Lehrforschungsprojekt Der 20. Juli 1944 und die Folgen
Das Lehrforschungsprojekt als dritter Teil einer Reihe
Im Sommersemester 2020 wurde das Lehrforschungsprojekt ‚Der 20. Juli 1944 und die Folgen‘ als dritter Teil einer Reihe über deutsche Vergangenheit angeboten, die ersten beiden Teile in den Vorgängersemestern beschäftigten sich mit deutscher Erinnerung an den Nationalsozialismus respektive an Kolonialzeit und SED-Diktatur. Mit unterschiedlichen Prüfungsleistungen konnten die Studierenden Leistungen in insgesamt sieben Modulen erwerben. Die Veranstaltung sollte flexibel und modulhaft aufgebaut sein, um den Studierenden die Chance zu geben, ihre Leistungen an ihre zeitlichen Kapazitäten anzupassen. Innerhalb des Lehrforschungsprojektes wollten wir auch so viele digitalisierte Elemente wir möglich einbauen, sofern sie denn sinnvoll eingesetzt werden konnten. Als Lernziele formulierten wir:
- Wissenschaftliche Praxiserfahrung
- Präsentationstechniken für die eigene Forschung
- Wissen über Erinnerungsformen
- Tiefergehendes Wissen über den Nationalsozialismus
- E-Learning-Elemente kennenlernen
Leider hat uns in diesem Semester die Covid-19-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil wir auf Präsenzsitzungen mit spannenden Diskussionen sowie die geplante Exkursion nach Berlin zu den Originalschauplätzen verzichten mussten. Dennoch sind viele interessante Themen bearbeitet worden.
Die Beiträge von 21 Studierenden sind nun in der Reihe SowiPro der Sozialwissenschaftlichen Fakultät veröffentlicht. Das Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensgebung-Lizenz, die Weitergabe ist unter gleichen Bedingungen erlaubt und erwünscht. Sie finden es über GoeScholar bereitgestellt unter diesem Link.
Allgemeine Inhalte
Eine gemeinsame Geschichte ist einer der wichtigsten Grundpfeiler einer Nation. Erinnerungskulturen und Geschichtspolitik sind also wichtige Themen auf der Tagesordnung. Wer hier die Deutungsmacht besitzt, hat großen Einfluss auf die Geschicke eines Landes. In diesem Lehrforschungsprojekt wollten wir gemeinsam unterschiedliche Formen der Erinnerung auf staatlicher und nicht-staatlicher Ebene untersuchen. Die Überlegungen zu Erinnerungsorten fußten auf der Einführung in der ersten Sitzung, in der geklärt wurde, warum und was erinnert werden muss. Dazu gab es eine detaillierte Einordnung in das Nation-building, denn ohne eine gemeinsame Geschichte würde ein wichtiger gemeinsamer Pfeiler der neuen Nation fehlen. Es wurden verschiedene Erinnerungsstrategien vorgestellt und mit den auf den Ideen von Maurice Halbwachs basierenden Theorien von Jan und Aleida Assmann, die später vielverwendeten Konzepte des kollektiven Gedächtnisses und seiner Teile, der kulturellen und kommunikativen Gedächtnisse, sowie die Theorien zu Erinnerungsorten von Pierre Nora und die zum Widerstand von Detlev Peukert diskutiert.
Thematische Inhalte
Am 20. Juli 1944 trug Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg eine Bombe in seiner Aktentasche in die Einsatzbesprechung ins Führerhauptquartier Wolfsschanze. Er platzierte die Tasche in der Nähe des Führers Adolf Hitler und verließ den Raum. Nach der Explosion und in dem Glauben, Hitler sei tot, eilte er zurück nach Berlin zum Oberkommando des Heeres im Bendlerblock, um zusammen mit seinen Mitverschwörern das ‚Unternehmen Walküre‘ auszulösen, die Übernahme aller wichtigen Funktionen in Nazideutschland.
Doch Hitler überlebte mit leichten Verletzungen. In der Folge scheiterte der Putsch. Der Kommandeur des Wachbataillons der Reichswehr in Berlin Major Ernst Otto Remer wurde von Hitler direkt angewiesen, die Kontrolle zurückzuerlangen.
Stauffenberg, Oberleutnant Werner von Haeften, Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und General Friedrich Olbricht wurden im Hof des Bendlerblocks standrechtlich hingerichtet, der Mitverschwörer Generaloberst Ludwig Beck nach einer missglückten Selbsttötung im Gebäude erschossen. Insgesamt wurden mehr als 200 Militärs und Zivilisten für ihre Beteiligung verurteilt und hingerichtet, viele durch den notorischen Volksgerichtshof.
