Forschung in der Historischen Sternwarte
Die Sternwarte an der Geismarlandstraße wurde 1803 bis 1816 als bis heute einzige staatliche (früher königliche) Sternwarte in Niedersachsen beziehungsweise dem früheren Königreich Hannover errichtet. Sie war – damals mit freier Sicht vor den Toren Göttingens gelegen – als modernes Institut mit Freiraum für Forschung angelegt. Carl Friedrich Gauß (1777 bis 1855) als erster Direktor der „neuen“ Sternwarte nahm starken Einfluss auf ihre Ausstattung.
Von besonderer Bedeutung waren dabei die beiden Meridiansäle. Dort ließ Gauß in den Jahren 1818 (östlicher Saal) und 1819 (westlicher Saal) Meridiankreise aufstellen, um Sternkoordinaten zu bestimmen und damit unter anderem auch zu einer exakten Orts- und Zeitmessung zu gelangen. Die beiden Meridiankreise von Repsold und Reichenbach waren bis in das 20. Jahrhundert hinein die Hauptinstrumente für die winkelmessende Astronomie. Bereits in der Planung des Gebäudes waren für diese Forschungen Öffnungen im Mauerwerk in exakter Nord-Süd-Ausrichtung, die sogenannten Meridianschlitze, vorgesehen worden.
Nach dem Tod von Gauß wurden zunächst Wilhelm Weber und Peter Lejeune-Dirichlet kommissarische Leiter der Sternwarte; beide betrieben jedoch keine Astronomie. Nach dem Tod von Dirichlet übernahm 1859 Gauß’ früherer Assistent Wilhelm Klinkerfues neben Weber die Leitung der Sternwarte.
Im Jahre 1868 erfolgte eine Teilung der astronomischen und erdmagnetischen Forschungseinrichtungen in eine theoretische und eine praktische Abteilung, von denen erstere von Ernst Schering geleitet wurde und 1898 als „Institut für Geophysik“ auf den Göttinger Hainberg zog. Letztere wurde nach Klinkerfues’ Tod von Wilhem Schur geleitet; mit der Berufung von Karl Schwarzschild 1901 begann eine Phase weltweiter Spitzenforschung im Bereich der Astrophysik in der Sternwarte. Spätere Direktoren der Sternwarte waren Johannes Hartmann, Hans Kienle, Paul ten Bruggencate, Hans-Heinrich Voigt, Rudolf Kippenhahn, Klaus Fricke, Klaus Beuermann und schließlich Stefan Dreizler. Im Jahr 2005 ist die Astrophysik in den Neubau der Fakultät für Physik auf dem naturwissenschaftlichen Campus umgezogen.
Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten nach historischen Vorbild und der Instandsetzung der Kuppel ist die historische Universitäts-Sternwarte heute unter anderem Sitz des Lichtenberg-Kollegs. Wie der Gelehrte Gauß und seine Nachfolger erhalten nun die Fellows und Assoziierten des Lichtenberg-Kollegs hier den Freiraum für konzentriertes Forschen, einen intensiven wissenschaftlichen Austausch sowie für fachliche und fächerübergreifende Kooperationen in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften.