GOOD PRACTICE LEHRBEISPIELE
Sommersemester 2023
"Die Vorlesung BRD in Europa ist eine Aufbauvorlesung für Bachelorstudierende. Mir ist dabei wichtig, dass die Studierenden nicht nur lernen, was die Forschung weiß, sondern auch wie diese Erkenntnisse zustande gekommen sind. Sprich: Sie sollen möglichst früh an die Forschung herangeführt werden. Bereits in der grundlegenden Vorlesung "Das politische System Deutschlands" haben die Studierenden pro Sitzung zwei bis drei aktuelle Forschungsbeispiele präsentiert bekommen. In der Aufbauvorlesung ist die Rolle der Forschungsbeispiele noch größer. Es gibt kein Skript und kein Lehrbuch. Die Rolle Deutschlands im europäischen Mehrebenensystem wird stattdessen anhand von (meist englischsprachigen) aktuellen Forschungsartikeln diskutiert. Im Sommersemester 2023 gab es noch ein neues Element, das die Forschungsnähe der Vorlesung noch mehr betont. Unter der Überschrift "DYOP - Do Your Own Project" habe ich am Ende jeder Sitzung eine Idee für ein eigenes kleines Forschungsprojekt vorgestellt, unter dem Motto: "Wenn Ihnen das Thema dieser Sitzung gefallen hat, und sie dazu Ihre BA-Arbeit schreiben wollen - wie könnte ein machbares Projekt aussehen?" Die Ideenskizze enthält Vorschläge für Hypothesen, stellt einen Datensatz oder eine Methode der Materialerhebung vor, und zeigt, wie die Analyse aussehen kann. Ich hoffe, dass sich viele Studierende von diesen Projektideen inspirieren lassen und entsprechend gute BA-Projekte angehen können."
"Die Vorlesung „Einführung in spezielle Soziologie - Politische Soziologie und Sozialpolitik“ hatte das Ziel, Studierenden nicht nur Grundlagen über den deutschen Sozialstaat in einer vergleichenden Perspektive zu vermitteln und dabei wichtige Themenfelder wie beispielsweise Armut, Arbeitsmarktzugang oder Alterssicherung zu betrachten. Vielmehr sollten Studierende lernen, kritisch über den Sozialstaat und dessen Folgen für die Gesellschaft nachzudenken und den Status Quo, Medienberichterstattung oder politische Rhetorik zu hinterfragen. Denn warum wurden mehr als 600.000 Menschen in einem so reichen Land wie Deutschland trotz eines gut ausgebauten Sozialstaats im Jahr 2022 wohnungslos? Warum gehen gerade Menschen mit Migrationsgeschichte prekäre Arbeitsverhältnisse ein und leben in prekären Immobilien, die in unserem malerischen Göttingen wiederholt nationale Schlagzeilen machen? Und warum ist Altersarmut eigentlich weiblich? Durch eine Vielzahl von illustrativen Anekdoten, Beispielen aus der eigenen Forschung mit Bezug zu Göttingen und durch das freie Sprechen des Dozenten wurde eine abwechslungsreiche und lockere Atmosphäre geschaffen, die stets zum Mitdenken und Nachfragen angeregt hat."
"Das Seminar bot einen Überblick über sozial- und kulturwissenschaftliche Werke, die sich kritisch mit der Geschichte, den Spuren und den Folgen des Kolonialismus auseinandersetzen. Anhand von Texten, Videos und künstlerischen Arbeiten wurde die Bedeutung von post- und dekolonialen Ansätzen für die Sozialwissenschaften und insbesondere für die Ethnologie und Sozial- und Kulturanthropologie diskutiert. In einer Vielzahl von Diskussionsformaten wurden die Studierenden ermutigt, schwierige Themen mit Bedacht und Sensibilität zu diskutieren. Dabei war es wichtig, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Wünsche der Studierenden einzugehen, um eine offene und engagierte Lernatmostphäre erhalten zu können. Was pädagogisch auch besonders gut funktioniert hat, war das Prüfungsformat eines Portfolios, in dem Studierende fünf kurze Essays im Lauf des Seminars einreichen und dazu schon während des Semesters Feedback bekommen."
