für andere Forschende ermöglichen. So wurden konkrete Vorschläge für Kooperationen überbracht und Ideen angesprochen.
Auch die Adam von Trott-Stiftung hat uns bei dem Projekt unterstützt. So konnten etwa neben der ideellen und inhaltlichen Unterstützung und das Drucken der Poster als Prüfungsleistungen die Exkursionen nach Moringen und nach Berlin (siehe unten) realisiert werden. Hier konnte der Bogen zwischen Göttingen und Berlin geschlagen werden, beide Orte sind Wirkstätten von Adam von Trott gewesen. Über die Adam von Trott-Stiftung hatten wir auch noch die Möglichkeit zu einem Trott-Retreat.
Wir bedanken uns bei beiden Partnern sehr herzlich, die uns eine Reihe von zusätzlichen Möglichkeiten geboten haben, so dass die Studierenden profitieren konnten und in Zukunft profitieren können.
Struktur
Projektphase 1: Skizzierung eines Lehrforschungsseminarkonzeptes (Oktober 2018 - 5. März 2019)
In dieser Phase wurde neben der Literatur- und Methodikrecherche das Seminarkonzept für das LFP entwickelt, neben klassischen Elementen wie Frontalinput und Klärung der Prüfungsformen oder Posterdiskussionen sollte der Methodenmix insbesondere digitale Learning-Elemente enthalten. Sofern diese digitalen Elemente sinnvoll einsetzbar sind, wollten wir Smartphones benutzen und die vorhandenen Plattformen wie StudIP ebenso benutzen wie externe Ideen wie Kahoot einbringen.
Projektphase 2: Konzeptualisierung und Finalisierung des Lehrforschungsseminarkonzeptes (6. März bis 24. April 2019)
In dieser Phase beschäftigten wir uns mit der Eruierung, Einarbeitung und finalen Auswahl der technischen Möglichkeiten (ILIAS; Adobe Connect, Screencast, Kahoot, mVote) und versandten Vorbereitungsmails an die Studierenden; außerdem prüften wir Möglichkeiten für die Ausrichtung eines Joint Classrooms mit einem Partner von der Temple University in Philadelphia, USA. Letzteres stellte sich als schwierig heraus, so dass dieser Punkt auf das Wintersemester 2019/20 verschoben werden musste.
Projektphase 3: Seminarphase (25. April bis 30. September 2019)
Einführungssitzung
In der
ersten Sitzung gab es nach der Begrüßung die Vorstellung des Konzeptes und die Anforderungen des LFP wurden transparent gemacht, welche Prüfungsleistungen wie und für welche Module möglich sind. Dies war auch für das Gesamtkonzept wichtig, damit die Studierenden den Überblick erhalten konnten, welche Ergebnisse am Ende des LFP stehen sollten bzw. konnten. Schließlich lebt ein Lehrforschungsprojekt ja stark von der aktiven Beteiligung und Identifikation der Studierenden mit dem Projekt und dessen Inhalt. Wir haben außerdem die Lernziele (s.o.) anfangs transparent gemacht.
Wir wollten die Studierenden auch die Möglichkeit geben, mit den Lehrenden auch während des Seminares in den direkten Austausch zu treten. Dafür haben wir über mVote einen QR-Code veröffentlicht, mit dem Fragen anonym mitgeteilt werden konnten. Diese sollten am Ende der Sitzung oder zur nächsten Sitzung beantwortet werden können. Das wurde während der Sitzungen öfters angekündigt, aber im Verlauf nur sehr wenig genutzt. Darüber hinaus verwendeten wir in den nächsten Wochen weitere E-Learning-Elemente wie eine ILIAS-Lerneinheit, eine Citavi-Literaturliste auf StudIP, die StudIPads und das Kahoot-Quiz.
Abbildung 1: Dr. Klaas Kunst, erste Seminarsitzung
Der dritte Teil stellte die theoretische Basis klar und sorgte dafür, dass alle Studierenden einen gleichen Hintergrund bekamen, bevor es an die inhaltlichen Punkte ging, was denn erinnert werden soll. Der erste Part hier beschäftigte sich mit dem Nationalsozialismus und rekapitulierte anhand von Schlüsseldaten den historischen Rahmen. Von einigen Beispielen, wie erinnert werden kann, ging es auch zur persönlichen Erinnerung über. Mit einer Silent Discussion gab es ein erstes interaktives Element, das die Studierenden gleich zur aktiven Partizipation einlud. Auf verschiedenen Postern wurde die Befragung ‚Wie erinnern die Studierenden?‘ durchgeführt und später im Plenum besprochen.
