Göttinger Tageblatt vom 28. Oktober 2008:
GAO PINGS MUSIK SOLL KLINGEN WIE EIN PINSEL AUF PAPIER
Grandios: Das New Zealand String Quartet zu Gast im Aulakonzert der Göttinger Kammermusikgesellschaft
Fürsprecher für jungen Komponisten Neuer Musik: das New Zealand String Quartet. (Bild: Göttinger Tageblatt/Heller)
Jüngere Komponisten, die den „etablierten“ Namen der Neuen Musik nachfolgen, haben es schwer, ein breites Publikum zu finden. Der 1970 geborene, in Neuseeland lebende, chinesische Komponist Gao Ping hat das Glück, mit dem New Zealand String Quartet Fürsprecher zu haben, die seine Werke spielen. Im Aulakonzert präsentierte das Quartett Pings Komposition „Bright Light and Cloud Shadows“. «Das Werk solle klingen wie ein Pinsel auf Papier, erklärte die Bratschistin Gillian Ansell und wies damit auf eine Lesart hin, die das eindrückliche Stück gut beschreibt. Nicht das hastige Kratzen billiger Kugelschreiber erklingt, sondern die Bewegung des Pinsels in der Kalligraphie. Der langsame, feine Strich, bald breiter werdend und sich wieder verjüngend, ist zu hören, ebenso das markige Setzen von Akzentuierungen, die hier oft das Cello übernimmt. Es ist eine phantastische, ergreifende Musik, und das Quartett setzte den bildhaften Assoziationsreichtum des Stücks grandios um. »«Die überragende Breite an Ausdrucksmöglichkeiten, die den Musikern dabei zur Verfügung stand, ließ sich anhand der Interpretationen des Streichquartetts b-Moll, op. 138 von Dmitri Schostkowitsch (1906 – 1975) und des Streichquartetts G-Dur, D 887 von Franz Schubert ermessen. Beide Werke gelangen hervorragend, allerdings hatte der Schostakowitsch einen Schönheitsfehler auf hohem Niveau, hätte man sich doch im langsamen Eröffnungs- und Schlussteil des einsätzigen Werks ein wenig mehr klagende Tiefe gewünscht. So war es die Schubert-Interpretation, mit der die Künstler alle Zweifler erst verstummen ließen, bevor sie sie zu tosendem Applaus zwangen. »«Schuberts progressives Werk eröffnete eine neue Sprache in der Kammermusik, ständige Wechsel zwischen Dur und Moll und häufige harmonische Brechungen gehen an die Grenzen der Tonalität. Immer wieder bricht die Rastlosigkeit in eine bisweilen trügerische Idylle hinein. Kompakte Klangflächen erzeugen einen sinfonischen Habitus, den das New Zealand String Quartet volltönend erklingen ließ. Die Dramatik des Werkes verleitete die Künstler nie zum unbedachten Effekt, und es entstand eine Interpretation großer Ernsthaftigkeit, die frei von aufgesetzter Korrektheit und voll von Lebendigkeit war. Ein begeisterndes Konzert, in dem sich Qualität des Spiels und Anspruch des Programms geradezu gegenseitig herausforderten.»
Christoph Jensen