Blumenbach und der Rassebegriff

Blumenbach - Mitbegründer der biologischen Anthropologie

Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) war ein deutscher Naturforscher und Anthropologe und ist bekannt für eine Vielzahl wissenschaftlicher Leistungen. Im Jahr 1776 wurde Blumenbach zum Professor der Medizin und Kustos des Naturhistorischen Museums an der Georg-August-Universität Göttingen ernannt. Blumenbach war einer der ersten, der den Menschen als Teil der Naturgeschichte quantitativ untersuchte, was ihn zu einem der Begründer der Anthropologie macht. Blumenbach erforschte die Vielfalt des Menschen hauptsächlich anhand des Vergleichs von Schädelanatomie und Hautfarbe. Am bekanntesten ist er für sein fünfteiliges Klassifizierungssystem des Menschen (1795), das beschreibt, was Blumenbach generis humani varietates quinae principes, species vero unica (fünf Hauptvarietäten des Menschen, aber nur eine Art) nannte. Nach Blumenbach ließen sich die Menschen in Varietäten (erst in seinem späteren Werk übernahm er den Begriff "Rassen") einteilen, die er als orientalisch, indianisch, kaukasisch, malaiisch und äthiopisch bezeichnete. Er nahm an, dass alle morphologischen Unterschiede zwischen den Varietäten durch Klima und die Lebensweise bedingt seien.
Blumenbach betonte wiederholt, dass die morphologischen Unterschiede so klein und graduell seien, dass eine klare Trennung der Varietäten nicht möglich sei.

“All national differences in the form and colour of the human body [. . .] run so insensibly, by so many shades and transitions one into the other, that it is impossible to separate them by any but very arbitrary limits.” (Blumenbach [1825, 35−36])”

Auch stellte er fest, dass die Hautfarbe zur Unterscheidung der Varietäten ungeeignet sei. Dennoch nutzte er die Unterschiede, um die Menschheit in fünf verschiedene Varietäten einzuteilen, die er später "Rassen" nannte. Obwohl Blumenbach keine Hierarchie unter den fünf Varietäten vorschlug, stellte er die kaukasische Form als die "primitivste" oder "ursprünglichste" in den Mittelpunkt seiner Beschreibung, aus der die anderen Formen "degenerierten". Im 18. Jahrhundert waren diese Begriffe jedoch noch nicht auf dieselbe Weise negativ konnotiert wie heute. Damals bezeichnete "primitiv" oder „ursprünglich“ die angestammte Form, während man unter "Degneration" den Veränderungsprozess verstand, der zu einer neuen Form führt, die an verändernde Umwelteinflüsse angepasst ist.

Blumenbach und die Einheit der Menschheit

Blumenbach vertrat nachdrücklich die Theorie des Monogenismus, d.h. eines gemeinsamen Ursprungs und einer gemeinsamen Abstammung aller Menschen. Diese Ansicht stand im krassen Gegensatz zu der polygenistischen Theorie, die von zahlreichen zeitgenössischen Wissenschaftlern vertreten wurde. Diese schlugen mehrere Ursprünge des Menschen und daher auch mehrere menschliche Arten vor, von denen einige sogar als halbe Tiere angesehen wurden. Das polygenistische Argument wurde damals zur Legitimation von ethnischer Ungleichheit und Sklaverei benutzt, wogegen sich Blumenbach vehement und offen wandte. Diese Diskussionen fanden auch innerhalb der Georg-August-Universität Göttingen statt, da ein Kollege Blumenbachs, der Philosoph und Historiker Christoph Meiners, ein Vertreter der polygenistischen Auffassung war. Gleichzeitig wurde Blumenbach jedoch auch stark von diesem umstrittenen Kollegen beeinflusst. So übernahm er den Namen "Kaukasier" von Meiners - und sogar dessen Betonung der Schönheit. Blumenbach nutze also vergleichende anatomische Studien, um Varietäten des Menschen zu definieren, betonte aber, dass alle Menschen einer Art angehören.

“Generis humani varietates quinae principes, species vero unica”, “Es gibt fünf Hauptvarietäten
des Menschengeschlechts, jedoch nur Eine Gattung desselben”, „within humanity there are five varieties, but only one species “ (Blumenbach [1795, 284]; [1798, 203]).