Abbildung 2: Ergebnisse der Silent Discussion
Unter dem Titel Vergangenheitsaufarbeitung wurde dann der definitorische Rahmen abgesteckt. Es wurde der Unterschied zur Vergangenheitsbewältigung erläutert, Definitionen und Wege sowie Probleme vorgestellt, Beispiele und eine große Literaturauswahl rundeten diesen Teil ab.
[Link zur PowerPoint-Präsentation]
Mit der dann folgenden Übung wollten wir uns spielerisch dem Thema Erinnerung an den Nationalsozialismus nähern und erarbeiten, welche Erinnerungsgegenstände bekannt und welche eher unbekannt sind. Außerdem diente sie dazu, die Stimmung nach dem theoretischen Input aufzubrechen. Dazu wurden die Studierenden ausnahmsweise aufgefordert, ihre Smartphones zur Hand zu nehmen und auf der Internetseite kahoot.it den Spielcode und ein Pseudonym einzugeben. Jede dann eingeblendete Frage des Quiz‘ hatte vier farblich gekennzeichnete Antwortmöglichkeiten. Es waren Fragen zum Nationalsozialismus allgemein, aber auch zu Göttinger Spezifika enthalten, die zum Teil in den vorigen Vorträgen schon angedeutet worden waren.
Abbildung 3: Startbildschirm des Kahoot-Quiz (Das Bild ist eine Postkarte aus der NS-Zeit, die als Titel auf dem Buch ‚Göttingen unterm Hakenkreuz‘ von Jens-Uwe Brinkmann u.a. 1983 abgebildet ist.)
Die Fragen aus dem Kahoot-Quiz
Der hier bewiesene Kenntnisstand sowie die Ergebnisse der Silent Discussion wurden bei der Erstellung der einer ILIAS Lerneinheit berücksichtigt. Mit dieser Lerneinheit wurde den Studierenden die Möglichkeit gegeben, sich vertiefend mit dem Thema Nationalsozialismus zu beschäftigen und sich weiterführendes Material heranzuholen.
Die zweite Sitzung
Die zweite Sitzung stand einerseits für die Klärung der Präsentationsformen zur Verfügung; bei der großen Anzahl an Möglichkeiten war dies auch notwendig. So wurde die Posterpräsentation als Prüfungsform vorgestellt, damit diese inhaltlich und wissenschaftlich auf einem hohen Niveau und dennoch unterhaltsam und zu Diskussionen anregend gehalten werden konnte. Andererseits war diese Sitzung für die Konkretisierung der Themen für die Studierenden und den Zusammenschluss zu Gruppen vorgesehen. Einige Studierenden erstellten aber auch Einzelleistungen.
[PPP zu Postererstellung]
Die folgenden Sitzungen
Die weiteren Sitzungen boten den Studierenden Gruppenarbeit in Präsenz an, so dass sie mit festgelegten Zeitpunkten und Orten gemeinsam an ihren Themen arbeiten, aber auch auf die Expertise der anwesenden Leiterinnen und Leiter zurückgreifen konnten, die gerne zu Struktur, Gliederungen, Literatur und anderen Punkten Hilfestellungen gaben. Eine weitere intensiv genutzte Kommunikationsmöglichkeit war die Nutzung von StudIPads über StudIP. Dort konnten die Studierenden auch außerhalb der Sitzungen Ergebnisse zusammentragen und die Lehrenden konnte dies wiederum kommentieren, ohne dass es zu viel Zeitverzug bis zur nächsten Sitzung gab.
