Studentenbewegung: Buback-Nachruf 1977
Im sogenannten Buback-Nachruf (Göttinger Nachrichten vom 25. April 1977) wird exemplarisch die Doppelgesichtigkeit der Studentenbewegung und der aus ihr entstehenden Kräfte erkennbar – einerseits aufklärerisch, emanzipatorisch, antifaschistisch, andererseits menschenverachtend, dogmatisch, ja faschistoid. Zugleich ist der „Nachruf“ ein Ausdruck dafür, dass sich die „Linke“ dieser Verirrungen zunehmend bewusst wurde:
„Meine unmittelbare Reaktion, meine „Betroffenheit“ nach dem Abschuß von Buback ist schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören. [...]. Wer sich in den letzten Tagen nur einmal genau genug sein Konterfei angesehen hat, der kann erkennen, welche Züge dieser Rechtsstaat trägt, den er in so hervorragender Weise verkörperte.“ Im folgenden bringt der Verfasser dann aber verschiedene Argumente ge-gen den Mordanschlag vor. Er hält ihn für strategisch ungeschickt, da dadurch Polizei und Justiz in ihren Verfolgungsanstrengungen bestärkt werden. Anschließend stellt er jedoch auch grundsätzlich den „bewaffneten Kampf“ in Frage. „Wie sollte ich entscheiden, daß Buback wichtig ist, nicht nur für mich und meine Leute, sondern auch für die anderen Leute. Daß er wichtiger ist als der Richter X am Gefängnis Y oder einer seiner Wärter. [...] Wenn in Argentien oder gar in Spanien einer dieser staatlich legitimierten Killer umgelegt wird, habe ich dieses Problem nicht. Ich glaube zu spüren, daß der Haß des Volkes gegen diese Figuren wirklich ein Volkshaß ist. Aber wer und wie viele Leute haben Buback (tödlich) gehaßt. Woher könnte ich, gehörte ich den bewaffneten Kämpfern an, meine Kompetenz beziehen, über Leben und Tod zu entscheiden? [...] Was wir auch tun: es wirft immer ein Licht auf das, was wir anstreben.“
7. April 1977: Generalbundesanwalt Siegfried Buback wird in Karlsruhe von der RAF ermordet.
25. April 1977: Buback-Nachruf in den vom ASTA herausgegebenen Göttinger Nachrichten
11. Mai 1977: Auf dem Campus des Geisteswissenschaftlichen Zentrums der Universität beschließen 3000 von 4000 versammelte Studenten, den Lehrbetrieb zunächst bis zum 16. Mai zu boykottieren. Anlaß ist die Auseinandersetzung um den Artikel über die Ermordung des Generalbundesanwalts Buback, von dem sich der ASTA nicht distanzieren möchte.
Am 6. März 1978 beginnt vor der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichtes Göttingen der sogenannte "Buback-Prozeß" gegen vier angeklagte Studenten, die für die Veröffentlichung des Buback-Nachrufs verantwortlich gemacht werden.
5. April 1978: Am siebenten Tag des Prozesses um den "Buback-Nachruf" vor der Zweiten Großen Strafkammer werden zwei Studenten freigesprochen, da ihnen die Teilnahme an der Vorbereitung des Artikels nicht nachgewiesen werden konnte. Verurteilt werden Klaus Lodewick und Hans-Josef Karbach zu je 1800 DM Geldstrafe wegen Verunglimpfung des Staates in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens eines Verstorbenen.