Dendrochronologie
Einleitung
Die Dendrochronologie ist zunächst im engeren Sinn ein Datierungsverfahren, das auf der Ringbreitenmuster-Ähnlichkeit zeitgleich gewachsener Jahrringe beruht. Durch die Untersuchung tausender archäologischer, bauhistorischer und geologisch in Mooren und Kiesgruben eingelagerter Hölzer sind regionale Durchschnitts-Wachstumskurven (Chronologien) aufgebaut worden, die jahrgenaue Datierungen ermöglichen.
Im weiteren Sinn nutzt die Dendroökologie die Jahrringbreiten-Muster und holzanatomische Merkmale als jahrgenaues "Archiv”, um frühere klimatische und ökologische Entwicklungen zu rekonstruieren. Forschungsschwerpunkt des Göttinger Dendro-Labors sind subfossile Baumfunde aus Kiesgruben (z. B. Main, Fulda, Lahn, Oker) und norddeutschen Mooren, aus deren Ringfolgen die (nach dem Hohenheimer Labor) weltweit längsten, bis knapp 8000 v. Chr. zurückreichenden Chronologien aufgebaut wurden. Aus dendroökologischer Sicht ist dieses Material ein klima-, fluss- und vegetationsgeschichtliches Archiv. Bauhistorische und archäologische Datierungen werden nur in geringem Umfang durchgeführt, hier bestand jedoch Zusammenarbeit mit dem privaten Dendro-Labor DELAG, das sein Datenmaterial für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung gestellt hat.
Jahrgenaue Datierung
Die Ähnlichkeit der Ringbreitenmuster ermöglicht die jahrgenaue Synchronisation von Jahrringbreiten-Folgen. Durch das Überbrückungsverfahren (crossdating) werden die Ringfolgen rezenter Bäume mit bekanntem Fälljahr schrittweise immer weiter in die Vergangenheit verlängert.
Ringbreiten-Kurvenähnlichkeit und Dendro-Datierung
Individuelle Jahrringmuster der Einzelhölzer werden durch das Mitteln (”gemeinsames Signal”) eliminiert, die (Gebäude-) Mittelkurve ist der Chronologie ähnlicher als die Einzelkurven. Gut belegte Chronologien weisen statistisch signifikante Übereinstimmungen über hunderte von Kilometern auf.
Moorhölzer - ein hydrologisches und vegetationsgeschichtliches Archiv
Im Dendrochronologischen Labor der Universität Göttingen werden seit 30 Jahren systematisch Baumfunde (Eichen und Kiefern) aus niedersächsischen Mooren jahrringanalytisch ausgewertet. Das bis zu 9000 Jahre alte Material stellt in seiner Fülle (140 Fundorte, 2.200 datierte Bäume), seiner zeitlichen Verteilung und im Jahrringbreiten-Muster ein einmaliges Archiv der Klima- und Moorentwicklung dar, da die Bäume an diesem ökologischen Grenzstandort sehr sensitiv auf hydrologische Änderungen reagiert haben. Eine Reihe von Befunden belegen zudem Parallelen der natürlichen Moorbewaldung zu siedlungsgeographischen Entwicklungen (z. B. ein Bohlenwege um 2850 v. Chr.).
Ein aktuelles, seit 2005 von der DFG gefördertes Forschungsprojekt (LE 1805/2) zielt im Kontext mit archäobotanischen und archäologischen Untersuchungen schwerpunksmäßig auf die dendroökologische Auswertung von Moorkiefern-Horizonten. Dadurch werden unter anderem zeitlich fein auflösende Erkenntnisse zur Dynamik der Hochmoorbildung erwartet. Die laufenden Untersuchungen an subfossilen Kiefern belegen zeitlich exakte Übereinstimmungen zu teilweise europaweiten "Stress"-Phasen der Mooreichen, z. B. um 2850 v. Chr. und 4700 v. Chr.. Die Tatsache, dass Kiefernwälder- im Gegensatz zu Eichen - eine bekannte ökologische Entwicklungsstufe der Moore repräsentieren, erweitert und verfeinert die dendroökologische Aussage und Interpretation in Bezug auf die nacheiszeitliche Moor- und Klimaentwicklung beträchtlich.