Die Präsentationsphase sah einerseits die Poster vor und andererseits die Stadtführungen. Einzelne Studierende oder Gruppen hatten zu bestimmten Themen Poster erstellt, die sich mit Göttingen oder bundesweiten Phänomenen beschäftigten, diese wurden der Gruppe präsentiert. Außerdem hat sich eine Gruppe mit Erinnerungsorten in Göttingen auseinandergesetzt und aus diesen eine Stadtführung zusammengestellt, die sich dem LFP an einem anderen Termin mit einem Gang durch Göttingen praktisch erfahrbar gemacht wurde. Eine weitere Stadtführung gab es auf der Exkursion nach Berlin, in der ebenfalls Orte der Erinnerung an den Nationalsozialismus besucht wurden. Ein verbindendes Element war der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Person von Adam von Trott, der in Göttingen studiert und in Berlin im Auswärtigen Amt gearbeitet hatte. Zu den Stadtführungen siehe auch unten unter Exkursionen bzw. Output.
Die Abschlusssitzung
In der Abschlusssitzung haben wir den Kreis geschlossen und einen Bezug zum Beginn aufgemacht. Wir haben die Plakate aus der Silent Discussion wieder präsentiert und anhand diesen noch einmal die Fragen diskutiert, warum erinnert werden muss und was erinnert werden muss. Wir haben debattiert, ob erfolgreich erinnert wird und die verschiedenen Möglichkeiten der Erinnerung evaluiert. Anhand unserer sehr vielen Beispiele haben wir in viele Richtungen argumentieren können und so ein rundes, aber dennoch noch lange nicht abgeschlossenes Bild der Erinnerung an den Nationalsozialismus, einmal für Göttingen, einmal für Berlin und punktuell einmal darüber hinaus für uns herstellen können.
Projektphase 4: Seminarevaluation 10. Juli bis 30. September 2019
In der Ergebnis- und Reflexionsphase wurden die Ergebnisse der verschiedenen Teile zusammengetragen und insbesondere auf die gemeinsame Basis reflektiert. Die gemeinsamen Veröffentlichungen (Poster, Buch, App, wiki-goettingen.de) werden konkret besprochen und die Evaluation beginnt. Mit den Veröffentlichungen wird ebenfalls geprüft, wie weitere Öffentlichkeit generiert werden kann, etwa in Zusammenarbeit mit der Kinder-Universität und dem Projekt Kinder-Demokratie des Instituts für Demokratieforschung oder – wenn es um die App geht – eine Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung, der Stadt Göttingen und dem Bündnis ‚Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus‘ und weiteren Partnern.
Exkursionen
Moringen
Am 28. Juni 2019 fand mit finanzieller Unterstützung der Adam von Trott-Stiftung unsere Exkursion nach Moringen statt. Die 18 Teilnehmenden wurden in Begleitung von Dr. Klaas Kunst vom Mitarbeiter Arne Droldner in der KZ-Gedenkstätte Moringen begrüßt und begannen mit einem Rundgang draußen über das ehemalige Gelände. Vom ursprünglichen Konzentrationslager, in dem viel Jugendliche untergebracht waren, waren nicht mehr viele Gebäude übrig, deswegen wird vieles der Geschichte und Fakten in wenigen Räumen und eben über Führungen präsentiert. Ein Film im ehemaligen Hauptgebäude, in das die Insassen zuerst geführt wurden, Beispiele und eigene Ansichten der Ausstellung und eine Fragerunde im Seminarraum rundeten den Besuch ab.
