Macedonian Frescos 360 (Masco)
Die beeindruckenden Fresken der zahlreichen Kirchen Mazedoniens sind in ihrer Größe und Qualität vergleichbar mit denen Griechenlands. Sie bieten eine hervorragende Grundlage, um die liturgischen Abläufe, die religiösen Vorstellungen, die künstlerischen Verbindungen und die damit verbundenen politischen Implikationen des späten Mittelalters zu erforschen. Dieses Potenzial geht aber zunehmend verloren. Aus mangelndem Verantwortungsbewusstsein der orthodoxen mazedonischen Kirche werden die Gotteshäuser nicht hinreichend gepflegt und instand gehalten und auf den nationalen Listen der erhaltungswürdigen Monumente haben sie eine zu geringe Priorität. Wird aber eine Kirche restauriert, verwendet man häufig Materialen, die nicht den mittelalterlichen Verhältnissen entsprechen und so ein wenig authentisches Ergebnis präsentieren - all diese Faktoren führen zu einer ernstzunehmenden und drängenden Gefährdung des mazedonischen Kulturgutes.
Hier setzt das an der Schnittstelle von Christlicher Archäologie, Informatik und Tourismus angesiedelte Projekt an, das zwei der mazedonischen Kirchen in ihrem jetzigen Zustand für die Nachwelt festhalten und einen neuen Forschungszugang ermöglichen möchte.
Das Gotteshaus in Staro Nagorichino befindet sich im Norden Mazedoniens und weist einen der größten Freskenzyklen des Landes auf. Es handelt sich um eine Kreuzkuppelkirche des 14. Jhs., die auf den alten, bis zu 5 m hohen Mauerresten eines Gebäudes aus dem 11. Jh. erbaut worden ist. Eine Inschrift über der Eingangstür im Westen schreibt den späteren Bau Stefan Uros II. Milutin (1282-1321) zu. Die Fresken, welche laut einer epigraphischen Angabe 1317/18 beendet worden sind, stammen von den einflussreichen und von anderen Künstlern kopierten Malern Michael Astrapas und Eutychius und gelten als Höhepunkt ihrer Arbeit. An der Westwand befindet sich eine spezielle und selten vorkommende Form der Entschlafung Mariens, die mehrere Ereignisse in einem Bild miteinander vereint. König Milutin reiht sich ohne Weiteres unter die erfolgreichen Herrscher der Nemanjiden (1167-1371) ein, der wohl bedeutendsten serbischen Dynastie, entstanden unter Stefan Nemanjas (1167-1196). Letzterer hatte die Anerkennung der Unabhängigkeit Serbiens von Seiten des Byzantinischen Reichs durchgesetzt. Auch die Gründung der serbisch-orthodoxen Kirche geht auf die Nemanjiden-Dynastie zurück, weshalb sich in den Malereien der Gotteshäuser sowohl die religiösen als auch die politischen Sichtweisen widerspiegeln. Ein überaus spannender Aspekt der Erforschung ist demnach die Erfassung des Bildprogramms in seinem historischen und politischen Kontext und in der zur Schau gestellten Interaktion, aber auch die Beeinflussung des Bildprogramms durch die Architektur und vice versa.
Was die Kirche des heiligen Georg in Kurbinovo im Südwesten Mazedoniens angeht, so steht sie für ein unvergleichliches Zeugnis der byzantinischen Epoche und ist eine der größten einschiffigen Kirchen des Landes. Laut einer Inschrift im Inneren des Gotteshauses datieren ihre Fresken auf das Jahr 1191 während der Regentschaft von Isaak II. Angelus, der Name des Stifters ist allerdings nicht bekannt. Der Bau weist einige ungewöhnliche architektonische Charakteristika auf wie der Verzicht auf einen für liturgische Gebäude typischen ausgebauten Altarbereich oder die angebrachte Bemalung an der Fassade, die den Eindruck von der Verwendung von großen Steinblöcken erwecken sollte. Es handelt sich hier ebenfalls um ein Musterbeispiel für die Anpassung eines für Kuppelkirchen entworfenen Bildprogramms an einen einschiffigen ungewölbten Kirchenraum, das heißt, die für eine Kuppel gebräuchlichen Szenen mussten in das ikonographische Programm der Wände integriert werden. Eine Darstellung in der Apsis - Christus auf dem Altar, bereit zur Opferung - erscheint dort zum ersten Mal in der byzantinischen Kunst und trägt somit zur Entwicklung der Szenenvielfalt bei. Es ist ein Konservierungsprojekt für die Kirche in Kurbinovo geplant, was die Herausnahme der alten Ikonostase und den Einbau einer neuen mit sich bringt. Dieser Umstand soll genutzt werden, um das Gotteshaus ohne eben genanntes bauliches Element photographisch zu dokumentieren.
