Große Britannienexkursion: Rom und seine Grenzen - Der Hadrianswall (30. März - 9. April 2014)
"Danach begab sich Kaiser Hadrian nach Britannien und führte als erster eine Mauer über eine Länge von 80 Meilen, die eine Grenzscheide zwischen den Barbaren und den Römern bilden sollte." Mit diesen Worten beschreibt die spätantike Historia Augusta die Entstehung eines der beeindruckendsten Bauwerke der Antike, das heute längst zum Weltkulturerbe zählt. Zwischen Solway Firth und Newcastle upon Tyne zieht sich der Hadrianswall mit seinen Türmen und Lagern quer durch Nordengland. Dabei war er weit mehr als eine Grenzlinie, sondern fungierte als Kontaktzone, Handelsraum und vieles mehr.
Ziel der Exkursion war es, die vielen Bestandteile der antiken Stätte - Kastelle, Wachtürme, zivile Siedlungen, Badeanlagen, Heiligtümer oder Steinbrüche - im Kontext der antiken Landschaft begreifbar zu machen. Dafür wanderten wir in anderthalb Wochen nahezu den kompletten Hadrianswall von der Ost- zur Westküste. Neben den touristisch gut erschlossenen Orten wie Vindolanda konnten wir so auch viele nur zu Fuß zugängliche Ziele erschließen (und nebenbei einen "Intensivkurs" in englischer Landeskunde absolvieren). Die Studierenden waren dabei in doppelter Hinsicht eingebunden: einmal durch eine Stätte, in der sie führen sollten, und einmal durch ein übergreifendes Spezialthema wie Ernährung oder Handel, das an verschiedenen Orten angesprochen werden konnte.
Eindrücke von teilnehmenden Studierenden
"Meine Erinnerungen an die Exkursion zum Hadrianswall sind geprägt von einer Sammlung ganz unterschiedlicher Erfahrungen und Eindrücke. Eine der bedeutendsten Erkenntnisse ist ohne Zweifel, dass Schafsköddel sehr dekorativ auf Schuhspitzen von Wanderschuhen wirken. Denn entlang des Hadrianswalls gibt es fast so viele Schafe wie Steine. Neben dem beeindruckenden Wall werden die Schafe allerdings schnell zur Nebensache. Der Wall windet sich über Hügelketten und durch kleine Täler und bietet immer wieder ein beeindruckendes Fotomotiv. Der Weg selbst führt fast immer direkt an der Mauer entlang. Man braucht dabei nur die Hand auszustrecken, um dieses beeindruckende Bauwerk zu berühren. Beeindruckend ist auch die Lage der verschiedenen römischen Forts, die wir entlang des Weges passierten. In Verbindung mit der unendlichen Landschaft und aufkommendem Nebel wirkten manche Orte absolut surreal. Ich erinnere mich noch an einen Nachmittag mit besonders dichtem Nebel an dem wir einen Tempel des Mithras-Kults besuchten. Dieser lag auf einer Wiese und war genauso schnell im Nebel hinter uns wieder verschwunden wie er zuvor aufgetaucht war. Eine Gegenwelt zu der Abgeschiedenheit der Wanderung bildete die englische Kultur. Sei es nur das liebevoll zubereitete "English Breakfast" am Morgen oder die entspannten Abende in den kleinen Pubs entlang des Walls. Der Mix aus Geschichte zum Anfassen, einer atemberaubenden Landschaft, einer ungewöhnlichen Wanderung, tollen Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmern und der englischen Kultur machen diese Exkursion für mich unvergesslich."
Sara Müller (zum Reisezeitpunkt im 3. Fachsemester, BA Geschichte / Politik)
Frühling am Wall - (c) Oskar Minich
"In der Rückschau auf mein Bachelorstudium bedeutet die Exkursion des Althistorischen Seminars an die äußerste Grenzen des Römischen Reiches, den Hadrianswall, ein besonderes Highlight. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. An erster Stelle steht hier natürlich das buchstäbliche Begreifen und Erfassen einer lang zurückliegenden und fernen Vergangenheit. Was es bedeuten kann, Geschichte eben nicht nur aus gedruckten Quellen heraus nachzuvollziehen, sondern sie darüber hinaus an den Orten des Geschehens selbst zu rekonstruieren, kann vielleicht gerade in einem so entlegenen, aber dennoch lebendigen und vielseitigem Grenzgebiet wie dem Hadrianswall deutlich werden. Denn dass der Wall weit mehr war als eine Mauer, die zwei Welten voneinander trennen sollte, merkt man vor Ort sehr schnell. Persönlich habe ich mich besonders mit dem Bad in Chesters Roman Fort beschäftigt. Es ist erstaunlich gut erhalten und bietet daher faszinierende Einblicke einerseits in die bautechnische Möglichkeiten der Zeit, andererseits aber auch in die komplexen sozialen Strukturen der Grenzgemeinschaften, die sich in der Architektur des Bades und den Berichten über seine Nutzung widerspiegeln. Das unmittelbar vor Ort - eingebettet in eine weite und malerische Landschaft - zu verstehen, hat mich tief beeindruckt und mir zugleich großen Spaß gemacht."
Robert Mueller-Stahl (zum Reisezeitpunkt im 5. Fachsemester, BA Geschichte / Politik)
Fußbodenheizung im Bad von Chesters - (c) Dorit Engster
"Eines meiner größten Highlights während meines Geschichtsstudiums war die Exkursion an den Hadrianswall. Auch wenn ich an Tagen, an denen wir 20 Kilometer zurücklegten, zuweilen an meine körperlichen Grenzen stieß, war diese Exkursion ein einmaliges Erlebnis. Erst mit der Wanderung entlang des Hadrian's Wall Path habe ich wirklich eine Vorstellung von den Entfernungen bekommen, die die römischen Grenzsoldaten zurückgelegt haben dürften und von dem Gelände und den Landschaften, durch die sie ihre Wege führten. Beeindruckt hat mich, wie gut zum Teil die römischen Stätten entlang des Walls ergraben sind und die Funktionsweisen der einzelnen Bauten nachvollzogen werden können. Besonders in Erinnerung sind mir in diesem Zusammenhang die beiden großen und sehr gut erhaltenen Getreidespeicher von Corbridge aus dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr. geblieben. Sie sind so weit erhalten, dass an diesen nachvollzogen werden kann, wie das Belüftungssystem funktionierte, mit dessen Hilfe, das Korn kühl und trocken über einen längeren Zeitraum gelagert werden konnte. Die Möglichkeit zu haben, Geschichte vor Ort am konkreten Objekt nachvollziehen zu können, ist einfach eine besondere Erfahrung."
Lisa Schneider (zum Reisezeitpunkt im 5. Fachsemester, BA Geschichte / Politik)
Unterkunft in Birdoswald - (c) Lisa Schneider
Die Veranstaltung wurde finanziell unterstützt durch eine Förderung des Universitätsbundes Göttingen e.V. Im Namen der 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedanken wir uns für die Unterstützung, ohne die sich eine solche aufwändige Unternehmung nicht hätte umsetzen lassen.