Global Animal Law, seit 2020
Ein globalisiertes Problem erfordert eine globale Lösung: Das heutige Tierrecht leidet unter einem Missverhältnis zwischen fast ausschließlich nationaler Gesetzgebung einerseits und der globalen Dimension der regelungsbedürftigen Probleme andererseits. Während die Aufmerksamkeit für das Tierrecht innerhalb einzelner Rechtsordnungen zunimmt, können Staaten Tiere nicht mehr einseitig effektiv regulieren. Die viel beklagte Governance-Lücke, die durch die Globalisierung entsteht, betrifft auch Tiere. Die Notwendigkeit einer globalen (im Gegensatz zu einer rein nationalen) Regulierung und rechtlichen Analyse, eines globalen Tierrechts, ergibt sich aus der Tatsache, dass praktisch alle Aspekte der (kommodifizierten) Mensch-Tier-Interaktionen (von der Lebensmittelproduktion und -verteilung, über Arbeitstiere, Tiernutzung in der Forschung bis hin zur Zucht und Haltung von Haustieren) eine grenzüberschreitende Dimension besitzen. Rechtliche Regelungen zu Tieren, zu ihrem Status, zu ihrem Wohlergehen und möglicherweise zu ihren Rechten können nur dann wirksam sein, wenn sie sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene und in Form von staatlichen oder zwischenstaatlichen Regelungen und nicht-staatlichen Standards erlassen werden.
Aus einer Reihe von Teilgebieten, wie z.B. dem Menschenrechtsrecht, dem Handelsrecht, dem Lebensmittel- und Agrarrecht, dem Gesundheitsrecht und dem Umweltrecht entwickelt sich jeweils in ihren transnationalen und internationalen Dimensionen, ein neues Rechtsgebiet des Global Animal Law. Globales Tierrecht ist ein Überbegriff, der es den Forschern*innen ermöglicht, die komplexe Natur und die Charakteristika der einschlägigen Rechtsfragen zu erfassen und somit die rechtlichen Regelungen, die Tiere weltweit regeln, besser zu analysieren, zu kritisieren und voranzubringen. Allgemein gesprochen ist "globales" Recht ein Regelungsmix, der eine Vielzahl von verschiedenen Arten von Normen kombiniert. Neben den verschiedenen "Ebenen" von nationalem, internationalem, supranationalem und regionalem oder substaatlichem Recht besteht das Regelungsnetz-werk aus Normen, die von Staaten und privaten Akteuren geschaffen werden, also auch aus Standards, die von der Industrie, oft in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, entwickelt werden. Schließlich umfasst es sowohl hartes als auch weiches Recht, das von Kodizes und internationalen Konventionen bis hin zu Erklärungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) reicht, die oft länderübergreifend agieren. Global Animal Law um-fasst auch Themen, die derzeit nur im nationalen Recht behandelt werden. An diesem, von Frau Prof. Anne Peters, Direktorin des MPI für internationales Recht und Völkerrecht in Heidelberg, geleiteten Projekts nehmen 113 Forscher*innen aus 57 Staaten teil.
Prof. Dr. Martínez übernimmt im Rahmen des Forschungsprojekts „Global Animal Law“ die Bearbeitung des Kapitels „Farmed Animal Welfare in Europe“ im Werk „Handbook on Global Animal Law“, das herausgegeben und im Jahr 2022 bei Oxford University Press erscheinen wird.