Abbildung 9: Plakette am ehemaligen Werkhaus und Modell des KZ (eigene Fotos)
Berlin
Die Adam von Trott-Stiftung hat uns ebenfalls die Exkursion nach Berlin ermöglicht, die mit 23 Teilnehmenden vom Sonntag, 7. Juli bis Dienstag, 9. Juli stattfand. Gleich nach der Ankunft fand von 14:30 bis 18:30 die von Studierenden des Lehrforschungsprojektes organisierte
Stadtführung statt, die uns zu einer Reihe von Erinnerungsorten an die NS-Zeit führte. Der erste Weg ging zum
Denkmal für die ermordeten Juden Europas, mit auch etwas Zeit für eine eigene Reflexion in diesem stark geschichtsmächtig wirkenden Ort. Einige Teilnehmende besuchten auch noch kurz den ehemals verschütteten und geheim gehaltenen Eingang zum
Führerbunker. Da dort kein Wallfahrtsort entstehen sollte, wurde dieser bis im Jahre 2006 geheim gehalten, jetzt gibt es eine Tafel. Der Weg führte uns weiter zum
Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen und das
Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, die sich in Laufweite befinden. Nach einem kurzen Exkurs zur
Neuen Wache war das
Denkmal ‚Züge in das Leben – Züge in den Tod 1938-1939‘ am Bahnhof Friedrichstraße die nächste Station, an der wir vieles über Kindertransporte der NS-Zeit, in der Kinder in den Tod - etwa ins Konzentrationslager – fuhren oder auch in Transporten in die Freiheit zum Beispiel ins Ausland kamen. Die nächste Station war die Freiluftausstellung
‚Topographie des Terrors‘ auf dem Gelände des ehemaligen Hauptquartiers der Gestapo, die über die Gräueltaten der Herrschaftszeit der Nazis 1933-1945 aufklärt. Die beiden letzten Erinnerungsorte waren zum einen die
Gedenkstätte ‚Stille Helden‘, die in einer Dauerausstellung an mutige Menschen erinnert, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verfolgten Juden beistanden. Zum anderen – und damit wurde der Bogen auch wieder zu Adam von Trott geschlagen – erfuhren wir viel über die
Gedenkstätte Deutscher Widerstand am historischen Ort
Bendlerblock, wo viele der Hauptverschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden.
Am Montag fuhren wir morgens zum
Haus der Wannsee-Konferenz, in dem am 20. Juli 1942 unter Vorsitz von Reinhard Heydrich 15 hochrangige Nationalsozialisten zusammenkamen, um den Holocaust an den Juden im Detail zu organisieren und zu koordinieren. Uns wurde die pädagogische Konzeption des Hauses vorgestellt und wir konnten viel diskutieren und Nachfragen stellen, was wir auch intensiv genutzt haben. Am Nachmittag fuhren wir zur
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück bei Fürstenberg, wo wir ebenfalls eine intensive und auf unseren Kenntnisstand angepasste Führung bekommen konnten. Ravensbrück ist als 1939 eingerichtetes Frauen-Konzentrationslager bekannt, wenn auch ab 1941 ein Männerlager und ab 1942 ein Jugendlager angegliedert wurden.
Am Dienstag besuchten wir in Schöneweide das einzige noch weitgehend erhaltene ehemalige
NS-Zwangsarbeiterlager. Neben dem Dokumentationszentrum brachte uns die Führung auch in die ehemaligen Baracken, die heute teilweise anders genutzt werden, zum Beispiel auch als Kegelbahn. Da wir auch in Göttingen im Rahmen des Lehrforschungsprojektes und bei der Stadtführung schon mit Zwangsarbeit auseinandergesetzt hatten, erhielten wir hier viele wertvolle ergänzende Informationen zum Thema.
Abbildung 10: Das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas, das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas, die Käthe Kollwitz-Skulptur in der Neuen Wache, die beiden Seiten des Denkmals Züge in das Leben – Züge in den Tod 1938-1939, der Innenhof des Bendlerblocks mit der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Haus der Wannsee-Konferenz, Hitlers Prophezeiung vom 30. Januar 1933, Barracken und Denkmal in Ravensbrück (eigene Fotos)
Trott-Retreat
Für die Zeit vom 2. bis 4. August war ursprünglich ein Trott-Retreat im Stammhaus der Stiftung in Imshausen geplant gewesen. Inhaltlich sollten die gesammelten Informationen aus dem Lehrforschungsprojekt, aus den Postern, den Stadtführungen und den Exkursionen nach Moringen und nach Berlin in diesem Format zusammengetragen werden, um unter der Leitfrage ‚Wie kann Erinnerung [an deutsche Gräueltaten bzw. deutschen Wiederstand] interessant und nachhaltig an Schulen und außerschulischen Lernorten vermittelt werden?‘ behandelt zu werden. Es waren Workshops und Input von Expertinnen sowie Beispiele von Vermittlung von historischen Fakten geplant. Leider kam der Retreat nicht zustande, die Zahl der Teilnehmenden schrumpfte immer mehr, bis die Gruppengröße zu klein wurde, um sinnvoll arbeiten zu können.
