5. Dezember 2019:
Rede des Präsidenten der Universität Göttingen Reinhard Jahn
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Zu Beginn möchte ich mich für das Vertrauen bedanken, das mir Senat und Stiftungsrat der Universität geschenkt haben. Sie haben mir die Leitung dieser großartigen Universität – meiner akademischen Heimat, an der ich studiert habe – anvertraut. Die Erwartungen sind hoch – vielleicht sogar zu hoch – und da ist Ernüchterung vorprogrammiert. Vielleicht haben auch einige von Ihnen insgeheim mit den Augen gerollt: Schon wieder ein Biochemiker im Präsidentenamt – der dritte in Folge, und dann noch von Max-Planck – jetzt reicht es aber! Ich kann diese Kolleginnen und Kollegen beruhigen: Sie und ich haben dasselbe Interesse – nämlich, dass meine Amtszeit möglichst kurz ausfällt. Ich werde dieses Amt nur übergangsweise innehaben, bis wir eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten an unserer Spitze haben – eine Person, die von allen akzeptiert wird und unsere Universität mit Verstand und Herz in die nächsten Jahre führen wird. Ich habe aber keineswegs vor, mich bis dahin zurückzulehnen und die Dinge einfach laufen zu lassen – im Gegenteil! Meine Devise ist: Ärmel aufkrempeln und anpacken – und darauf freue ich mich!
Dieser Jahresempfang sollte traditionell eigentlich einen Rückblick auf das letzte Jahr beinhalten. Allein die Tatsache, dass dieser Rückblick von einem Präsidenten gegeben wird, der so nicht vorgesehen war und der erst wenige Tage im Amt ist, zeigt Ihnen, dass das vergangene Jahr für die Universität sehr schwierig war. Da gibt es nichts zu beschönigen. Das für alle Beteiligten sehr schmerzliche Scheitern unserer Universität in der Exzellenzstrategie hat meine Vorgängerin, Ulrike Beisiegel, veranlasst, sich früher aus dem Amt zurückzuziehen und eine vorzeitige Wahl nötig gemacht. Dabei sind Konflikte aufgebrochen und teilweise hart und öffentlich ausgetragen worden. Diese haben zum Rückzug des in einem umstrittenen Verfahren gewählten Präsidenten Sascha Spoun geführt. Kurz danach ist auch Wilhelm Krull als Vorsitzender unseres Stiftungsrats zurückgetreten. Die Berichterstattung in der Presse, das Ausbreiten und bundesweite Kommentieren der universinternen Zerrissenheit im Sommerloch, hat uns geschadet. Es wird Zeit kosten, diesen Rufschaden wieder auszubügeln.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Probleme, die zur Krise im Sommer geführt haben, dürfen nicht unter den Teppich gekehrt und Fehler müssen aufgearbeitet werden. Gelegentlich hilft eine „Eruption“ sogar, um einen Schritt zurück zu tun und sich zu überlegen, was wirklich wesentlich ist, auch wenn einem dabei schon einmal die Brocken um die Ohren fliegen. Wir sollten also das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Streit und Auseinandersetzungen, auch wenn sie mit Härte geführt werden, gehören nun einmal zur akademischen Kultur. Mehr noch: Streit und Dissens sind eine unabdingbare Voraussetzung für wirklich gute Wissenschaft! Unternehmerinnen und Unternehmer, Politikerinnen und Politiker verstehen manchmal nicht, dass eine Universität in dieser Hinsicht grundsätzlich anders „tickt“ als ein Unternehmen, und auch so ticken muss! Selbst öffentlich geführte Auseinandersetzungen bedeuten eben NICHT, dass unsere Universität „am Boden liegt“, „im Chaos versinkt“ oder sich „selbst zerlegt“, wie es in den Gazetten zu lesen war. Im Gegenteil, diese Auseinandersetzungen sind Zeichen von akademischer Lebendigkeit, auch wenn sie manchen nicht gefallen mögen. Sie zeigen Engagement von leistungsstarken Kolleginnen und Kollegen, die wesentlich zur Stärke unserer Universität beitragen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat kürzlich in einer sehr bemerkenswerten Rede vor der Hochschulrektorenkonferenz zur Stellung der Universitäten gesagt – ich zitiere: „Ohne Streitkultur, ohne regelgeleitete Disputation und Debatte ist Universität von Anfang an nicht zu denken“. Und weiter – ich zitiere noch einmal: „Streitkultur braucht den Wunsch, zu überzeugen und die Offenheit, sich gegebenenfalls auch selbst überzeugen zu lassen. Streitkultur braucht also beides: Mut und Gelassenheit.“ In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir auch in Zukunft Diskurse führen, die ruhig hart sein dürfen, aber konstruktiv sein und auf gegenseitigem Respekt beruhen sollten. Nur so können wir zukunftweisende Perspektiven zum Wohle unserer Universität entwickeln.
