Kunstwerk des Monats im März 2013
03. März 2013
Auf der Bühne der Malerei: Eduard Bendemanns Vorzeichnung zum "Opfer der Iphigenie"
Vorgestellt von: PD Dr. Christian Scholl
Der Maler Eduard Bendemann, dessen Zeichnungen gerade in einer Sonderausstellung in der Gemäldegalerie der Göttinger Universitätskunstsammlung zu sehen sind, war in den 1830er und 40er Jahren eine internationale Berühmtheit. Als er 1888 starb, stand sein Ruhm allerdings bereits zur Diskussion. Gleichwohl birgt sein Spätwerk noch zahlreiche Überraschungen und belegt, mit welcher Intensität der Maler Anschluss an aktuelle Entwicklungen in der Kunst zu halten suchte.
Bendemanns letztes großes, ein Jahr vor seinem Tod abgeschlossenes Gemälde, das sich heute im Museum Kunstpalast in Düsseldorf befindet, ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Es zeigt das Opfer der Iphigenie und damit einen „klassischen“ Stoff aus dem Umfeld des Trojanischen Krieges, der etwa von Aischylos, Euripides und Racine literarisch umgesetzt worden ist: Um einen Bann zu lösen, der die Griechen auf der Insel Aulis festhält, soll deren Anführer Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfern. Erst im letzten Moment wird das Opfer durch die Göttin Diana gelöst und Iphigenie auf die Insel Tauris entrückt. Bendemanns Gemälde zeigt, wie Iphigenie zum Altar getragen wird, während ihr Vater Agamemnon hin- und hergerissen ist zwischen der Pflicht, das Opfer anordnen zu müssen, und vom Schmerz über die drohende Tötung seiner Tochter. Ihm zu Füßen fleht seine Gattin Klytemnästra um die Verschonung des Kindes.
Es ist vermutlich kein Zufall, dass Bendemann gerade dieses Thema für sein letztes Gemälde gewählt hat: Schon in Plinius’ Historia Naturalis ist von dem antiken Maler Timanthes die Rede, der ein entsprechendes Gemälde geschaffen habe. Timanthes wird dafür gerühmt, das Antlitz von Agamemnon auf kunstvolle Weise verdeckt zu haben, um so der Schwierigkeit bei der Darstellung des verzweifelten Gesichtes zu entgehen. Bendemann hat es mit dem antiken Künstler aufgenommen und zeigt auf seinem Gemälde das Antlitz des Vaters. Man kann dies durchaus als Beleg für das ungebrochene Selbstvertrauen des Malers ansehen. Sein komplexes Gemälde ist dabei vor allem durch seinen bühnenhaften Aufbau und durch seine Auseinandersetzung mit den verschiedenen literarischen Bearbeitungen des antiken Stoffes bemerkenswert.
Das Kunstwerk des Monats März ist eine Vorstudie zu diesem Düsseldorfer Gemälde.
Sie gehört zu dem umfangreichen Bestand an Bendemann-Zeichnungen in der Göttinger Universitätskunstsammlung, ist als Bleistiftzeichnung mit Weiß-Höhungen auf grauem Papier ausgeführt und zeigt mehrere, mit lockerem Strich gezeichnete Akt- und Gewandstudien eines Knaben in Rückenansicht. Der Name des Modells ist auf dem Blatt verzeichnet: Es handelt sich um Daniel Backhaus aus der Andreasstraße 17 – einer Straße in Düsseldorf, in der vor allem ärmere Handwerker lebten.
Die Studien beziehen sich auf die Figur des Orest, den kleinen Bruder der Iphigenie. Im Gemälde hält sich Orest am Gewand seines Vaters Agamemnon fest. Seine Haltung ist die eines Schutz Suchenden, der das Geschehen einerseits beobachtet, andererseits im entscheidenden Moment aber auch das väterliche Gewand nutzen kann, um sich darin zu verbergen und die Opferung nicht mit ansehen zu müssen. Entsprechend kompliziert ist die Haltung, an der Bendemann mit mehreren Einzelstudien intensiv gearbeitet hat. Eine besondere Aufmerksamkeit liegt dabei auf dem angewinkelten linken Arm und der vor das Gesicht gehaltenen, angespannten Hand.
Auffallend sind die Unterschiede zwischen Modellzeichnung und gemalter Figur, welche als rotlockiger griechischer Königssohn mit feinen Kleidern und Sandalen ausstaffiert ist. Im Fortgang der mythologischen Handlung wird Orest seine Mutter Klytemnästra töten, weil sie den aus Troja heimkehrenden Agamemnnon ermorden ließ. Auf Tauris wird er seine Schwester Iphigenie wiederfinden und gemeinsam mit ihr zurück nach Griechenland fliehen.