Output
Die Sozialwissenschaften tragen Ihre Ergebnisse seltener in die Außenwelt als andere Fachbereiche. Mit diesem Lehrforschungsprojekt haben wir versucht, die Prüfungsleistungen der Studierenden auch mit dem Blick auf Forschungsmöglichkeiten zu publizieren und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
APP
Es wurde aus der Stadtführung, die eine Studierendengruppe zu Orten der Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus in Göttingen konzipiert, angelegt und durchgeführt hat, eine App weiterentwickelt, die wir nun zusammen mit der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung über deren Programm Spot on veröffentlicht haben, damit an dieser Zeit Interessierte, also Touristinnen und Touristen, Studierende, aber auch Schülerinnen und Schüler diese in einem selbstgeführten etwa 90minütigen Stadtrundgang erleben können. Es sind dabei unterschiedliche Stationen zum jüdischen Leben und einem Einzelschicksal in Göttingen, zur Synagoge, zur Zwangsarbeit, zur Bücherverbrennung, zur Entlassung von Bediensteten der Universität und zum Widerstand in Form vom Göttinger Alumnus Adam von Trott aufgenommen worden, um ein möglichst diverses Bild der Zeit des Nationalsozialismus zeigen zu können. Auf andere Stationen wie dem Ort der Zwangssterilisationen oder das nahe gelegene Konzentrationslager in Moringen konnte nur verwiesen werden, es sind aber auch weitere Links vorhanden, damit die Interessierten sich weiter informieren können.
Die Universität hat
eine Pressemitteilung veröffentlicht, die diese bekannt machen soll. Die Landeszentrale wird ihre eigenen Kanäle ebenfalls nutzen und ich habe in Göttingen die einschlägigen Stellen informiert, damit die App eine breite Nutzung erfährt. Wir werden bislang schon
in der Nachrichtenspalte der taz und in einem
Bericht der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen aufgeführt und Sie finden außerdem ein kurzes Werbevideo von Teilnehmenden dees ZESS-Kurses 'Medienkompetenz: Produktion von Nachrichtenfilmen' auf YouTube:
.
Die App „Spot on – Demokratie auf der Spur“ kann kostenfrei im AppStore und bei Google Play heruntergeladen werden.
Poster
Es entstanden Poster zu den folgenden Themen, die im Kontext des Lehrforschungsprojektes innerhalb der Seminargruppe und bei weiteren Gelegenheiten präsentiert wurden und werden. Hier finden Sie unter dem jeweiligen Thema das Poster zum Download:
www.wiki-goettingen.de
Auf der Göttingen eigenen Wiki-Seite wurden einige Beiträge der Studierenden veröffentlicht, die sich mit Erinnerungsorten im Stadtgebiet auseinandersetzen. Hier gibt es eine Verbindung auch zur App, da sich die Inhalte ähneln und teilweise auch verwiesen wird. Es gibt Beiträge zu den folgenden Themen:
Buchveröffentlichung
Die Studierenden hatten die weitere Möglichkeit, ihre schriftlichen Prüfungsleistungen für eine Veröffentlichung in einem Buch einzureichen, wovon auch 15 Studierende Gebrauch gemacht haben. Sie konnten sich noch intensiver und auf wissenschaftlichem Niveau mit einzelnen Themen auseinandersetzen. Die Beiträge sind nun zusammengefügt und wurden in der Reihe SowiPro der Sozialwissenschaftlichen Fakultät veröffentlicht. Das Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensgebung-Lizenz, die Weitergabe ist unter gleichen Bedingungen erlaubt und erwünscht. Sie finden es über GoeScholar bereitgestellt
unter diesem Link. Im OPAC finden Sie es
unter diesem Link.