Das ist manchmal leichter gesagt als getan. Als Präsidium stehen wir vor dem Problem, Diskurse möglichst breit in der Universität zu führen, ohne dabei die Fähigkeit zu verlieren, wichtige Konzepte voranzutreiben und diese dann auch zeitnah umzusetzen. Auf der einen Seite haben wir eine repräsentative Struktur mit von den Statusgruppen der Universität gewählten Vertreterinnen und Vertretern, allen voran im Senat. Entscheidungen müssen ja gefällt werden, damit wir vorankommen. Das kann schnell als autokratisch, als „top-down“ wahrgenommen werden, auch wenn es so nicht intendiert ist. Auf der anderen Seite ist es mein Ziel, dass insbesondere bei strategischen Fragen von allgemeiner Bedeutung die Diskussion transparent geführt wird. Idealerweise sollte sich jedes interessierte Mitglied der Universität nicht nur konstruktiv einbringen können, sondern auch darauf vertrauen können, gehört und ernst genommen zu werden. Das ist besonders dann wichtig, wenn die Entscheidung am Ende anders als erhofft ausfällt. Solche Fragen berühren unser Selbstverständnis als Universität und unsere Governance, an der im Sommer auch Kritik geübt worden ist. Ich bin daher Valérie Schüller sehr dankbar für ihren Vorschlag, hierzu in den kommenden Monaten eine hochschulweite Diskussion zu führen. Weiterhin denke ich über neue Wege nach, wie wir Diskussionen über Konzepte und Strategien so führen können, dass Sie alle einbezogen sind, ohne endlose Stunden in Sitzungen verbringen zu müssen. Für Vorschläge bin ich dankbar. So könnte man wichtige Strategiepapiere in einem Online-Forum zur Kommentierung freischalten, bevor diese von den zuständigen Gremien verabschiedet werden.
Wie Sie wissen, bin ich erst seit fünf Tagen im Amt. Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich Ihnen jetzt keinen ausgearbeiteten Plan für die nächsten Monate vorlegen kann. Der Rückblick in das vergangene Jahr fällt aber nicht nur selbstkritisch aus, denn es hat auch Erfolge gegeben, viele sogar: So sind Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs neu eingeworben oder erfolgreich verlängert worden sowie neue ERC Grants hinzugekommen. Bei den Fachkollegienwahlen der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind 18 Göttingerinnen und Göttinger erfolgreich gewesen – deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Erfolge können wir auch in anderen Bereichen verbuchen. Nennen möchte ich den erfolgreichen Antrag auf Digitalisierungsprofessuren, die Fortsetzung der Förderung des SüdniedersachsenInnovationsCampus (SNIC) durch das Land Niedersachsen sowie die EXIST-Förderung des Bundes im Bereich der Gründungsförderung, die ich gerade vorgestern als eine meiner ersten Amtshandlungen in Berlin stellvertretend für das Team in Empfang nehmen durfte. Last not least – gerade erst heute verkündet – geht wieder ein Leibniz-Preis an die Göttinger Universität: Lieber Thomas Kaufmann – herzlichen Glückwunsch!
