Der "Tritucap"-Häcksler zur Räumung von Bracheflächen in tropischer Vegetation



Bei der Flächenvorbereitung in tropischen Ackerbausystemen werden bis heute in der kleinbäuerlichen Familienlandwirtschaft die zu bebauenden Flächen durch Brandrodung vorbereitet. Der sogenannte Sekundärwald ist integraler Bestandteil des tropischen Ackerbausystems. Die Flächen werden seit mehreren Jahrzehnten (in der Zona Bragantina seit ca. 150 Jahren) bereits landwirtschaftlich genutzt, hauptsächlich mit dem System der Feld-Wald-Wechselwirtschaft, der sog. "Shifting Cultivation". Wesentliches Element dieser Wirtschaftsweise ist eine obligatorische mehrjährige Brachephase, die sich an die Hauptnutzung anschließt. Die von Natur aus sehr nährstoffarmen Böden können sich dadurch "erholen", d.h. wieder Nährstoffe ansammeln, dass die busch- und baumartigen Pflanzen, die noch immer auf diesen Flächen in Form von Wurzelstöcken vorhanden sind, erneut austreiben, durch ihr weitverzweigtes und tiefreichendes Wurzelsystem verlagerte Nährstoffe aus den tieferen Bodenschichten aufnehmen und im oberirdischen Pflanzengewebe binden. Am Ende der idealerweise fünfjährigen Brachephase werden diese Bäume und Büsche erneut gefällt und nach einer Trocknungsphase in Brand gesetzt.



Die im Pflanzengewebe gebundenen Nährstoffe bleiben mit der Asche auf der Bodenoberfläche zurück. Dieses ist die Nährstoffbasis für die nächste, in der Regel zweijährige Anbauphase. Bei der Brandrodung gehen jedoch große Anteil der gebundenen Nährstoffe mit dem Brennen in die Atmosphäre verloren und die Böden verarmen damit mittelfristig. Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist die Etablierung der Mulchwirtschaft, in der statt des verlustreichen Brennens die Flächen durch die Zerkleinerung des Pflanzenmaterials für die nächste Aussaat vorbereitet werden und die Rotte des Materials langsam und kontinuierlich die Nährstoffe an den Boden freisetzt. Diese Mechanismen wurden intensiv über mehr als 12 Jahre durch das Projekt SHIFT-Capoeira untersucht.

Die Aufgabe der Abteilung Agrartechnik Göttingen bestand in der Entwicklung einer Maschine, die in ungeordneter Vegetationsstruktur das aufgewachsene Pflanzenmaterial absägt, zerkleinert und als Mulchdecke gleichmäßig auf der Bodenoberfläche verteilt. Der Aufschluss des Materials soll eine möglichst schnelle Rotte ermöglichen.

Die grundsätzlichen Änderungen des Häckslerkonzeptes bestanden in der Ausführung als Doppelrotormaschine, um die gesamte Schlepperbreite abzudecken sowie in dem seitlichen Materialauswurf, um eine breite Verteilung des Mulchmaterials über die Fläche ermöglichen zu können. Die so entstandene Doppelrotormaschine erhielt den Namen „Tritucap“, welches eine Abkürzung der umschreibenden Bezeichnung des Gerätes durch die einheimische Bevölkerung darstellt (Triturar de Capoeira ˜ Häckseln des Waldes, der einmal war...).

Als erstes Resultat der vorab durchgeführten Untersuchungen wurde der erste Prototyp "Tritucap 1" entwickelt, der direkt auf dem Göttinger Pappelerntehäcksler basierte.