Zu den folgenden Themen haben die Studierenden geschrieben:
- Urte Poppinga: Wettkampf um die Erinnerungen - Definitionsmacht innerhalb der deutschen Erinnerungspolitik am Beispiel der Neuen Wache in Berlin
- Clemens Edelmann: Determinanten des individuellen Gedächtnisses am Beispiel des sekundären Antisemitismus
- Dominic Hög: Wissenssoziologische Diskursanalyse des öffentlich-juristischen Spezialdiskurs über die Sinti und Roma nach dem 2. Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland
- Gerrit Claudio Lippe: Die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Göttinger Stadtbild und die Entwicklung einer Erinnerungskultur
- Nele Grundmann: Die gegenwärtige Manifestation der Erinnerung an die Bücherverbrennung von 1933 in Universitätsstädten im sozialen, kollektiven, kommunikativen und kulturellen Gedächtnis
- Lena Lütteken: Im Schatten? Adam von Trott und die deutsche Erinnerungskultur
- Henri Marschall: Erinnerungskultur der Bundeswehr – Wie wird bei der Bundeswehr mit der Wehrmachtsvergangenheit umgegangen?
- Justus Reber: Betriebliche Erinnerungskultur - Was bewegt Unternehmen zur Etablierung innerbetrieblicher Erinnerungsarbeit und wie ist diese konkret gestaltet - ein Vergleich zwischen Volkswagen und Bahlsen
- Ferdinand von Breymann: Motive von Helfern und Helferinnen von Verfolgten zur Zeit des Nationalsozialismus
- Christoph Jarchow: Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas
- Nadine Lücker: Der konfliktbeladene Beitrag von Stolpersteinen zur Erinnerungskultur in Deutschland
- Ines Tönnissen: Raubgut der Nationalsozialisten - welches Kunst- und Literaturverständnis hatten sie?
- Melina Schmidt: Studentischer Widerstand gegen das NS-Regime – Die Weiße Rose. Mitglieder und Aktionen der Gruppe sowie Gründe für den hohen Bekanntheitsgrad und ihre prominente Stellung in der Erinnerung an den deutschen Widerstand
- Sebastian Rahe: Die „Kölner Kontroverse“ um die Ehrenfelder Gruppe und die Edelweißpiraten und ihr Einfluss auf die Erinnerungskultur
Öffentliche Präsentation der Ergebnisse
Poster im Gang
Um die Ergebnisse der Studierenden präsent zu machen, wurden einige der Poster im ersten Stock des Oeconomicums (Platz der Göttinger Sieben 3) aufgehängt, zwischen den Räumen der Professur für Grundlagen der Sozialwissenschaften. Hier sorgen Sie für Aufmerksamkeit nicht nur für die Inhalte der einzelnen Themen, sondern auch für das Konzept der Lehrforschungsprojekte, so dass in den kommenden Semestern hoffentlich noch viel Forschung präsent gemacht werden kann.
Poster bei ‚Wissenswert‘-Tag der Stadt und Uni am 26. Oktober 2019
Bei dem Aktionstag ‚Wissenswert – Science goes City‘ konnte auch das Lehrforschungsprojekt dabei sein und in der Alten Mensa am Wilhelmsplatz alle Poster der Studierenden ausstellen. Auch wenn das Gebäude sonst von Naturwissenschaften dominiert war, waren doch über 60 Interessierte in der Ausstellung, mit einigen ergaben sich auch interessante Gespräche und interessante Ansätze für die Fortführung des Projekts.
Tag der Lehre am 7. November 2019
Am Tag der Lehre war das Lehrforschungsprojekt eingeladen, sein Konzept und seine innovativen digitalen Elemente auf einem Poster vorzustellen. Dr. Klaas Kunst hat das Projekt vertreten und ist mit interessierten Kolleginnen und Kollegen in den Austausch getreten. Bitte finden Sie
hier das Poster.
Internationalization at Home
Im Nachgang des LFP wurde mit dem Kollegen Seth Bruggeman, Associate Professor of History und Direktor des Center for Public History, von der Temple University in Philadelphia, USA eine gemeinsame Übung gestaltet. Die Studierenden des LFP und des Lehrforschungsprojektes ‚Deutsche Erinnerung – SED-Diktatur und Kolonialzeit‘ aus dem Wintersemester 2019/20 wurden gebeten, auf Englisch eine Replik auf den Artikel ‚Holocaust History‘ von Adina Langer zu schreiben und dabei persönliche Begegnungen mit dem Holocaust einzubauen. Auf diese Beiträge antworteten dann die Studierenden des Kurses ‚The Historian’s Craft’ aus Philadelphia, wobei diese sich sowohl auf den Langer-Artikel bezogen als auch ihre eigenen Erfahrungen mit denen der Göttinger Studierenden in Bezug setzten. Die Antworten der US-Amerikaner wurden wiederum an die deutschen Studierenden geschickt. Auf deutscher Seite haben 15 Studierende freiwillig mitgemacht, aus Philadelphia haben 24 Studierende geantwortet. Beide Seiten bewerten das Experiment als sehr gelungen, da der Blickwinkel auf jeden Fall um einige Punkte und Perspektiven erweitert wurde und die Inhalte und die Vorschläge aus dem Artikel unterschiedlich aufgenommen und besprochen wurden. Solche und ähnliche Aufgaben und Kooperationen sollen auf jeden Fall weiter zusammen gestaltet werden.