In Ermangelung an Bildmaterial in ausreichend guter Qualität und somit auch eines räumlichen Gesamteindrucks des Bildprogramms, wollen wir einen virtuellen Rundgang durch den Innenraum der Kirche in Staro Nagorichino ermöglichen. Dazu möchten wir 360°-Panoramen erstellen und in einer webfähigen Anwendung verbinden. Weiterhin sollen eingearbeitete Textboxen Informationen zur Architektur und den Fresken liefern. Somit dient die digitale Visualisierung nicht nur der Konservierung und Präsentation wichtigen Kulturgutes, sondern veranschaulicht auch das Verhältnis und den Bezug zwischen dem zweidimensionalen Medium der Wandmalerei und dem dreidimensionalen Raum. Vom Gotteshaus in Kurbinovo wird lediglich eine photographische Dokumentation vorgenommen, da ein virtueller Rundgang mittels 360°-Panoramen bei dieser einschiffigen Kirche ohne Säulen keinen Sinn ergäbe. Der Innenraum und das Verhältnis der Fresken zueinander kann durch normale Photographien erschlossen werden.
Die Umsetzung des hier aufgeführten Projekts ist uns ein großes Anliegen, da wir mit Leidenschaft und außerordentlichem Interesse das Fach der Christlichen Archäologie und Byzantinischen Kunstgeschichte studieren. Es fehlen die finanziellen Mittel, um die gefährdeten Denkmäler Mazedoniens zu konservieren, vor allem um ihre Fresken zu erhalten. So sind bereits ein Teil der Malereien in der Kirche der Gottesmutter Peribleptos in Ohrid verschwunden - nur um ein weiteres von vielen Beispielen zu nennen. Deshalb möchten wir zumindest durch die Dokumentation des Ist-Zustands eine Momentaufnahme der Kirchen des heiligen Georg in Staro Nagorichino und Kurbinovo hinterlassen, die zum einen eine wesentliche Voraussetzung für die Konservierung schaffen und zum anderen nachfolgenden Generationen von Wissenschaftlern für ihre Forschungen dienlich sein kann. Das Endergebnis dieses Projektes soll auf Mazedonien als Land mit einer Fülle an unbedingt erhaltenswertem Kulturgut hinweisen, denn es umfasst unter anderem Gotteshäuser, die jenen in anderen Teilen des Byzantinischen Reichs in nichts nachstehen. Wir hoffen, dass wir durch die geplanten Panoramen die mazedonischen Denkmäler ganz im Sinne der Makedonida mehr in den Fokus der Forschung rücken können, die bislang aus unerklärlichen Gründen viel zu sehr vernachlässigt worden sind. Im Falle einer nicht baldig erfolgenden Konservierung der der beiden Gotteshäuser könnte unsere photographische Dokumentation ein Zeugnis von unschätzbarem Wert sein, welches aus den vergangenen Tagen Mazedoniens von der Herrschaft der byzantinischen Kaiser und serbischen Könige erzählt - ein historischer Teil des Landes, der auf keinen Fall verloren gehen darf.
Förderer: "Kreativität im Studium" der Georg-August-Universität Göttingen und AKB-Stiftung der Familie Carl-Ernst-Büchting
Projektdauer: April 2016 - September 2017
Ein studentisches Projekt von: Sait Can Kutsal und Tiffany Ziegler, M.A. (tiffany.ziegler@gmx.de)
Kurzer Projektüberblick:
Impressionen:
Interview mit Pance Velkov:
Georgskirche in Staro Nagorichino
Georgskirche in Kurbinovo