Statt eines Häckselrotors hat diese Maschine nun zwei gegenläufige Rotoren, die die gesamte Breite des Traktors abdecken. Damit können auch geschlossene Buschbestände durchfahren werden. Die Abstände der Schneckenwindungen wurden sehr eng gewählt, um kleine Häckselgrößen zu erreichen und damit eine schnelle Rotte des gehäckselten Materials zu gewährleisten. Die beiden Sägeblätter mit jeweils 1.000 mm Durchmesser sägen das Material ab und fördern es zu den jeweiligen Außenseiten der Maschine. Die Auswerfer beschleunigen das Material und sorgen für einen verstopfungsfreien Auswurf des gehäckselten Materials. Die Maschine wurde zunächst im Anbau an die Fronthydraulik betrieben, es hat sich jedoch schnell gezeigt, dass die Sichtbarkeit des Arbeitsbereichs für den Fahrer praktisch nicht gegeben ist. Daher wurde auch mit dem Heckanbau experimentiert, der sich als vorteilhaft erwiesen hat. Diese Vorteile lagen zum Einen in der besseren Übersicht über den Arbeitsbereich, zum Anderen aber auch in der vorteilhafteren Verteilung der Achslasten. Die starke Belastung der Vorderachse bei Betrieb im Frontanbau hat immer wieder zu schweren Beschädigung der Vorderreifen geführt, hauptsächlich durch eindringen von Wurzelstümpfen in die Reifenflanken.

Die Auslegung der Antriebskomponenten der Maschine, hauptsächlich durch Riementrieb realisiert, hat sich als für die herrschenden klimatischen Bedingungen zu schwach erwiesen. Die hohen Außentemperaturen in Verbindung mit der intensiven Sonneneinstrahlung auf die Gehäuseteile der Maschine haben zu einer starken Erwärmung der Riemen geführt, die durch die damit verbundene Längung einem erhöhtem Schlupf unterlagen und bereits nach kurzer Einsatzdauer praktisch keine Drehmomente mehr übertragen konnten.

Aus diesem Grunde wurden die Keilriemen 1999 durch einen Zahnriemenantrieb ersetzt. Mit Beginn der letzten Projektphase wurde die Maschine vor ihrem nächsten Einsatz grundlegend überholt und in Details verbessert, so dass Mitte Mai 2000 eine komplett überholte Maschine im Projekt zur Verfügung stand.

Diese Maschine wurde unter unterschiedlichsten Flächenbedingungen getestet. Der 1997 bereits nach Brasilien verschiffte, in Deutschland gekaufte John Deere 3050 zeigte erste Ermüdungserscheinungen, die zum großen Teil auch dem feuchtheißen Klima geschuldet waren. Der Komplettausfall der Elektrik und Hydraulik ist als Beispiel zu nennen. Luftfeuchtigkeit um 95% bei stetig über 30°C Lufttemperatur hat zu Korrosion an allen Kontakten geführt. Daher wurde zwischenzeitlich auf einen Leihschlepper brasilianischer Bauart zurückgegriffen, mit dem die Tests in den Flächen fortgesetzt werden konnten.

Das teilweise sehr unwegsame Gelände auf dem Weg zu den Flächen hat seinen Tribut verlangt...



Die Überquerung von nur flachen Wasserläufen hat sich teilweise als tagesfüllende Aufgabe herausgestellt, die von allen Beteiligten hohen körperlichen Einsatz verlangte. Nur der grenzenlosen Hilfsbereitschaft der brasilianischen Landbevölkerung ist es zu verdanken, dass die Maschine immer wieder aus scheinbar hoffnungslosen Situationen geborgen werden konnte.

Mit Hilfe dieser Probeeinsätze konnten wertvolle Hinweise erarbeitet werden, mit der das Maschinenkonzept an die Verhältnisse angepasst und verbessert werden konnte. Das Resultat der Tests und Entwicklung war die "Tritucap 2".



In dieser Maschine wurde der Häckselrotor in geringerer Bauhöhe ausgeführt, die Anzahl der Schneckenwindungen wurde von 6 auf 4 reduziert und die Konzeption der Auswerfer, die auch schneidende Wirkung besitzen wurde dahingehend geändert, dass sie mit drehbaren Verschleißplatten versehen waren. Mit nur geringem Aufwand konnten diese Platten schnell gewechselt werden, was eine gleichmäßige Häckselqualität sichern sollte. Die Breite der Maschine wurde an einen leistungsfähigeren Schlepper angepasst, da im Projekt SHIFT gleichzeitig noch ein Forstmulchgerät eingesetzt werden sollte, für das der entsprechend größer motorisierte Schlepper benötigt wurde.

