Forschungsprofil des Kollegs
Im Mittelpunkt des Graduiertenkollegs „Literatur und Literaturvermittlung im Zeitalter der Digitalisierung“ steht ein Themenfeld, das so vielfältig wie hochaktuell und kulturell relevant ist: Die ‚digitale Revolution‘ hat zu erheblichen Umbrüchen in unserer Kultur geführt, und dieser Prozess ist noch längst nicht abgeschlossen. Er betrifft auch die Literatur und den Literaturbetrieb in allen seinen Bereichen. Die digitalen Medien absorbieren andere Medien nicht einfach, sondern verändern das Selbstverständnis und die Praxis auch jener Medien, die neben ihnen bestehen bleiben – und vor allem verändern sie das Selbstverständnis und die Praxis der Literatur, die bislang in erster Linie als Buchmedium verstanden und betrieben wurde. Im Kolleg sollen die spannungsvollen Beziehungen zwischen den neuen Medien und der Produktion, Vermittlung und Rezeption von Literatur erforscht werden. Die Projekte beschäftigen sich insbesondere mit den thematischen, ästhetischen und ökonomischen Veränderungen im Zuge der Digitalisierung, die sowohl die literarischen Texte als auch die Akteure und Institutionen des Literaturbetriebs von den 1980er Jahren bis heute betreffen.
Mit ‚Digitalisierung‘ sind zwei Prozesse unterschiedlicher Reichweite gemeint: Im engeren Sinn bezieht sich der Begriff auf Prozesse des Umwandelns analoger Medienformate in digitale. Im weiteren Sinn fasst er die vielfältigen Prozesse der Verbreitung digitaler Formate in der heutigen Kultur zusammen, und in diesem weiten Sinn dient ‚Digitalisierung‘ als Leitbegriff des Kollegs. Das ‚Zeitalter der Digitalisierung‘ bildet den Untersuchungszeitraum der Dissertationsprojekte unter einer literarhistorischen Perspektive: Erforscht werden sollen Texte, Akteure und Institutionen des Literaturbetriebs seit den 1980er Jahren bis heute, also in einem Zeitraum, in dem digitale Datenformate eine zunehmend dominierende Rolle spielen. Zudem ist mit ‚Digitalisierung‘ ein thematisches Feld benannt, dem sich ein großer Teil der Dissertationen widmen wird: In diesem Sinne geht es darum, die Einflüsse neuer Medienformate und digitaler Kommunikationswege auf die Literatur und Literaturvermittlung der letzten 30 Jahre zu erforschen und dabei auch nach den literaturtheoretischen und methodischen Konsequenzen zu fragen.
Der Begriff ‚Literaturvermittlung’ spielt im Kolleg ebenfalls in einem engen und einem (titelgebenden) weiten Sinn eine wichtige Rolle: In der engen Auffassung zählen dazu alle Instanzen, die dafür sorgen, dass literarische Werke den Lesern material zugänglich gemacht werden, z.B. Verlage mit ihren verschiedenen Akteursgruppen, Buchhandel, Bibliotheken und Archive. In einer weiten Auffassung zählen auch literaturverarbeitende Instanzen dazu, insofern sie eine Vermittlungsleistung erbringen, z.B. Theater und Museen, Literaturkritik und Literaturwissenschaft. Da im Kolleg die Disziplinen Amerikanistik, Anglistik, Germanistik, Komparatistik, Romanistik und Skandinavistik eng zusammenarbeiten werden, bietet es den Rahmen, neben den Literaturen auch Produktionsorte, Verlagspolitik, Vertrieb, Herstellung und Marketing in verschiedenen Ländern vergleichend zu untersuchen. Um diese Bereiche fundiert bearbeiten zu können, hat das Kolleg darüber hinaus mit den assoziierten Wissenschaftlern juristische und wirtschaftswissenschaftliche Fachkompetenz und über das Gastwissenschaftler-Programm weitere medienwissenschaftliche Kompetenz gewinnen können.
Methodisch ist das Kolleg an der Schnittstelle von philologischer Forschung, Literatursoziologie und Medienwissenschaft sowie von Text- und Rezeptionsforschung positioniert. Die Projekte werden je nach Themenstellung historisch-hermeneutische und quantitative sowie qualitative empirische Verfahrensweisen miteinander kombinieren. Es vereint Projekte, in denen Texte analysiert und interpretiert oder auch inhaltsanalytisch ausgewertet werden, mit Vorhaben, die mit Interviews arbeiten, statistische Erhebungen durchführen oder mit Verfahren der Digital Humanities umfangreichere Textkorpora bearbeiten.
Das breite und besonders dynamische Forschungsfeld lässt sich der Übersichtlichkeit halber in drei Forschungsfelder unterteilen: Produktion / Autorschaft, Vermittlung und Rezeption. In jedem dieser Felder eröffnet sich eine Fülle lohnender Fragestellungen; von besonderem Interesse für das Graduiertenkolleg sind aber auch die verbindenden, Felder übergreifenden Perspektiven.