Presseinformation: Eine nahe, glühend heiße Super-Erde

Nr. 30 - 05.03.2021

Forschungsteam mit Göttinger Beteiligung will Atmosphären-Modelle des Gesteinsplaneten überprüfen


(pug) In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten haben Astronominnen und Astronomen Tausende von Exoplaneten aus Gas, Eis und Gestein entdeckt. Nur wenige von ihnen sind erdähnlich. Ihre Atmosphären mit den derzeit verfügbaren Instrumenten zu erforschen, ist eine große Herausforderung. Das CARMENES-Konsortium mit Beteiligung der Universität Göttingen hat nun eine heiße Super-Erde entdeckt, die den nahen roten Zwergstern Gliese 486 umkreist. Trotz seiner geringen Entfernung vom Mutterstern hat der Planet – Gliese 486b – möglicherweise einen Teil seiner ursprünglichen Atmosphäre behalten. Daher ist er hervorragend geeignet, um seine Atmosphäre und sein Inneres mit der kommenden Generation  von Teleskopen am Boden und im Weltraum zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Science erschienen.

 

Planetenatmosphären müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um sie mit Observatorien der kommenden Generation zu beobachten. In einer Entfernung von nur 26 Lichtjahren haben die Forscherinnen und Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg nun einen Planeten gefunden, der den roten Zwergstern Gliese 486 umkreist und diese Anforderungen an Gesteinsplaneten perfekt erfüllt. Der neu entdeckte Planet ist eine sogenannte Super-Erde mit einer Masse, die 2,8-mal so groß ist wie die unseres Heimatplaneten. Er ist außerdem 30 Prozent größer als die Erde. „Die Nähe dieses Exoplaneten ist spannend, weil wir ihn mit leistungsstarken Teleskopen wie dem kommenden James Webb Space Telescope und den verschiedenen Extremely Large Telescopes genauer untersuchen können“, erklärt Hauptautor Dr. Trifon Trifonov vom Max-Planck-Institut für Astronomie. Berechnet man aus den ermittelten Massen und Radien die mittlere Dichte des Planeten, so zeigt sich, dass er eine ähnliche Zusammensetzung wie Venus und die Erde hat, einschließlich eines metallischen Kerns. Jeder, der auf Gliese 486b steht, würde eine Anziehungskraft spüren, die 70 Prozent stärker ist als die, die wir auf unserer Heimatwelt erfahren. 

 

Gliese 486b umkreist seinen Zwergstern auf einer Kreisbahn innerhalb von 1,5 Tagen und in einem Abstand von 2,5 Millionen Kilometern. Eine Drehung um die eigene Achse dauert genauso lange, so dass eine Seite immer dem Stern zugewandt ist. Obwohl der Stern Gliese 486 viel lichtschwächer und kühler als die Sonne ist, ist die Einstrahlung so intensiv, dass sich die Oberfläche des Planeten auf mindestens 700 Kelvin, also circa 430 Grad Celsius, aufheizt. In diesem Sinne ähnelt die Oberfläche von Gliese 486b wahrscheinlich eher der Venus als der Erde, mit einer heißen und trockenen Landschaft, die von glühenden Lavaströmen durchzogen ist. Im Gegensatz zur Venus hat Gliese 486b aber möglicherweise nur eine dünne Atmosphäre, wenn überhaupt. Modellrechnungen könnten mit beiden Szenarien übereinstimmen, da die Einstrahlung von Sternen dazu führen kann, dass Atmosphären verdampfen. Gleichzeitig trägt die Schwerkraft des Planeten dazu bei, dass sie erhalten bleibt.

 

Das Projekt CARMENES (Calar Alto high-Resolution search for M dwarfs with Exoearths with Near-infrared and optical Échelle Spectrographs) beobachtet seit 2016 regelmäßig mehr als 300 Sterne, um deren Planeten aufzuspüren. Die wissenschaftliche Leitung des Konsortiums teilen sich das Institut für Astrophysik der Universität Göttingen und das Institut de Ciències de l'Espai in Barcelona. „Die Daten vom Instrument werden am Institut für Astrophysik aufbereitet und mithilfe von Software analysiert, die an unserem Institut entwickelt wurde“, sagt  Ko-Autor Prof. Dr. Ansgar Reiners. Seit 2017 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft eine Forschungsgruppe zur wissenschaftlichen Analyse der CARMENES-Daten, deren Sprecherinstitut das Göttinger Institut für Astrophysik ist.

 

Originalveröffentlichung: T. Trifonov, J. A. Caballero, J. C. Morales et al. A nearby transiting rocky exoplanet that is suitable for atmospheric  investigation. Science (2021). Doi: https://science.sciencemag.org/lookup/doi/10.1126/science.abd7645

 

Kontakt:

Prof. Dr. Ansgar Reiners

Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Astrophysik

Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 39 28530

E-Mail: Ansgar.Reiners@phys.uni-goettingen.de

 

Prof. Dr. Stefan Dreizler

Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Astrophysik

Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 39 25041

E-Mail: dreizler@astro.physik.uni-goettingen.de

 

Dr. Mathias Zechmeister

Georg-August-Universität Göttingen

Institut für Astrophysik

Friedrich-Hund-Platz 1, 37077 Göttingen

Telefon: 0551 39 29988

E-Mail: zechmeister@astro.physik.uni-goettingen.de