Damit konnte die Gewichtsverteilung und Übersicht optimiert werden, da der Schlepper mit einer Rückfahreinrichtung ausgestattet war, der den dauerhaften Betrieb der Maschine im Heckanbau ermöglichte.

Die von der Firma Felde (Remscheid) produzierten Sägeblätter waren mit Hartmetallzähnen bestückt, die, einzeln austauschbar, mit Hilfe eine Spezialmaschine in eingebautem Zustand nachgeschärft werden konnten. Im Einsatz gebrochene Zähne konnten schnell und unkompliziert ersetzt werden.

Die Übertragung der Drehmomente zum Antrieb der beiden Häckselrotoren erfolgte nun über ein Y-Getriebe (120°) mittels Gelenkwellen und Winkelgetrieben. Zur Kühlung der Getriebekomponenten wurde ein Lüfterflügel eingebaut, der später durch einen Elektrolüfter ersetzt wurde.

Die Konstruktion der Fangstellage wurde nochmals an die Erfordernisse der Sekundärvegetation angepasst. Hierzu waren über einen Zeitraum von drei Wochen die Techniker der Abteilung Agrartechnik in Brasilien im Einsatz, haben Messgeräte installiert, Anpassungen und Veränderungen vorgenommen, Schäden am Material aus vorangegangenen Einsätzen repariert und der Maschine den "letzten Schliff" für die nächsten Testeinsätze gegeben.



Die relativ aufwändige Messtechnik zur digitalen Datenaufzeichnung (Online-Kraftstoff-Messung (Vorlauf und Rücklauf), Fahrgeschwindigkeit, Fahrtrichtung, Zeitcodierung, Arbeitsphase, Drehmoment an der Zapfwelle, Drehzahl an der Zapfwelle, Leistung an der Zapfwelle) hat unserem Messtechniker, Herrn Siegfried Opolka ein hohes Maß an Vorausplanung und Programmierarbeit abverlangt. Alle Messgeräte und -sensoren mussten in Deutschland für den Einbau vorbereitet werden. Der Einbau erfolgte dann "unter Feldbedingungen" in der Feldstation des Projekts.

Die Annahme des abgesägten Materials, die Zerkleinerung und Flächenleistung konnte mit dieser Maschine, auch aufgrund des geänderten Getriebekonzepts, erheblich gesteigert werden.



Die Materialverteilung über der Feldoberfläche war hinreichend homogen, so dass eine praktisch vollständige Bedeckung des Bodens erreicht werden konnte, sofern ausreichend Biomasse aufgewachsen war.

Das hohe Maß an Interesse aus Wissenschaft und Praxis hat zum Einen natürlich wesentlich zur Verbreitung der Ergebnisse der Arbeiten beigetragen, zum Anderen war der Terminkalender doch stark durch Vorführungen und Präsentationen bestimmt.

Funk und Fernsehen hat starkes Interesse am Projektkonzept und der maschinellen und ökologisch sinnvollen Flächenvorbereitung ohne Einsatz von Feuer gezeigt. Brasiliens Sendeanstalt "Globo" hat dem Projekt und der Maschine eine Sendeplatz gewidmet. Unter anderem diesem Umstand ist es zu verdanken, dass die Firma Schmidt Maschinenbau GmbH in Uchte auf die Abteilung Agrartechnik aufmerksam geworden ist, und sich daraus nun eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit entwickeln konnte.


Das Projekt „SHIFT Capoeira“ und damit die aktive Beteiligung der Abteilung Agrartechnik am Projekt endete im Herbst 2002.

Zu dieser Zeit zeichnete sich im heimischen Deutschland im Bereich der Landschaftspflege ein steigender Bedarf an effektiver Technik zur Beseitigung von Verbuschungen auf schützens- und erhaltenswerten Offenflächen ab. Der Verpflichtung Verbuschungen auf diesen Flächen zu beseitigen, kann nur mit großen Aufwendungen nachgekommen werden, da keine geeignete Technik verfügbar ist, mit der die Räumung von Gehölzaufwuchs kostengünstig zu erledigen ist.