"Die Überwindung des Dualismus von Natur auf der einen und Kultur auf der anderen Seite, war das übergeordnete Thema dieses Moduls des Sommersemesters 2023, das von Prof. Dr. Andrea Lauser, Nurman Nowak (beide Institut für Ethnologie) und Prof. Dr. Stefanie Steinebach (Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg/HAWK Göttingen) koordiniert wurde. Im Fokus stand das interdisziplinäre und multimodale Forschen im Feld: Mit Methoden aus der Ethnologie und des urbanen Baum- und Waldmanagements wurden verschiedene Arten von Daten mit Hilfe von Smartphones, Kameras, Block und Bleistift aus den Perspektiven der beiden Disziplinen gemeinsam erhoben und dann auf der online-Plattform Padlet gesammelt. Dazu gehörten beispielsweise Daten zu Baumarten, Biodiversität oder Gesundheitszustand von Bäumen ebenso wie Informationen über die Nutzung und Gestaltung der Orte durch die Menschen. Die Collagen aus Bildern, Kurzvideos, Soundscapes, mental maps, Graphiken, Tabellen und Schaubildern wurden dann durch die Formulierung von Forschungsfragen, Diskussion und der Hinzunahme von theoretischen Konzepten sinnvoll und systematisch strukturiert und in Relation gesetzt. Das Ergebnis dieser Kollaborationen, Forschungen und Methoden sind interaktive digitale Poster. Die Zusammenarbeit über disziplinäre Grenzen hinweg war besonders anregend und produktiv! Alle Beteiligten, Studierende wie Lehrende, lernten die Perspektive und Arbeitsweise der jeweils anderen Forschungsdisziplin kennen und es kam zu einem interessierten, respektvollen und sehr fruchtvollem Austausch von Wissen und Methoden." (Weiterführende Information zu diesem Seminar)
"Das Seminar beschäftigte sich mit der Frage, was es bedeutet, einen gemeinsamen Binnenmarkt in der EU geschaffen zu haben, ganz konkret am Beispiel der konfliktreichen Liberalisierung der Strommärkte. Das Thema Binnenmarkt und Strommarkt in einem war auch von meiner Seite ambitioniert und ich habe einige Strategien angewandt, um möglichst viel Hintergrundwissen zu vermitteln, ohne dass das Erlernen von wissenschaftlichen Grundlagen, wie z. B. das Durcharbeiten von ausschließlich englischsprachigen und peer-reviewed Journal Artikeln, zu kurz gekommen ist. Dazu habe ich für jedes Seminar zwei bis drei Texte zur Lektüre vorgegeben. 1) Einen Text, der von allen gelesen werden muss, inklusive Leitfragen, 2) einen Text, der von der Referatsgruppe gelesen wird und manchmal einen 3) Text, den ich als weiterführende Grundlage benutze, um Themen wie die Strommarktliberalisierung als Inputreferat einzuführen." (Weiterführende Information zu diesem Seminar)
"Dieser Lektürekurs führte Master-Studierende in die grundlegenden Konzepte der interdisziplinären Behinderung(s)-Studien (Disability/Crip Studies) und das angrenzende Forschungsgebiet der Verrücktheitsstudien (Mad Studies) ein. Zentral dabei war, dass die Studierenden ein tiefgehendes Verständnis erlangen, dass und wie Behinderung und psychische Erkrankung sozial konstruiert sind.Durch gemeinsame Lektüre, kritisches Reflektieren und Diskutieren wurden verschiedene sozial-konstruktivistische Ansätze analytisch betrachtet. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf intersektionale Theorien und Kritiken gelegt. Thematische Schwerpunkte umfassten unter anderem die historische Entwicklung des Konzeptes Behinderung, unsichtbare Behinderungen, kurative Gewalt, Queer und Behinderung, Rassifizierung von Behinderung, Intimität und Sexualität von Menschen mit kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen sowie Mad-Kritik und globale Psychiatrisierung. In einer kollaborativen und barrierearmen Lehr- und Lernatmosphäre wurden anhand zahlreicher Beispiele sowohl die Auswirkungen der vorgestellten Konzepte und Probleme auf das eigene Leben der Studierenden betrachtet als auch Fähigkeiten vermittelt, ethisch schwierige Situationen im zukünftigen Forschungs- und Berufsalltag zu bewältigen. Nach Abschluss des Seminars haben Studierende die Initiative Barrier Busters gegründet, die sich für den Abbau von Barrieren an der Universität Göttingen einsetzt.“