Für exzellente Lehre haben wir gemeinsam mit der TU München den zweiten Platz im Wettbewerb Genius Loci des Stifterverbandes belegt. In der Internationalisierung wirbt die Universität nach wie vor sehr erfolgreich Drittmittel ein, von denen insbesondere unsere Studierenden profitieren, und die Maßnahmen zur Gleichstellung an der Universität Göttingen wurden als „ausgezeichnet“ prämiert. Allen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Arbeit diese Erfolge möglich gemacht haben, sei herzlich gedankt!
Die soeben beispielhaft genannten Erfolge belegen wieder einmal, dass wir trotz unseres Scheiterns in der Exzellenzstrategie nach wie vor zu den leistungsstärksten deutschen Universitäten gehören. Das zeigen auch verschiedene Rankings: Unter den deutschen Universitäten sind wir auf Platz 10 im DFG-Förderatlas, auf Platz 11 im THE World University Ranking, und auf Platz 5 im Shanghai Ranking of World Universities.
Daher ist es besonders wichtig, in aller Ruhe aufzuarbeiten, warum es uns bereits zum zweiten Mal nicht gelungen ist, im Exzellenzwettbewerb erfolgreich zu sein. Natürlich war und ist das frustrierend! Ich kann durchaus nachvollziehen, wenn einige von Ihnen jetzt genug davon haben und sich auf ihre eigene Forschung konzentrieren wollen. Dazu möchte ich folgendes festhalten:
1. Zunächst einmal verdienen alle Kolleginnen und Kollegen, die mit höchstem Engagement und enormem Zeiteinsatz an den Cluster-Anträgen gearbeitet haben, unser aller Dank und Anerkennung! Sie haben Forschungszeit drangegeben, Sie haben Ihre eigenen Interessen zugunsten der Universität zurückgestellt – in publica commoda – zum Wohle aller!
2. Wir können und dürfen nicht aufgeben und uns entmutigen lassen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind wir Fehlschläge gewohnt. In meinem Fach misslingen die meisten Experimente, und Ablehnungen beim Einreichen von Publikationen oder Forschungsanträgen gehören zum Tagesgeschäft. Die Antwort kann nur sein: „Jetzt erst recht!“ Gerade deswegen müssen wir genau analysieren, warum wir nicht erfolgreich waren, und zwar sine ira et studio.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle einige persönliche Anmerkungen. Die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs sind ja nicht von Gott gegeben. Sie wurden am Anfang sehr stark von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geprägt und später von dem berühmten (ich möchte fast sagen: berüchtigten) Imboden-Gutachten festgeschrieben. Demzufolge sind Akquise von Drittmitteln sowie die Implementierung großer und thematisch vernetzter Forschungsverbünde, der Cluster, entscheidende Kriterien für die Zuerkennung des Exzellenz-Titels.
Das kann man durchaus kritisch sehen. Auch wenn wir als „Loser“ in diesem Wettbewerb leicht Gefahr laufen, als schlechter Verlierer zu gelten, muss die Frage erlaubt sein, ob denn ein großer Forschungsverbund wirklich die Forschungsqualität einer Universität verbessert. Der Beleg dafür steht meiner Ansicht nach noch aus. Zweifel sind angebracht, auch und gerade angesichts der Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschungen zu den Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Spitzenleistungen.
Zudem birgt eine Konzentration auf Verbünde auch Risiken. So kann die Sogkraft großer Cluster durch die damit verbundenen langfristigen Verpflichtungen in der Universität zu einem thematischen „Mainstreaming“ führen, also zu einem Verlust der akademischen Diversität, wenn kleine Fächer dann aus Kostengründen über die Klinge springen. Wir müssen dahinkommen, dass herausragende Einzelleistungen mehr Strahlkraft bekommen. Diese Mahnung ist auch an die DFG gerichtet, die dieses Ziel nicht dem European Research Council überlassen sollte. Universitäten dürfen nicht allein danach beurteilt werden, wie viele Cluster und Sonderforschungsbereiche sie eingeworben haben.
