III. Die Ägyptologie während der nationalsozialistischen Diktatur
Die Auswirkungen der 200-Jahr-Feier der Göttinger Universität (1937) auf die Ägyptologie
Von den Feierlichkeiten zum 200jährigen Jubiläum der Georgia Augusta im Sommersemester 1937 ist auch die Ägyptologie betroffen. Es sollte eigentlich ein Plan umgesetzt werden, der bereits seit einigen Jahren im Schwange war: Die Umsiedelung des Pelizaeus-Museums von Hildesheim nach Göttingen. Als Hermann Kees 1934 einen Ruf nach Leipzig ablehnt, wird dies zum Thema in den Bleibeverhandlungen:„Bereits seit dem Jahre 1934 ist vertraulich der Plan erwogen worden, das Pelizaeusmuseum von Hildesheim loszulösen und nach Göttingen zu übertragen, um die Hildesheimer Städtischen Kunstsammlungen in einer der Stadt Hildesheim angemessenen Richtung auszubauen.” (Brief des Rektors Friedrich Neumann an den zuständigen Minister vom 14.7.1935)
Diese Überführung wurde jedoch weder zum Universitätsjubiläum noch zu einem späteren Zeitpunkt vollzogen. Dennoch belegen einige Briefe aus dem Zeitraum zwischen 1934 und 1937 diese Pläne:
„[...] Daß die Sache mit dem Pelizaeusmuseum nicht vorwärts geht, ist ärgerlich, ebenso daß Hartmann Dir wegberufen wird.”
(Brief von Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing an Hermann Kees vom 7.4.1936)
Über ein Jahr später, nach dem Jubiläum, wird in Gedanken erwogen, die Hannoveraner Sammlung nach Göttingen zu bringen:
„[...] Ich möchte Dich heute auf eine vielleicht auszunützende Gelegenheit hinweisen. Küthmann, der Direktor des Kestnermuseums in Hannover, hat weil mit einer Jüdin verheiratet, sein Amt niederlegen müssen. Für Hannover ein schwerer Verlust, insbesondere aber für die dortige ägyptische Abteilung, die ja zum grossen Teil noch nicht geordnet ist, vielleicht nicht einmal inventarisiert. Was wird aus ihr werden? Im Grunde sind ja die Antiken im Kestnermuseum ein Fremdkörper. Sollte sich da nicht die Gelegenheit bieten, wenn der neue Direktor dem Museum etwa eine ganz andere Richtung giebt, die Ägyptiaca, nicht nur meine Sammlung, und vielleicht sogar die Antiken, nach Göttingen zu holen? Dann hätte Göttingen mit einem Schlag eine ausgezeichnete ägyptische Sammlung, viele Stelen, Bronzen, Faiencen usw. Und fast alles unveröffentlicht. Du solltest jedenfalls der Sache einmal nachgehen. [...]”
(Brief von Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing an Hermann Kees vom 21.8.1937)
Zum Festakt der 200-Jahr-Feier waren auch eine Reihe in- und ausländischer Kollegen und Institutionen eingeladen, wie z. B. Hermann Grapow, der Ordinarius für Ägyptologie an der Universität Berlin. Auf die Einladung erwidert er:
„ Lieber Kees!
Vielen Dank für Ihre Karte. Ich komme also zum 25. nach Göttingen, zwar ohne Frack, den ich nicht besitze, aber mit Talar für die beiden Feiern und im Übrigen einfach, aber reinlich gekleidet, wie es so schön heißt. [...]” (Brief von Hermann Grapow an Hermann Kees vom 8.6.1937)
Und Hermann Junker, Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo, sagt die Teilnahme von Ahmed Lufti el-Sayed, dem Direktor der Universität Kairo, zu:
„Unser Vertreter bei der Feier wird der Rektor der Universität selbst, Loutfi el-Sayed pacha, sein. Wenn Sie ihm bei seiner Anwesenheit in Göttingen guten Tag und einige nette Worte sagen, so wird er sich besonders freuen.” (Brief von Hermann Junker an Hermann Kees vom 7.6.1937)
Hermann Junker (1877-1962) aus: ZÄS 82
(1958), gegenüber S. VI – mit freundlicher Geneh-
migung des Verlages
Interessant ist die Korrespondenz mit Norman de Garis Davies, der eine Einladung zum Universitätsjubiläum zunächst positiv bescheidet:
„I have been thinking of taking a holiday for once, and the idea of visiting Göttingen for the Centenary of the University in June has appeared to me as a very pleasant one. [...]”
(„Ich habe darüber nachgedacht, ausnahmsweise Urlaub zu nehmen, und die Idee, Göttingen für die Jubiläumsfeier der Universität im Juni zu besuchen, erscheint mir sehr angenehm. [...]”)
(Brief von Norman de Garis Davies an Hermann Kees vom 24.5.1937)
Ganz kurz vor der Feier sagte Davies jedoch wegen Arbeitsüberlastung ab. Bereits die Instrumentalisierung der 550-Jahr-Feier der Heidelberger Universität 1936 durch den Nationalsozialismus hatte zu Unmut in der internationalen Wissenschaft geführt. Es wäre interessant, der Frage nachzugehen, ob der Rückzieher Davies' nicht auch politische Gründe gehabt haben mag.