Erfolgreicher Abschluss des Praxisprojekts in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
Warum verbringen Ärztinnen, Ärzte und Medizinische Fachangestellte (MFAs) so viel Zeit mit Bürokratie - und was lässt sich dagegen tun? Diese scheinbar einfache Frage berührt einen zentralen Nerv unseres Gesundheitssystems. Denn während Patientinnen und Patienten medizinische Versorgung erwarten, sehen sich die Leistungserbringenden zunehmend mit administrativen Aufgaben konfrontiert, die wertvolle Zeit und Energie binden.
Im Rahmen des Praxisprojekts der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat sich ein Team aus fünf Studierenden dieser Problematik angenommen. In Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) führten sie über drei Monate hinweg Gespräche mit Ärztinnen, Ärzten und MFAs – mit dem Ziel, praxisnahe Lösungen zu identifizieren, die den bürokratischen Aufwand reduzieren können. Der besondere Wert dieses Projekts liegt dabei im unmittelbaren Praxisbezug: Nicht Theorien standen im Vordergrund, sondern die Erfahrungen und Perspektiven derjenigen, die den Alltag im Gesundheitswesen gestalten.
Drei zentrale Erkenntnisse kristallisierten sich aus der Arbeit des Projektteams heraus – drei Hebel, an denen Veränderungen ansetzen könnten:
1. Die Vereinfachung und Standardisierung von Formularen.
Die Vielfalt an Formularen im Gesundheitssystem ist nicht nur eine Frage der Menge, sondern auch der Qualität. Uneinheitliche Strukturen, unklare Formulierungen und redundante Abfragen führen zu Missverständnissen und Zeitverlust. Hier könnte bereits eine konsequente Standardisierung mit verständlicher Sprache und klarer Struktur spürbare Entlastung schaffen.
2. Eine Digitalisierung, die den Arbeitsalltag wirklich erleichtert.
Obwohl seit Jahren von der Digitalisierung des Gesundheitswesens gesprochen wird, zeigt sich in der Praxis häufig ein anderes Bild: Ausdrucke, Scans und analoge Zwischenschritte bestimmen vielerorts weiterhin die Abläufe. Was fehlt, sind durchgängige digitale Prozesse, verlässliche Schnittstellen und zentral verfügbare Daten – also eine Infrastruktur, die nicht neue Hürden aufbaut, sondern bestehende abbaut.
3. Der pragmatische Umgang mit Bagatellbeträgen.
Besonders eindrücklich zeigte sich im Projekt ein weiterer Aspekt: Selbst minimale Rückforderungen – im Bereich weniger Euro – werden derzeit mit erheblichem Aufwand geprüft. Dies kostet nicht nur Zeit, sondern bindet Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt wären. Eine Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze könnte hier eine pragmatische Lösung darstellen, ohne dass die gebotene Kontrolle verloren ginge.
Was bleibt, ist eine klare Erkenntnis: Bürokratieabbau im Gesundheitswesen ist möglich – wenn man zuhört. Wenn man nicht über, sondern mit den Menschen spricht, die täglich mit den Folgen leben. Das Praxisprojekt hat gezeigt, wie wertvoll dieser Austausch ist – und dass Studierende in der Lage sind, nicht nur zu analysieren, sondern auch konstruktiv zur Lösung realer Probleme beizutragen.
Ein besonderer Dank gilt Dr. Philip Degener und Jan Luca Klenke (KVN) sowie allen Ärztinnen, Ärzten und MFAs, die durch ihre Offenheit und Unterstützung den Erfolg dieses Projekts ermöglicht haben.