Damit wir uns richtig verstehen: Selbstverständlich müssen wir uns dem nächsten Wettbewerb stellen! Wir haben gar keine andere Wahl, und seine Rahmenbedingungen können wir uns nicht aussuchen. Wir müssen in Ruhe überlegen, wie wir uns nächstes Mal noch besser aufstellen können. Damit können wir nicht warten – das müssen wir jetzt anpacken, und das sehe ich auch als meine Aufgabe an. Wettbewerb gehört nun einmal zur Wissenschaft. Es ist ein Qualitätsmerkmal, wenn jemand erfolgreich Drittmittel einwirbt. Man muss in der Lage sein, seine Peers von der Qualität der eigenen Forschung zu überzeugen. Allerdings sollte man sich dabei nicht verbiegen müssen. Herr Kaufmann hat kürzlich zu Recht auf ein Risiko von Verbundprojekten hingewiesen, nämlich, dass Sekundärfunktionen überwiegen und die Projekte dann nicht mehr dem intrinsischen Forschungsinteresse der Antragsteller entsprechen. Das darf nicht passieren. Wir müssen also sehr klug vorgehen. Die eigene wissenschaftliche Stärke der Kolleginnen und Kollegen muss die wichtigste Grundlage jedes Verbundkonzeptes sein, erst dann kann man über den konzeptionellen Rahmen diskutieren. Wenn wir uns daran halten, bin ich optimistisch, dass wir es in Zukunft wieder schaffen werden, unseren verdienten Platz im Kreis der Spitzenuniversitäten einzunehmen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, dass wir die besten Köpfe nach Göttingen holen und hier halten, um unsere Forschung weiter zu stärken. Die richtigen Berufungen sind für die Zukunft der Universität entscheidend. Unsere Fakultäten dabei zu unterstützen sehe ich als eine meiner Hauptaufgaben an – da werden Sie auf mich zählen können.
Ich möchte an dieser Stelle einige Anmerkungen zum Forum Wissen machen, für das sich meine Amtsvorgängerin immer wieder und mit Nachdruck eingesetzt hat. Das Projekt ist bereits weit gediehen. Es findet in Öffentlichkeit und Politik Anerkennung und wird von externen Experten gelobt. Ich weiß aber auch, dass es innerhalb der Universität kritische Stimmen gibt. Dies kann ich gut verstehen. Wie bei allen Universitäten sind bei uns die Mittel knapp – und darüber werden wir in Zukunft generell noch reden müssen. Das Forum Wissen kommt nicht zum Nulltarif. Trotz finanzieller Unterstützung durch den Bund in zweistelliger Millionenhöhe, für die wir sehr dankbar sind, erfordert das Projekt nicht unerhebliche Eigenmittel als Gegenfinanzierung. Wie bei jedem neuen Vorhaben ist die Frage legitim, ob die Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen für die Universität stehen und ob die richtigen Prioritäten gesetzt werden.
Es ist klar, dass der bereits weit fortgeschrittene Umbau der Alten Zoologie für das Forum Wissen im avisierten Zeitplan abgeschlossen wird. Über Fragen des Betriebs und der Nutzung besteht allerdings noch Diskussionsbedarf. Dafür benötigen wir mehr Zeit, zumal ich ja erst wenige Tage im Amt bin und mir noch keinen vollständigen Überblick habe verschaffen können. Wir müssen jetzt gemeinsam überlegen, wie wir das Projekt so zum Erfolg führen, dass es nicht nur in die Öffentlichkeit hinein Strahlkraft entwickelt, sondern auch innerhalb der Universität als ein „Asset“, als Aktivposten wahrgenommen wird, in dem neue und spannende Projekte möglich werden, die Bezug haben zu Forschung und Lehre an der Universität. Dies muss sich in ein Gesamtkonzept einfügen, das sich nicht nur auf Sammlungen beschränkt, sondern darüber hinaus aktuelle Fragen und Herausforderungen unserer Zeit aufgreift.