"Das begleitende Master-Seminar bot eine eingehende Analyse der Verbindungen von Trans und Inter-Geschlechtlichkeit mit Behinderung und psychischer Erkrankung. Begonnen wurde mit der Darstellung des zentralen Problems: Einerseits sind genau diese Zusammenhänge untertheoretisiert und andererseits erleben trans und inter Personen, besonders jene mit Behinderung/psychischer Erkrankung Wissenschaft bis heute auf verschiedenste Weise als Instrument von Gewalt. Um dieser Problematik gerecht zu werden, wurden analytische Textarbeit und gemeinsame Diskussion verbunden mit einer Reflexion über Strategien des sensiblen Community-nahen und barrierearmen wissenschaftlichen Forschens und Arbeitens. Im Zuge des Seminars haben die Studierenden ein vertieftes und komplexes Verständnis von geschlechtlicher Vielfalt im Zusammenhang mit Fragen von psychischer und physischer Erkrankung und Behinderung erworben. Fragestellungen, die bearbeitet wurden, umfassten beispielsweise: Warum vernachlässigen die Behinderung(s)studien inter Belange? Warum sind Konzeptionen von Intersein als ‚Superpower‘ (im Bereich des Sport) oder Behinderung (in der Medizin) unterdrückend? Warum ist trans keine psychische Erkrankung? Kann das Erleben von Geschlechtsdysphorie für manche trans Personen eine chronische Krankheit sein? Wie steht es um die (gesundheitliche) Versorgung älterer trans und inter Personen?“
In den bislang 11 Seminaren zum Thema „Beziehungen professionell gestalten. Nachdenken über das Lehrer-Sein.“ geht es mir darum, die Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, über sich selbst nachzudenken, über ihre eigene Bildungsbiografie, unreflektierte und scheinbar selbstverständliche Rituale des Systems Schule und ihre Motivation, den Beruf des Lehrers oder der Lehrerin zu ergreifen.
Im Fokus unserer Arbeit steht nicht die Erkenntnisgewinnung aus Literatur, sondern eine Haltungsänderung oder -bestärkung aufgrund von erfahrungsgesättigter Praxis.
Meine eigenen Erfahrungen und die Erkenntnisse aus jahrelanger Zusammenarbeit mit den Schulleitungen der deutschen Schulpreisschulen zeigen, dass wir den Mut haben, kreativ mit dem deutschen Schulsystem umzugehen. Wir brauchen aber Kolleginnen und Kollegen, die diesen Mut auch in die Klasse bringen. Hierzu will ich mit meinem Seminar beitragen. (Detaillierte Informationen zum Seminar)
"Das Tutorium hat die Vorlesung "Einführung in die Sozialstrukturanalyse moderner Gesellschaften" von Professorin Dr. Karin Kurz begleitet. Neben meinem Tutorium gab es noch weitere Tutorien/Proseminare und die Vorbereitung der Sitzungen war eine kollektive Leistung der Lehrenden. Der schöne Verlauf der Veranstaltung ist daher auch den anderen Beteiligten geschuldet. Gleichzeitig hatten wir auch einiges an Freiraum in der Gestaltung und mir waren folgende Punkte ein besonderes Anliegen: 1) Mit jeder Sitzung ein klares "Warum?" in den Studierenden zu stiften. Die Teilnehmer:innen waren überwiegend frühe Semester, und ich habe daher zu Beginn ersteinmal ihre intuitiven Motivationen zum Soziologiestudium eingefangen, um mir ein Bild der Gruppe zu machen. Da hat sich schnell gezeigt, welche Vorstellungen von Gesellschaft, aber auch Ansprüche an eigene Leistung und Lehre im Raum stehen. Mit jeder Sitzung haben wir Theorien der Sozialstrukturanalyse oder empirische Studien gelesen. Auch wenn den Studierenden der Leseprozess oder das Thema persönlich nicht gefallen hat, haben wir das Augenmerk auf die abstrakteren Kompetenzen gelenkt, die wir mitnehmen können: Wie lese ich eine Studie systematisch? Wie formuliere ich, was mir intuitiv nicht gefällt? Wie beziehe ich einen Text auf das, was wir seit Semesterbeginn besprochen haben? Warum habe ich manches nicht verstanden? 2) Ich habe alle Schritte der Sitzung vorbereitet und, wenn nötig, ansprechende Folien oder Graphiken mitgebracht. Dennoch habe ich stets zuerst nach der Intuition der Gruppe gefragt: Wie vorbereitet fühlt ihr euch? Arbeiten wir im Plenum oder in Kleingruppen? Welche Aspekte interessieren euch am meisten? So habe ich der Gruppendynamik folgen, aber trotzdem Struktur zur Verfügung stellen können. Gerade in frühen Semestern, in denen Teilnehmer:innen noch nicht so text- und diskussionsgeübt sind, finde ich dieses Vorgehen sinnvoll. 3) Die Studierenden haben viel Unsicherheit im Hinblick auf die Klausur empfunden. Wir haben daher Ergebnisse immer festgehalten und zu Semesterende eine Art Matrix der Texte erstellt, um ihre Fragestellungen, Methoden et cetera vergleichbar zu machen. 4) Ich habe mir keine Mühe gegeben, meinen Enthusiasmus für die Sozialwissenschaft zu verbergen, aber habe auch meinen Unmut mit einzelnen Texten deutlich gemacht, um die Studierenden zu inspirieren, dass sie zu Texten Haltung beziehen können."
