Wege aus dem Klischee - Juristen reden Klartext
Ein Bericht über den Workshop "Genre-Schreiben" vom 11. Juni 2004

Woran erkennt man einen Juristen? Man stelle ihm eine Frage beliebigen Inhalts. Er wird sich mit seiner Antwort verraten: Sie kommt sofort, ist präzise, goldrichtig und - leider völlig unbrauchbar.

Dieser Witz wird gerne erzählt (hier in verkürzter Fassung als Scherzfrage), und er beschreibt das ewige Dilemma der Rechtswissenschaftler: Nach dem Studium finden sie sich im Beruf zwischen lauter juristischen Laien wieder. Man erwartet von ihnen einfache Antworten auf schwierige Fragen. Dabei würden sie sich gerne ihrer eigenen Sprache, dem sog. Juristen-Deutsch, bedienen, da dieser Dialekt die größtmögliche Präzision zur Formulierung komplizierter juristischer Sachverhalte besitzt. Die Krux besteht nun darin, dass die große Präzision des Juristen-Deutsch leider eine ziemliche Unverständlichkeit für den Laien mit sich bringt. Da aber der Laie in vielen Fällen auch der Brötchengeber ist, muss sich der Jurist an folgender Fähigkeit üben: Klartext reden!

Um eben dieses Sahnehäubchen der juristischen Qualifikation ging es im Rahmen des Workshops "Genre-Schreiben - Juristen im Beruf", organisiert und betreut von Frau Prof. Langenfeld und ihren Lehrstuhlmitarbeitern.

Im Witz steckt oft die Wahrheit. Der oben resümierte Klassiker unter den Juristen-Witzen wurde deshalb bereits zu Beginn von Referent Klaus Klein, Geschäftsführer des Sparkassen und Giroverbandes des Saarlandes, wortreich zum Besten gegeben und damit das Problem auf den Punkt gebracht: Juristen fällt es schwer, sich einfach auszudrücken. Den Workshop-Teilnehmern eine verständliche Ausdrucksweise nahe zu bringen, war das Ziel der von Frau Prof. Langenfeld eingeladenen Referenten, die allesamt reichlich Erfahrung aus ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern mitbrachten. Als Referenten angereist waren Klaus Klein und Georg Rohleder (Geschäftsführer bzw. Syndikus des Sparkassen und Giroverbandes des Saarlandes), Dr. Marcel Kaufmann (RA bei Freshfield Bruckhaus Dehringer in Berlin), Margret Suckale (Leiterin der Abteilung "Stäbe und Recht" der Deutschen Bahn) und Jörg Schmidt (Leiter der Abteilung "Öffentliches Wirtschaftsrecht" der Deutschen Bahn) sowie Dr. Reinhard Müller (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Den Referenten gelang es, mithilfe von Problemstellungen aus der Praxis, für die Teilnehmer des Workshops eine realistische Situation aus dem beruflichen Alltag eines Juristen zu simulieren. Dabei ging es meist um die Beantwortung relativ komplexer juristischer Fragen unter einem gewissen Zeitdruck. Es handelte sich z.B. um Anfragen des Vorstandes oder eines Mandanten, um die Aufforderung zur Stellungnahme zu einem Gesetzesentwurf sowie um die "Übersetzung" eines BGH-Urteils in die Form eines Zeitungsartikels. Für die meisten Teilnehmer stellten sowohl die Aufgabenstellung als auch das betreffende Rechtsgebiet relatives Neuland dar und sorgten - gepaart mit dem praxisnahen Zeitdruck - für durchweg gute Beschäftigung.In Vierer-Gruppen eingeteilt lieferten die insgesamt 16 Teilnehmer im Anschluss an die Vorträge der Referenten kurze schriftliche Stellungnahmen zur jeweils gestellten Aufgabe ab. In der anschließenden Diskussion äußerten sich die Referenten durchweg positiv über die erbrachten Leistungen und gaben den Teilnehmern noch einige Tipps mit auf den Weg:

Referentin Magret Suckale von der Deutschen Bahn betonte, dass die Firmenvorstände in der Regel keine langen wissenschaftlichen Arbeiten, sondern kurze und ergebnisorientierte Stellungnahmen erwarteten, aus denen sich die weiteren Handlungsalternativen klar ergeben müssten. Die von ihr gestellte Aufgabe drehte sich um die Gebührenerhebung des Bundesgrenzschutzes für die in Zügen und Bahnhöfen erbrachten Leistungen. Bei der Empfehlung zur möglichen Klageerhebung seien wirtschaftliche Aspekte genauso zu berücksichtigen wie eventuelle negative Auswirkungen auf das öffentliche Bild des jeweiligen Unternehmens.

Priv.-Doz. Dr. Marcel Kaufmann von Freshfields Bruckhaus Deringer machte deutlich, dass es in einem Mandantenschreiben in erster Linie darum gehe, das rechtliche und wirtschaftliche Hauptanliegen des Mandanten zu erfassen und eine klare Stellungnahme abzugeben. Gerade unter großem Zeitdruck stelle die Gratwanderung zwischen einer möglichst umfassenden Rechtsberatung und der haftungsrechtlichen Absicherung eine große Herausforderung für den Anwalt dar. Problemstellung: Die von einem Mandanten geplante Übernahme einer Sparkasse stand aufgrund eines Gesetzesentwurfs der Landesregierung plötzlich auf der Kippe.

Ebenfalls um die Sparkassen-Privatisierung drehte sich der Fall von Klaus Klein und Georg Rohleder vom saarländischen Sparkassen- und Giroverband. Unter Berücksichtung der Folgen einer möglichen Privatisierung für das gesamte Sparkassensystem war auf einen entsprechenden Arbeitsentwurf zur Änderung des Sparkassengesetzes vom Landesminister zu reagieren.

Schließlich förderte Dr. Reinhard Müller von der FAZ das journalistische Gespür der Teilnehmer zu Tage, indem er eine Pressemitteilung des BGH in einen Zeitungsartikel umwandeln ließ.

Ein arbeitsreicher Tag, kulinarisch untermalt vom gemeinsamen Essen im Restaurant "Rialto", endete für alle Beteiligten äußerst zufrieden stellend und erkenntnisreich, wobei die von den Köpfen der Teilnehmer aufgestiegenen Rauchschwaden noch immer den großen Seminarraum der SUB vernebeln dürften.

Jannis Müller-Rüster
Seitenanfang
Zurück zur Ausgangsseite
Zurück zur Startseite