“That no doubt can any longer remain but that we are with great probability right in referring all and singular as many varieties of man as are at present known to one and the same species. (Blumenbach [1795] 1865, 275–276)”

Blumenbach, "kaukasische Schönheit" und Rassismus

Heute wird "kaukasisch" häufig als Synonym für "weiß" verwendet - und Blumenbach war einer der ersten, die dieser Bezeichnung wissenschaftliche Glaubwürdigkeit verliehen. Allerdings stellte Blumenbach auch fest, dass Europäer einen gewissen Grad an "Degeneration" vom "kaukasischen Idealtypus" aufweisen und auch Übergänge zu anderen Formen zeigten. Darüber hinaus äußerte er mehrfach seine Überzeugung, dass alle Menschen an sich mit gleichen (intellektuellen und moralischen) Fähigkeiten ausgestattet seien, diese aber wegen unterschiedlicher Chancen unterschiedlich ausbilden können. Dennoch zeigt Blumenbachs Interpretation der Varietäten eine gewisse eurozentrische und christliche Voreingenommenheit. Er betrachtete die kaukasische Varietät als die ideale Form, eine Annahme, die nicht unbedingt auf objektiven Messungen der Divergenz beruhte. Stattdessen war diese Ansicht von seinem religiösen Glauben und seinem kulturellen Hintergrund beeinflusst: Er nahm an, dass die erste Gruppe der Menschheit wahrscheinlich in der Nähe des Ortes lebte, an dem die Arche Noah gelandet sein soll (Berg Ararat, in der Nähe des Kaukasus) und somit den von Gott geschaffenen Menschen am ähnlichsten sein sollte.

“For in the first place, that [Caucasian] stock displays, [. . .] the most beautiful form of the skull from which, as from a mean and primeval type, the others diverge by most easy gradations on both sides to the two ultimate extremes (that is, on the one side the Mongolian, on the other the Ethiopian). Besides, it is white in colour, which we may fairly assume to have been the primitive colour of mankind, since, as we have shown above, it is very easy for that to degenerate into brown, but very much more difficult for dark to become white. (Blumenbach [1795] [1865], 269)

Darüber hinaus äußerte sich Blumenbach in seinen Beschreibungen übermäßig begeistert von der Schönheit des kaukasischen Schädels einer georgischen Frau. Allerdings lobte er auch die Schönheit der Äthiopier und merkte an, dass Hässlichkeit auch bei Kaukasiern zu finden sei. Blumenbachs Äußerungen über die Schönheit geben bemerkenswerte Einblicke in sein Denken. Allerdings sind diese Aussagen in seinem Originalwerk weniger stark ausgeprägt als in einigen der Übersetzungen. Vor allem in einer gezielt und strategisch irreführenden Übersetzung hat Thomas Bendyshe, ein ausgesprochener Rassist, mehrere verschiedene lateinische Wörter, die Blumenbach zur Beschreibung der Symmetrie des Schädels verwendete, mit dem englischen Wort "beauty" übersetzt, was zu einer in der Tat übermäßigen Häufung dieses Begriffs führt.

Blumenbach wandte sich gegen die Diskriminierung von Rassen, und er vertrat nicht das Konzept einer überlegenen weißen Rasse.

Alexander von Humboldt zu seiner und Blumenbachs Ansicht:
“While we maintain the unity of the human species, we at the same time repel the depressing assumption of superior and inferior races” (Humboldt [1858-59], reprint from 1997, 356, 358)

In der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts galten seine Schriften sogar als wissenschaftlicher Antirassismus und Blumenbach war Advokat der Fähigkeiten schwarzer Menschen.

“I am of the opinion that after all these numerous instances I have brought together of Negroes of capacity, it would not be difficult to mention entire, well-known provinces of Europe, from out of which you would not easily expect to obtain off-hand such good authors, poets, philosophers, and correspondents of the Paris Academy. And on the other hand, there is no so-called savage nation known under the sun which has so much distinguished itself by such examples of perfectibility and original capacity for scientific culture, and thereby attached itself so closely to the most civilized nations of the earth, as the Negro.” (Blumenbach [1795]. The Anthropological Treatises of Johann Friedrich Blumenbach, trans. and ed. Thomas Bendyshe, London: Anthropological Society, 1865, 312.)

Seine Bewertung der Ästhetik der Kaukasier wurde jedoch (miss-)braucht, indem seine Beschreibung der Varietäten des Menschen rassistisch interpretiert und vereinnahmt wurde.

Quellen

Sammlung von Arbeiten, die Blumenbachs Werk in historischem Kontext bewerten:

  • Rupke, Nicolaas and Lauer, Gerhard (Editors) (2019) Johann Friedrich Blumenbach - Race and Natural History, 1750–1850 Routledge, London, UK and New York, USA

  • Kritische Ansichten zu Blumenbachs Beitrag zu rassistischen Konzepten:

  • Curran, Andrew S. (2011) The Anatomy of Blackness. Science & Slavery in an Age of Enlightenment. The Johns Hopkins University Press, Baltimore, USA
  • Fredickson, George M. (2002) Racism. A short history. Princeton University Press, Princeton, NJ, USA
  • Painter, Nell I. (2010) The history of white people. W.W. Norton & Company, Inc., New York, USA
  • Smith, Justin E.H. (2015) Nature, Human Nature, & Human Difference: Race in Early Modern Philosophy. Princeton University Press, Princeton, New Jersey, USA