Kunstwerk des Monats im Januar 2015
04. Januar 2015
Welch vortreffliches Frauenzimmer? Eleonore d'Olbreuse oder Sophie von Hannover?
Vorgestellt von: Dr. Anne-Katrin Sors
Das ovale Portrait zeigt als Brustbild eine Dame mittleren Alters in ausgeschnittenem, reich besticktem Kleid. Ihre linke Hand fasst den blauen Mantel, der den rechten Arm verhüllt. Der durchsichtige schwarze Schleier um Schultern und Hinterkopf lässt vermuten, dass sich die Portraitierte in Trauer befindet. Weitere Hinweise auf Stand und Identität fehlen. Die Malerei wurde auf Leinwand gefertigt, Bildtyp, Malweise und Kleidung weisen auf eine Entstehung vor oder um 1700, der Zustand ist restaurierungsbedürftig.
Das Gemälde gelangte mit der großzügigen, weitere 300 Bilder umfassenden Schenkung des Johann Wilhelm Zschorn im Jahr 1796 an die Georgia Augusta. Bereits das Inventar des Vorbesitzers bezeichnet das Bild als "Das Portrait der Hertzogin Eleonore ...ein ovales Stück... vermutlich aus der französischen Schule?". An dieser Identifikation und Zuschreibung hat sich seit dem 18. Jahrhundert und bis in die jüngste Forschung nichts geändert. Hauptargument ist eine alte - vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammende - Aufschrift der Rückseite: Eleonora h. zu br. u. l. [Eleonora Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg]. Aus der Entstehungszeit des Bildes stammt diese Identifizierung jedoch nicht. Auf der grossen Landesausstellung 2014 "Als die Royals aus Hannover kamen" hingen sowohl in Celle als auch in Hannover Varianten dieses Portraits, die beide in Qualität und Erhaltungszustand dem Göttinger Exemplar, das vermutlich noch nie ausgestellt wurde, überlegen sind. In beiden Fällen wird die Dargestellte als Sophie von Hannover, geborene von der Pfalz bezeichnet. Wer ist nun dargestellt? Kurfürstin Sophie von Hannover (1630-1714) oder Herzogin Eleonore d´Olbreuse (1639-1722)? Wer überhaupt sind diese beiden Damen? Sophie, Tochter des Winterkönigs Friedrich V. und der Elisabeth Stuart heiratete 1658 den Hannoveraner Kurfürsten Ernst August, nachdem dessen älterer Bruder Georg Wilhelm seine Verlobung mit Sophie gelöst hatte.
Als Gegenleistung für den sog. "Brauttausch" verpflichtete Georg Wilhelm sich zum Eheverzicht und Ernst August sollte nach dem Tod seines Bruders das gesamte Herzogtum erben. Als 1701 in England durch einen Parlamentsbeschluss der antikatholische Act of Settlement erlassen wurde, stand die protestantische Sophie als Tochter der englischen Prinzessin Elisabeth und Cousine König Jakobs II. unvorhergesehen an zweiter Stelle in der englischen Thronfolge, da sie außer Jakobs Tochter, der Thronfolgerin Anna Stuart, die zu diesem Zeitpunkt einzige protestantische Nachfahrin der Könige von England und Schottland war. Ihr Sohn Georg Ludwig, Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover), bestieg im Jahre 1714 als Georg I. als erster aus dem Haus Hannover den britischen Thron.
Trotz seines Ehelosigkeitesversprechens heiratete Georg Wilhelm 1676 Eleonore d'Olbreuse (1639?1722), eine Hugenottin von niederem Adel. Eleonore wollte volle Anerkennung als ebenbürtige Herzogin und wurde schließlich zur "Gräfin von Harburg und Wilhelmsburg" ernannt. Dazu wurde eigens für sie die Allodialherrschaft Harburg-Wilhelmsburg geschaffen.
Da die Sympathie zwischen beiden Damen notwendigerweise sehr gering war, ist es um so delikater, dass die Identifizierung der Dargestellten gerade zwischen diesen beiden zur Debatte steht.
Wie findet man nun die zutreffende Identität der Portraitierten heraus? Der Identifizierung dienende Attribute oder Wappen fehlen. Auch die Biographien der beiden zur Auswahl stehenden Damen helfen nicht weiter. So bleibt nur ein Vergleich mit weiteren Portraits der potentiellen Kandidatinnen. So formulierte Wolfgang Stechow bereits 1926 in seinem Katalog Göttinger Gemälde "Die Benennung (als Eleonore, Anm.d.Verf.) bestätigt sich durch den Vergleich mit bezeugten Darstellungen, besonders dem Elfenbeinportrait von Chevalier, das im Stich abgebildet ist?" Ein erneuter Abgleich, vor allem mit weiteren Portraits Sophies, z.B. dem des Andreas Scheitz, um 1690, im Historischen Museum Hannover, führt nun zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Göttinger Bild um ein Bildnis der Sophie von Hannover handeln muss.