"Der Praxis-Workshop „Digital Public Relations” lieferte den Studierenden Einblicke in eine Branche, die sich im Zuge des technologischen Wandels seit geraumer Zeit in einem starken Veränderungsprozess befindet. Der Fokus lag dabei zum einen auf der Vermittlung konkreter Tools und Techniken, aber auch der holistische Blick auf Public Relations als Instrument zur Steuerung öffentlicher (Werte-)Debatten fehlte nicht. Durch Fallstudien, Diskussionen und praktische Übungen konnten die Teilnehmenden nachvollziehen, wie digitale PR-Strategien entwickelt, implementiert und bewertet werden. Darüber hinaus wurden aktuelle Trends und Technologien vorgestellt, die die Zukunft der digitalen Öffentlichkeitsarbeit prägen werden, darunter allen voran Künstliche Intelligenz. Insgesamt war der Workshop eine wertvolle Gelegenheit für die Studierenden, sich auf die Anforderungen und Chancen einer sich zunehmend digitalisierten PR-Landschaft vorzubereiten und ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in diesem Bereich zu vertiefen — und ganz nebenbei ihre ganz eigene strategische Toolbox aufzufüllen. Denn grundsätzlich gilt: Kommunikation als Skill braucht es in nahezu allen Berufen und Funktionen."
"Das Seminar richtete sich primär an Masterstudierende aus der Geschlechterforschung und den Diversitätsstudien. Zentral war dabei das Studierende erstes Wissen zu qualitativer Forschung vertiefen konnten indem sie tatsächlich eigene Forschungsprojekte konzipierten, Teile davon realisierten und sich im Sinne eines Forschungskolloquiums gemeinsam zu den Schritten austauschen, gemeinsam reflektieren, beraten, befragen konnten. Um die unterschiedlichen Wissensstände anzugleichen begannen wir das Semester mit Input meinerseits zu der Suche eines Forschungsfeldes, qualitativer Interviewführung, teilnehmender Beobachtung und Diskursanalyse mit einem dezidierten Schwerpunkt auf feministische Ansätze und Ansätze der kritischen Migrationsforschung. Diese vertieften wir gemeinsam durch die Diskussion von Texten eben jener Ansätze. Gleichzeitig erarbeiteten die Studierenden sich jede Woche ein Stück ihrer eigenen Forschungsprojekte die dann gemeinsam im Seminar diskutiert werden konnten. Zentral war es dabei die eigene Positionierung kritisch im Blick zu behalten und realistische Ziele bezüglich der Projekte zu setzen. So konnten die meist wagen Anfangsideen im Laufe es Seminars konkretisiert werden und erste Schritte in den Forschungen realisiert werden. So wurden Forschungsfelder intensiv miteinander diskutiert und konkretisiert, gemeinsam überlegt wie Zugänge zum Feld und potentiellen Interviewpartner*innen möglich sind und wie eigene Positionierungen Zugänge aber auch Forschungsfragen prägen. Es wurden Interviewanfragen und konkrete Interviewleitfäden besprochen, autoethnographische Ansätze erprobt, Diskursanalysen besprochen und erste Interviews durchgeführt und gemeinsam reflektiert. Am Ende entstanden kleine Forschungsprojekte die im Rahmen des Seminars abgeschlossen wurden, aber auch Forschungsprojekte für die Masterarbeit wurden konzipiert und in ersten Schritten realisiert. Die Studierenden betonten abschließend, dass gerade die konkrete Auseinandersetzung mit feminisitschen Ansätzen zu eigener Positionierung im Forschungsfeld, die kleinteilige konkrete Arbeit an den Projekten, die stetige Möglichkeit der gemeinsamen Diskussion und Reflektion und dabei gerade die wohlwollende interessierte gemeinsame Auseinandersetzung mit ganz unterschiedlichen Projekten im Feld der Geschlechter-, Migrations- und Diversitätsforschung zu einem herausragenden Gelingen des Seminars beitrugen. Gemeinsam schafften wir ein Seminar mit besonderer Atmosphäre und der Möglichkeit von- und miteinander zu lernen und es entstanden außergewöhnlich engagierte und gut konzipierte Forschungsprojekte."