Warum ist es für eine Universität, die ja in erster Linie Forschung und Lehre betreibt, so wichtig, gerade jetzt mit solchen Projekten in die Gesellschaft hineinzuwirken? Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr selbstverständlich davon ausgehen können, dass wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage gesellschaftlichen und politischen Handelns akzeptiert sind. Noch vor zehn Jahren hätte ich es mir nicht träumen lassen, zu einem March for Science auf die Straße zu gehen, um für etwas zu werben, was ich für selbstverständlich gehalten habe. In einer akademisch geprägten Stadt wie Göttingen fällt einem nicht sofort auf, wie erschreckend schnell sich die Zeiten geändert haben. Manchmal fühle ich mich fast ins Mittelalter zurückgeworfen, wenn ich sehe, wie rasch sich wissenschaftlicher Unsinn verbreitet und offene Ohren findet, beschleunigt durch die neuen Medien – Fake Science.
Anlass für eine Alarmstimmung besteht noch nicht. Wie das kürzlich veröffentlichte Wissenschaftsbarometer zeigt, vertrauen immerhin noch 56% der Bevölkerung Forscherinnen und Forschern an Universitäten, und fast 60% interessieren sich für Themen aus Wissenschaft und Forschung. Das sollte uns aber nicht beruhigen. Ein Blick über die Grenzen zeigt, wie schnell Populisten es schaffen, solches Vertrauen zu untergraben, erschreckenderweise auch und gerade in den USA, in denen so viel und so hervorragende Wissenschaft betrieben wird.
Ich sehe unsere Universität daher in der Pflicht, ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nachzukommen und zu solchen Themen Stellung zu beziehen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil uns das Land diese Aufgabe in das Hochschulgesetz geschrieben hat. Dabei geht es nicht um das Propagieren von Lösungen, sondern um verständliche Information zur wissenschaftlichen Basis von aktuellen Kontroversen. Diese Aktivitäten sollten idealerweise in unserer eigenen universitären Forschung begründet sein. Nachhaltige Landnutzung, wissenschaftlich fundierte Informationen zur aufgeheizten Debatte um die „Genschere“ Crispr-Cas, aus solider historischer Forschung abgeleitete Erkenntnisse als Gegenpol zu ideologisch verbrämter Geschichtsklitterung, oder Erkenntnisse aus moderner physikalischer Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz wie Quantencomputer oder Künstliche Intelligenz sind nur einige Beispiele. Ich fände es äußerst attraktiv, wenn wir solche Aktivitäten in das Forum Wissen integrieren und dabei breite Teile unserer Universität und der Campus-Partner einbinden könnten.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Geduld nicht zu stark strapazieren und zum Ende kommen. Ich bitte um Verständnis, dass ich viele wichtige Themen nicht angesprochen habe. Insbesondere möchte ich mich bei unseren Studierenden dafür entschuldigen, dass ich nichts zu ihren Sorgen und Nöten gesagt habe – schließlich ist ihre Ausbildung eine unserer Hauptaufgaben. Das liegt nicht an mangelndem Interesse, sondern daran, dass ich als ehemaliger Vollzeit-Forscher hierzu noch einiges lernen muss. Gute Lehre ist mir sehr wichtig. Ich selbst wollte ursprünglich Gymnasiallehrer werden und habe sogar ein Staatsexamen der Uni Göttingen für das höhere Lehramt in der Tasche. Zudem freue ich mich über das Engagement der Studierendenvertreter in der Universität, auch oder besser: gerade wenn Sie uns ab und an „nerven“ und unbequem sind. Dafür habe ich mehr Sympathie als Sie vielleicht denken. Es ist schon gut, dass sich niemand mehr an meine Vergangenheit als Studierendenvertreter in den wilden 70er Jahren erinnert…..