Stauffenberg wird heute als Held angesehen, seine vormals glühende Verehrung des Führers und Identifikation mit dem Nationalsozialismus wird oftmals außen vor gelassen. Auch bei vielen anderen Beteiligten des Attentats und aus dem Kreisauer Kreis lagen die Motive häufig nicht in der Beendigung des Massenmordes an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, politischen Gegnern, Homosexuellen, Menschen mit Behinderungen und anderen.
Das wichtige Eckdatum der deutschen Geschichte wurde und wird von verschiedenen Akteuren staatlicher und nicht-staatlicher Ebene in verschiedenen Ären auch unterschiedlich genutzt. Der Fokus auf nur ein Datum und seine Nachgeschichte stellte sich als nicht zu eng heraus, es wurden viele spannende Themen aufgegriffen.
Teilnehmende
63 Studierende aus den Fachgebieten Geschlechterforschung, Soziologie, Politikwissenschaft, Sozialwissenschaften und Geschichte analysierten und diskutierten Aspekte des Attentats und seiner Nachgeschichte.
Module und Prüfungsleistungen
Die Studierenden konnten zwischen sieben Modulen wählen und die jeweiligen Leistungen erbringen. Das flexible Konzept der Lehrveranstaltung erlaubte es den Teilnehmenden auch, mit unterschiedlicher zeitlicher Intensität mitzuarbeiten.
- B.Sowi.1000 ‚Interdisziplinäre Praxis der Sozialwissenschaften‘; 4 C/1 SWS, Prüfung: Posterpräsentation
- B.Sowi.2000 ‚Interdisziplinäre Forschungspraxis der Sozialwissenschaften‘; 8 C/3 SWS, Prüfung: Posterpräsentation mit wissenschaftlich adäquater schriftlicher Ausarbeitung (max. 10 Seiten)
- SQ.Sowi.23 ‚Lehrforschungsprojekt am Beispiel‘; 8 C/ 4 SWS, Prüfung: Posterpräsentation (ca. 15 Minuten) oder Forschungsbericht (max. 10 Seiten)
- B.Soz.300 ‚Forschungspraktikum‘; 8 C/4 SWS, Prüfung: Forschungsbericht (max. 20 Seiten)
- B.Pol.700 ‚Aufbaumodul Politisches System der Bundesrepublik Deutschland‘; 8 C/4 SWS, Prüfung: Präsentation (ca. 20 Minuten) und Portfolio (max. 20 Seiten)
- B.Gesch.412 ‚Projektmodul Geschichtskultur/Praxis‘; 6 C/2 SWS, Prüfung: Portfolio (max. 15.000 Zeichen) oder Projektstück in äquivalentem Umfang
- B.Gesch.413 ‚Projektmodul Geschichtskultur/Praxis‘; 3 C/2 SWS, Prüfung: Portfolio (max. 15.000 Zeichen) oder Projektstück in äquivalentem Umfang
Die Sozialwissenschaften tragen Ihre Ergebnisse seltener in die Außenwelt als andere Fachbereiche. Mit diesem Lehrforschungsprojekt habe ich versucht, die Prüfungsleistungen der Studierenden auch mit dem Blick auf Forschungsmöglichkeiten zu publizieren und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.
Die Studierenden hatten die Möglichkeit, ihre schriftlichen Prüfungsleistungen für eine Veröffentlichung in einem Buch einzureichen. Sie haben sich noch intensiver und auf wissenschaftlichem Niveau mit einzelnen Themen auseinandergesetzt. Die Beiträge von 21 Studierenden sind nun zusammengefügt und wurden in der Reihe SowiPro der Sozialwissenschaftlichen Fakultät veröffentlicht. Das Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensgebung-Lizenz, die Weitergabe ist unter gleichen Bedingungen erlaubt und erwünscht. Sie finden es über GoeScholar bereitgestellt unter diesem Link.
Es entstanden zudem Poster zu den folgenden Themen, die im Kontext des Lehrforschungsprojektes präsentiert wurden. Um die Ergebnisse der Studierenden präsent zu machen, wurden einige der Poster im ersten Stock des Oeconomicums (Platz der Göttinger Sieben 3) aufgehängt, zwischen den Räumen der Professur für Grundlagen der Sozialwissenschaften. Hier sorgen Sie für Aufmerksamkeit nicht nur für die Inhalte der einzelnen Themen, sondern auch für das Konzept der Lehrforschungsprojekte, so dass in den kommenden Semestern hoffentlich noch viel Forschung präsent gemacht werden kann.
Hier finden Sie unter dem jeweiligen Thema das Poster zum Download: