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Press release: Mit dem Klassenzimmer-PC ins Universum

Nr. 114/2000 - 17.07.2000

Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung stellt Wissenschaftlern der Universitäts-Sternwarte Göttingen bis zu 2,7 Millionen DM für den Aufbau zweier Internet-betriebener Teleskope bereit. Initiatoren des Projekts, Dr. Frederic V. Hessman und Prof. Dr. Klaus Beuermann, werden zwei vollautomatische Instrumente mit ca. 80 cm Spiegeldurchmesser an bedeutenden Observatoriumsstandorten in Texas und Südafrika aufstellen. Damit ermöglicht die Krupp-Stiftung der Universität Göttingen den Aufbau des ersten internationalen robotischen Teleskopnetzwerks, das nördlichen und südlichen Himmel abdeckt. Das Netzwerk der ferngesteuerten Instrumente soll ab dem Jahr 2002 zu einem wesentlichen Teil Schülern zur Verfügung stehen.

Robotische Teleskope sind in der Lage, Nacht für Nacht astronomische Beobachtungen selbständig und ohne Bedienungspersonal vor Ort durchzuführen. Sie verfügen über Wetterstationen, um auf schlechtes Wetter automatisch reagieren zu können. Sie arbeiten Listen von zu beobachtenden Objekten ab, stellen selbständig eine Sequenz von Kalibrations- und Programmbeobachtungen auf, die im Laufe der Nächte abgearbeitet werden sollen, und sie führen automatische Helligkeitsmessungen von stellaren Objekten durch.
Ein Hauptziel des Projekts ist ein Beitrag zur Verbesserung des Physik- und Informatik-unterrichts. Die Göttinger Astronomen wollen vor allem Schulen in Südniedersachsen und dem Ruhrgebiet um den Hauptsitz der Krupp-Stiftung in Essen ansprechen, aber auch im Göttinger Umland mit Nordhessen, Westthüringen und Ostwestfalen. Das Projekt ist ideal geeignet, den sinnvollen Umgang mit dem Internet und den Einsatz von Computern im naturwissenschaft-lichen Unterricht zu üben und damit selbständiges Tun der Schüler und im besonderen Mass Schülerinnen bestmöglich zu fördern. Die Universitäts-Sternwarte wird teilnehmenden Schulklassen die Möglichkeit bieten, entweder die Teleskope "live" über das Internet fernzusteuern. oder die gewünschten astronomischen Beobachtungsziele per Internet zu programmieren und dann automatisch von den robotischen Teleskopen durchführen zu lassen Die gewonnenen Bilder werden dann mit Hilfe einer einfach zu bedienenden Software

von den Schülern/innen bearbeitet. Software und Lernprogramm sind an das international verbreitete "Hands-On Universe"- Projekt (HOU) angelehnt, an dem auch die Göttinger Sternwarte beteiligt ist . Durch die Anbindung an die globale HOU-Community ergeben
sich vielerlei Möglichkeiten, Projekte von deutschen und ausländischen Schulklassen gemeinsam durchführen zu lassen. In Göttingen wird dieses Projekt als Teil des XLAB (Experimentallabor für junge Leute) angeboten, das im Herbst seine Arbeit aufnehmen wird.
Die Partnerinstitutionen, an denen die beiden Teleskope aufgestellt werden, sind voraussichtlich das McDonald Observatory der University of Texas at Austin und das South African Astronomical Observatory bei Sutherland/Südafrika, die beide an meteorologisch günstigen Orten liegen und seit Jahren mit der Sternwarte kooperieren. Sie werden die verhältnismäßig geringen laufenden Kosten der Teleskope tragen und dafür einen kleineren Teil der Beobachtungszeit auf beiden Teleskopen erhalten. Durch die vollständige Vernetzung der robotischen Teleskope und die gezielte Stationierung je eines Teleskops auf der nördlichen und südlichen Halbkugel werden Beobachtungen von Objekten über den gesamten Himmel ermöglicht.
Wissenschaftlich bieten die Teleskope völlig neue Möglichkeiten, astrophysikalisch relevante Projekte durchzuführen. Mit den weitgehend automatisch arbeitenden Teleskopen können zeitaufwendige Beobachtungsreihen durchgeführt werden, die sonst nur mit einem erheblich größeren personellen und finanziellen Aufwand möglich wären. Beispiele für solche Projekte sind
· die Entdeckung von "Near-Earth" Objekten , d.h. Asteroiden, die möglicherweise mit der Erde kollidieren könnten,
· die photometrische Entdeckung von erdähnlichen Planeten,
· die Untersuchung der Variabilität von Sternen, um z.B. sonnenähnliche Aktivität zu studieren und ein besseres Verständnis des Einflusses der Sonne auf das Erdklima zu erreichen,
· photometrische Überwachung von Objekten, die mit Großteleskopen der 8-m Klasse beobachtet werden sollen (z.B. dem "Very Large Telescope" der Europäischen Südsternwarte, dem Hobby-Eberly-Telescope in Texas oder dem Southern African Large Telescope an denen die Göttinger Sternwarte beteiligt ist) und
· begleitende optische Beobachtungen zu Untersuchungen, die Göttinger Astrophysiker mit Satelliten-Observatorien wie den Hubble Space Telescope oder dem XMM Röntgen-Teleskop der europäischen Raumfahrtbehörde ESA durchführen.

Dr. Hessman und Prof. Beuermann planen außerdem den Einsatz der neuen Instrumente in der universitären Lehre: Physikstudent/inn/en soll die Möglichkeit angeboten werden, Projekte mit den "unbemannten" Teleskopen - auch unter schlechten Wetterbedingungen - im Rahmen des Physikpraktikums durchzuführen, um selbständige Forschung schon früh im Studium zu üben.
Das in außerordentlich großzügiger Weise von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung vollfinanzierte Vorhaben wird ab 2002 einen zeitgemäßen Beitrag für die Ausbildung zukünftiger Physiker und Physikerinnen, aber auch für naturwissenschaftlich informierte Bürger und Bürgerinnen leisten. Für die Universität Göttingen ist dies ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung auf ein stärkeres Engagement für den naturwissenschaftlichen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen und auf den in Deutschland noch so wenig ausgeprägten Bereich des "Public-Outreach".

Weitere Informationen:
Das Projekt: Dr. Frederic V. Hessman
hessman@astro.physik.uni-goettingen.de
Tel. (0551) 39-5052
(vom 20.-25.7. beim Deutsches Museum/München zu erreichen)

Prof. Dr. Klaus Beuermann
beuermann@astro.physik.uni-goettingen.de
Tel. (0551) 39-5041
Universitäts-Sternwarte, Geismarlandstr. 21, 37083 Göttingen
Tel. (0551) 39-5042, FAX (0551) 39-5043
Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Hügel 15, 45133 Essen, Tel. (0201) 188-1