Evaluation
Von den 20 Rückmeldungen auf die Evaluation gaben 100% der Studierenden an, im Bachelor zu studieren, davon 5% im 1. oder 2., 35% im 3. oder 4., 50% im 5. oder 6. sowie jeweils 5% im 7. bis 10. Und 11. bis 14. Semester. Für 60% war die Lehrveranstaltung Pflicht, für 30% Wahlpflicht und 10% hatten es frei gewählt. Diese 10% hatten es auch als Schlüsselkompetenzangebot gewählt. Nach Meinung der Studierenden bestand die Veranstaltung aus 20% Lektüre, 80% Referaten, 45% Diskussion und 55% Sonstigem (Mehrfachnennungen möglich). 55% der Teilnehmenden waren weiblich, 45% männlich.
In der Bewertung gibt es keinen Antwortwert schlechter als 4,3 auf einer Siebener-Skala, diesen Wert gibt es etwa bei der Frage nach dem inhaltlichen Niveau, das 65% als ‚genau richtig‘ einschätzen und Nützlichkeit der hier erworbenen Schlüsselkompetenzen, was sehr divers beantwortet wurde sowie bei der Abgestimmtheit mit anderen Veranstaltungen des Moduls, wobei es keine anderen Veranstaltungen in diesem Modul gab. Wir freuen uns über gute Mittelwerte bei den Fragen zu Lernerfolg (5,1), Nützlichkeit der Lehr- und Lernformen (5,1 bzw. 5,4) und gute Betreuung (5,4) und Erreichbarkeit der Lehrperson (6,1) sowie den bestätigten Eindruck des Gut-Vorbereitet-Seins (5,8) und der Fähigkeit, schwierige Sachverhalte gut erklären zu können (5,9). Ebenso über den jeweiligen guten Wert von 5,1 bei den Fragen nach der regelmäßigen Vor- und Nachbereitung und der Anregung zur aktiven Beteiligung, denn das war eines unserer Ziele.
Insgesamt wird das Lehrforschungsprojekt mit 5,4 bewertet und 65% der Teilnehmenden empfehlen sie für die Nominierung zum Lehrpreis der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Nachhaltigkeit
Über den Willen von Leitung und Teilnehmenden des Lehrforschungsprojektes ‚Deutsche Erinnerung – Nationalsozialismus‘, Beiträge aus dem Projekte öffentlich zu machen und über die Möglichkeiten, die Ergebnisse öffentlich auszustellen und zu präsentieren, hat dieses LFP einen deutlich höheren Output als viele andere Veranstaltungen. Mit einer intensiven Betreuung auf verschiedenen Ebenen können die Qualität der Ergebnisse wie Poster, App, Beiträge auf www.wiki-goettingen.de und Buchartikel und auch die Motivation der Studierenden konstant hochgehalten werden. Sehr hilfreich war die Unterstützung durch das Projekt ‚Internationalisierung der Curricula‘ und den E-Learning-Service, durch die wir viele Ideen umsetzen konnten, sowie die Adam von Trott-Stiftung, durch die wir weitere Angebote für die Studierenden realisieren konnten.
Das Konzept des Lehrforschungsprojektes ist also aufgegangen, einige Teile werden derzeit noch abgeschlossen. Es läuft im Wintersemester 2019/20 aber auch schon das nachfolgende Lehrforschungsprojekt ‚Deutsche Erinnerung – SED-Diktatur und Kolonialzeit‘, zu dem wiederum 33 interessierte und motivierte Studierende angemeldet sind.