Unsere Gäste von unseren Partner-Institutionen im Göttingen Campus sowie aus der Stadt und Region bitte ich um Verständnis, dass ich mich heute auf inneruniversitäre Themen konzentriert habe. Natürlich weiß ich, dass wir aufeinander angewiesen sind. So wie Göttingen ohne Universität nicht vorstellbar ist, kann diese Universität ohne ihre Partner am Campus und ohne ein lebendiges und an Wissenschaft interessiertes Göttingen nicht funktionieren.
Es ist an der Zeit, mich zu bedanken. Insbesondere bei unserem Wissenschaftsminister, Björn Thümler. Er musste wirklich sehr harte Überzeugungsarbeit leisten, damit ich mir überhaupt vorstellen konnte, dieses Amt zu übernehmen. Nachdem er dann meinen Hut in den Ring geworfen hatte, war er so klug, es der Universität und ihren Gremien zu überlassen, sich mit diesem Vorschlag auseinanderzusetzen und damit die Autonomie der Stiftungsuniversität zu respektieren.
Mein ganz besonderer Dank geht an meine Vorgängerin im Amt, Frau Beisiegel. Sie hat enorm viel bewegt, sie hat sich mit einem unglaublichen Arbeitseinsatz für diese Universität engagiert. Es ehrt sie, dass sie aus dem Scheitern im Clusterwettbewerb und damit in der Exzellenzstrategie, für das viele mitverantwortlich waren, als die Nummer Eins die Konsequenzen gezogen hat. Ich möchte ihr auch persönlich für das nach wie vor vertrauensvolle Verhältnis und ihre große Unterstützung bei der Übergabe des Amtes danken.
Ich möchte dem Präsidium – Frau Bührmann, Frau Casper-Hehne, Herrn Diederichsen, Herrn Lossau, und last not least Frau Schüller danken, die mich sofort akzeptiert und offen aufgenommen haben. Mein besonderer Dank gilt dabei Frau Schüller, die die Universität in den vergangenen zwei Monaten mit Umsicht und Augenmaß geleitet hat. Das war große Klasse. Ich freue mich auf die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ihnen!
Zum Schluss möchte ich den zahlreichen Kolleginnen und Kollegen danken, die mich beraten haben und die dies hoffentlich auch in Zukunft tun werden – ich baue auf Sie! Es gibt an dieser Universität fantastische Intellektuelle im besten Sinne des Wortes, die mir weit überlegen sind, und die ich bewundere. Wen ich meine, sage ich Ihnen aber erst, wenn ich das Amt wieder abgegeben habe. Ich hoffe, von Ihnen zu lernen, und freue mich auf viele anregende Diskussionen in entspannter Atmosphäre. Dies ist einer der schönsten Aspekte meines Amtes!
Wir sind nach wie vor eine der besten Universitäten des Landes, die im Verbund mit unseren einzigartigen Partnern am Göttingen Campus internationale Ausstrahlung hat. Wir haben die Kraft und die Fähigkeiten, den vielzitierten Göttingen Spirit zum Leuchten zu bringen. Dieser Spirit lebt auch von einer konstruktiven Streitkultur, bei der trotz Härte in der Sache die persönliche Wertschätzung und das gemeinsame Interesse an unserer Universität nicht in Frage gestellt wird. Wir müssen wieder dahinkommen, dass wir unter uns Forschenden und Lehrenden stolz darauf sind, an dieser Universität arbeiten zu dürfen. Wir müssen dafür kämpfen, dass unsere Studierenden den Stolz darauf, einen Abschluss der Universität Göttingen in der Tasche haben, nicht verlieren. Wenn wir das gemeinsam schaffen – dann haben wir gewonnen. Ich möchte mit einem Zitat unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel schließen, das, auch wenn es abgedroschen ist und durchaus ambivalent rezipiert wird, zu unserer Situation nicht besser passen könnte: „Wir schaffen das!“.