Erfahrungsbericht vom 30. Vis Moot
Nachdem die Teams der drei vorherigen Durchgänge noch durch Corona ausgebremst wurden, war zunächst auch hinsichtlich dieses Vis Moot unklar, ob wir für die Finalrunden nach Wien und insbesondere nach Hongkong reisen können würden. Letztlich wurde die 30. Auflage dieses Wettbewerbs jedoch eine ganz besondere für das Göttinger Team. Aber der Reihe nach.
Schon vor dem offiziellen Start im Oktober standen Vorbereitungsveranstaltungen wie die Frankfurt Drafting School und das Seminar „Practice of International Arbitration“ der Universität Würzburg auf dem Plan. Hier bestand die Möglichkeit, sich mit ersten Teams anzufreunden und einen Einstieg in die Thematik des Wettbewerbs zu finden. Darüber hinaus unterstützten uns auch die Göttinger Alumni mit einer hauseigenen Einführung in das UN-Kaufrecht, das internationale Schiedsverfahrensrecht und den Moot als solchen.
Und dann war es endlich so weit: 7. Oktober 2022, die fiktive Fallakte wurde online gestellt. Ab diesem Moment konnten wir nicht mehr aufhören, über die Eckpunkte des diesjährigen Falls zu grübeln: Drohnen, Parlamentsvorbehalte, Korruption und Betrug. Durch viele interne Diskussionen und hilfreiche Tipps von den Coaches und Professoren kamen wir nach und nach auf die entscheidenden Argumente. In der letzten Woche vor der Abgabe starteten wir dann in die Group-Review, in der um jedes Wort und jedes Satzzeichen gerungen wurde. Am Ende stand unser erster eigener Schriftsatz in englischer Sprache.
Schon wenige Tage später bekamen wir Schriftsätze der National University of Singapore und der NUST-Universität aus Islamabad, Pakistan, auf die wir – nun als Beklagtenvertreter – antworten mussten. Mit dem Selbstbewusstsein, bereits einen Schriftsatz abgegeben zu haben, lief das Abfassen rund: wir mussten die Argumente ja „nur noch umdrehen“. Während dieser Zeit bekamen wir zudem die Bestätigung aus Wien und Hongkong, dass die diesjährigen Veranstaltungen wieder in Präsenz abgehalten werden würden, was die Motivation noch einmal erhöhte.
Nachdem wir am 26. Januar 2023 auch die beiden Beklagtenschriftsätze eingereicht hatten, starteten wir in die mündliche Phase des Wettbewerbs und begannen, unsere Plädoyers auszuarbeiten. Dabei hatten wir immer wieder Probepleadings im Kalender, in denen wir die Wettbewerbssituation gegen andere Teams simulieren konnten. Diese fanden mal bei Kanzleien, mal online oder bei anderen Universitäten statt. Fast täglich üben wir auch untereinander. In dieser Zeit bekamen wir viele hilfreiche Tipps von erfahrenen Praktiker:innen und Moot-erprobten Alumni. Jeder Hinweis half uns, dem Pleading einen weiteren Schliff zu verpassen.
Bevor es dann soweit war und wir nach Hongkong aufbrechen sollten, hatten wir noch drei Vorbereitungsturniere (sog. PreMoots) auf der Liste stehen. Zuerst nahmen wir am Bodenheimer PreMoot teil. Bei diesem konnten wir unter 24 internationalen Teams sogar den ersten Platz belegen. Es folgte ein PreMoot von der Humboldt-Universität in Berlin und schlussendlich unser eigener kleiner Göttinger Mini Moot, bei welchem wir das Team Hannover einluden.
Bereits 4 Tage hiernach standen wir alle, Sachen gepackt, gemeinsam am Frankfurter Flughafen und warteten gespannt darauf, das Flugzeug nach Hongkong betreten zu dürfen. Bereits vorher hatten wir unsere Gegner für die Vorrunde erfahren. Diese waren die University of Hongkong, die Nagoya University (Japan), die Ewha Women’s University (Südkorea) und die Universitas Katolik Parahyangan (Indonesien). Unser Pleading-Trio, bestehend aus Caroline Beckmann, Gero Mimberg und Julius Ewald, gab bei jedem dieser Pleadings das Beste. Und diese Leistung wurde von den Schiedsrichter:innen honoriert: Bei der ersten Präsenzteilnahme in der Göttinger Geschichte konnten wir uns direkt für die K.O.-Runde der besten 32 Teams qualifizieren. Dort trafen wir auf die Rajiv Gandhi National University of Law (Indien). Obwohl Julius und Caroline ein sehr starkes Pleading abrufen konnten, entschied sich das Tribunal dafür, dass das Team aus Indien weiterkommen sollte. Immerhin konnten wir noch am vielfältigen Rahmenprogramm des Wettbewerbs teilnehmen und dabei Hongkong als Stadt entdecken. Beim Abschlussbankett wurden wir dann noch einmal überrascht: Das Team Göttingen wurde für einen der beiden eingereichten Schriftsätze geehrt. Zudem erhielt eines unserer Teammitglieder eine individuelle Auszeichnung. So konnten wir uns mit Rückenwind auf den Hauptwettbewerb in Wien fokussieren.
Hier wurden unsere Teammitglieder Clara Flasche, Milan Horey und Moritz Becker bei den Pleadings gegen Warschau (Polen), Islamabad (Pakistan), Glasgow (Schottland) und Mumbai (Indien) von vielen Göttinger Alumni unterstützt. Davon beflügelt setzten wir uns auch in Wien in der Vorrunde durch und schafften es in die Runde der besten 64 von knapp 400 Teams. Während wir noch am Abend der Verkündung gegen die Bucerius Law School aus Hamburg gewinnen und so in die Runde der besten 32 Teams vorrücken konnten, hatten wir am nächsten Tag weniger Glück und schieden gegen die FGV Rio Law School aus Brasilien aus. Beglückwünschen dürfen wir die die Wiener Universität, welche sich nicht nur als hervorragende Ausrichterin präsentierte, sondern sich auch als Gewinnerin des mündlichen Wettbewerbs hervortat.
In der Rückschau war der Willem C. Vis Moot für uns mehr als ein universitärer Wettbewerb. Wir haben uns ein halbes Jahr lang intensiv mit neuen Themenfeldern auseinandergesetzt, das Argumentieren in englischer Sprache geübt und auf dem Weg eine Vielzahl neuer Kontakte geknüpft, die den eigentlichen Moot sicher überdauern werden. Daher möchten wir uns hier nochmal bei allen Sponsoren, unseren Professoren und Coaches und den Mitarbeiter:innen der Universität bedanken, ohne die wir diese einmalige Erfahrung nicht hätten machen können.