Die lateinische Satire des Mittelalters
ein DFG-Forschungsprojekt
Projektdarstellung
Die in Versen komponierte Satire zählt zu den zentralen Gattungen der lateinischen Literatur Europas. Ihre Geschichte reicht von der römischen Antike über das Mittelalter bis in die Renaissance und Neuzeit. Es fehlt nicht an Versuchen, die Entwicklung der Satire über 2000 Jahre hinweg nachzuvollziehen oder eine epochenübergreifend gültige Definition dieser Gattung zu bieten. Allerdings hat sich auch in der jüngsten Forschung gezeigt, mit welchen Problemen ein solcher Versuch grundsätzlich konfrontiert ist. Die Ursachen, welche für die Schwierigkeit einer solchen diachronen Perspektive verantwortlich sind, liegen insbesondere im unausgeglichenen Forschungsstand zu den einzelnen Epochen begründet.
Denn während sowohl die Satire der Antike als auch jene der Renaissance und Frühen Neuzeit bestens erforscht sind, fehlen bislang umfassende Studien zur Satire des Mittelalters. Solange diese mediävistische Lücke nicht gefüllt ist, wird es nicht möglich sein, die Verssatire in ihrer historischen Entwicklung darzustellen und ihre epochenübergreifend gültigen Charakteristika herauszuarbeiten.
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Projekt versucht dieses Defizit zu beseitigen:
a) durch problemorientierte Analysen der mittelalterlichen Satiren: Motiv- und Themenschatz; texttypologische Struktur; Verhältnis von hexametrischer und rhythmischer Verssatire; Rezeption der antiken Modelle (Lucilius, Horaz, Persius, Juvenal); Bezüge zwischen den nordalpinen und den südalpinen, italienischen Gattungsvertretern in Spätmittelalter und Renaissance; soziales Profil der inkriminierten Personen, Gruppen, Stände und Institutionen; sozialer Status der Adressaten und Leser; Bezüge zwischen den gattungsrelevanten Aussagen der zeitgenössischen normativen Texte (Poetiken, Grammatiken, Accessus etc.) und den Selbstaussagen der Autoren.
b) durch diachron angelegte Darstellungen, in denen erstmals die quantitative und qualitative Entwicklung des Genres von der Spätantike bis zum 15. Jahrhundert nachgezeichnet wird.
Mit dem Projekt werden drei Ziele verfolgt:
1. Durch die Ergebnisse sollen nicht nur Mediolatinisten, sondern auch Vertreter der mediävistischen Nachbarfächer in die Lage versetzt werden, einen Überblick und Einblick in die mittelalterliche, primär durch lateinische Texte geprägte Entwicklung der Gattung zu gewinnen.
2. Durch die Schließung der mediävistischen Forschungslücke soll es möglich werden, eine die Epochengrenzen überwindende, von der Antike über das Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit ausgreifende Betrachtung der Gattung vorzunehmen.
3. Durch die Erstellung umfangreicher Register (zu edierten und unedierten Texten) soll das Projekt der Mittellateinischen Philologie auch als ein Forschungsinstrument dienen, das zur weiteren Beschäftigung insbesondere mit wenig bekannten oder sogar noch unveröffentlichten Gattungsvertretern anregt.
Projektleiter: Prof. Dr. Thomas Haye
Projektmitarbeiter: Martin Borchert, M.A., Konstanze Polster, M.A.