VR-Lab
Leitung: Prof. Dr. Martin Langner
Team: Tobias Kreten, Thorben Langer, Lena Schrötke
Das VR-Lab nutzt Virtual-, Augmented- und Mixed-Reality-Technologien, um Räume der Vergangenheit zu rekonstruieren und diese Visualisierungen kritisch zu hinterfragen. Es baut auf dem Bereich "Visualisierung" im Campuslab Digitalisierung und Computational Analytics auf und wurde 2021 im Rahmen der MWK-Initiative "Innovative Lehr- und Lernkonzepte: Innovation plus" zu einem Virtual Reality Lab erweitert". Es kooperiert mit dem Kunsthistorischen Museum Wien sowie dem Deutschen und dem Englischen Seminar der Universität Göttingen.
Der Begriff Virtual Reality (VR) ist ein Fachbegriff aus der Informatik. Als solcher wird er meist mit einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven Umgebung assoziiert, die oft mit einem entsprechenden Headset wahrgenommen wird. Die hyperrealistische Modellierung entspricht einer allgemeinen Erwartung an VR, die von der Spieleindustrie vorangetrieben wird. Sie birgt jedoch eine gewisse Gefahr für die historische Visualisierung, da sie eine Autoritätsposition gegenüber dem Betrachter einnimmt, wenn das physische Objekt nicht mehr existiert oder zumindest sein Aussehen nicht überprüft werden kann.
Bei der Rekonstruktion der Vergangenheit mit digitalen Methoden gibt es zwei gegensätzliche Anforderungen, die sich bisher kaum miteinander vereinbaren lassen: historische Genauigkeit und umfassende räumliche Erfahrung. Um dieses Problem anzugehen, will das VR-Lab das Spannungsfeld zwischen historischer Evidenz und kultureller Präsenz untersuchen.
Es besteht ein starker Kontrast zwischen den Bedürfnissen der Natur- und Geisteswissenschaften und der Spieleindustrie, die derzeit die Entwicklung der virtuellen Realität dominiert. Daher müssen wir die Theorie virtueller Räume und ihrer Erscheinungsformen in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Fragen und disziplinären Besonderheiten betrachten. Nur so können wir Methoden der Umsetzung entwickeln, die der Komplexität historischer Situationen gerecht werden. Mit der Relativität und Ungewissheit historischer Gegebenheiten, ästhetischen Ansprüchen und Transparenz der Quellen auf jeder Stufe der Rekonstruktion muss die Visualisierung über das hinausgehen, was in Videospielen üblicherweise als Standard gilt, und mit kritisch zu hinterfragenden Entscheidungsprozessen und Gestaltungsvorgaben verbunden sein.
Daher arbeiten wir an (a) digitalen Rekonstruktionen, die die historische Realität so korrekt wie möglich wiedergeben, (b) computeranimierten Modellen, die bestimmte Ansichten und Perspektiven interaktiv modellieren, (c) Simulationen des digitalen Kulturerbes, die dynamische Prozesse und die Teilnahme an Ritualen und Praktiken der Vergangenheit nachbilden, und (d) virtuellen Kulturerbe-Umgebungen, die die Möglichkeit bieten, virtuell rekonstruierte historische Stätten in 3D als Besucher, Reisender oder sogar als Bewohner zu erleben.
Mit der Londoner Charta hat sich die DH-Gemeinschaft sogar selbst Regeln auferlegt, und es gibt eine Reihe von Vorschlägen, wie man bestimmte Unsicherheiten visuell gestalten kann. Die Erforschung und Entwicklung geeigneter Workflows und Strategien für die Erstellung digitaler Rekonstruktionen bleibt jedoch eine wesentliche Aufgabe, auch wenn es bereits erste Ansätze zur Standardisierung und weitere Empfehlungen zur Dokumentation gibt.
Das Ziel des Labors liegt aber nicht nur im Produkt selbst. Der Prozess der Rekonstruktion und Simulation dient als Experimentierfeld, um mit dem Material verbundene Forschungsfragen und verschiedene Hypothesen nebeneinander zu untersuchen. In diesem Bereich fehlt es derzeit an methodischer Stringenz und einer umfassenden Theorie, die es zu entwickeln gilt. Für einen konsistenten Vergleich und eine einheitliche Bewertung von 3D-Modellen und VR-Anwendungen müssen die Paradaten und Parameter standardisiert werden. In diesem aufstrebenden Feld befinden sich die Digital Humanities im Zentrum der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Virtual Reality.
Auf theoretischer Ebene wird das VR-Labor die Möglichkeiten und Grenzen der Virtualisierung als Werkzeug der wissenschaftlichen Imagination und als Phänomen an sich diskutieren. Wir erforschen speziell die hermeneutischen Möglichkeiten und allgemein die Eigenschaften der Virtualität.
Weitere Informationen zu den Aktivitäten des Labs finden Sie hier.