Exkusionsbericht Marburg
Schiitisches Gebetstuch. Genereller Hinweis: Alle Bilder des Beitrags wurden selbst erstellt.
Seminarkontext: "Religionsästhetische Perspektiven auf den Islam", SoSe 2017, Mehmet Kalender
Exkursionsziel: die Ausstellung "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis", Religionskundliche Sammlung, Philipps-Universität Marburg
Bericht zur Exkursion am 30.05.2017
von Ariane Brandes
Am 30.05.17 war es soweit: Eine Gruppe von Studierenden traf sich um 10.30 Uhr in Göttingen, um gemeinsam mit ihrem Dozenten, Mehmet Kalender, die Religionskundliche Sammlung des Museums der Religionen in Marburg aufzusuchen. Die Wochen zuvor haben wir intensiv genutzt, um in die "Welt der Ästhetik" einzusteigen. Der Fokus dieser Exkursion lag auf der Religionsästhetik des Islams. Aber was ist eigentlich Ästhetik und wie kann man sich das konkret vorstellen? Ob Cancik/Mohr (1988), Wilke (2008), Mohn (2012), Morgan (2010) oder Beinhauer-Köhler (2011), sie alle haben uns eine Basis bieten können, um Aspekte einer religionsästhetischen Perspektive kennen zu lernen.
Auf Grundlage eines Textes von Konstanze Runge (2013) konnten wir uns ein erstes Bild von dem machen, was uns in der islambezogenen Ausstellung "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola" erwarten sollte. Nach Runge, einer Mitarbeiterin in der Religionskundlichen Sammlung, gibt es unterschiedliche Motive, die zu dieser Ausstellung geführt haben. Zum einen ist das muslimische Leben in Deutschland in den letzten Jahren präsenter geworden, ebenso die Sichtbarkeit des Islam, wie sie sich etwa in prachtvollen Moscheebauten repräsentiert (ebd., S. 15). Zum anderen stellt der Islam eine der am stärksten polarisierenden Religionen dar, sodass oftmals in den öffentlichen Medien berichtet wird - zum Teil verzerrt, verkürzt, nicht korrekt. Um dieser Einseitigkeit entgegen zu wirken und die innerislamische Vielfalt zu veranschaulichen, aber auch um die religionshistorische Verwandtschaft mit dem Judentum und dem Christentum aufzuzeigen, wurde an einer authentischen Ausstellung gearbeitet (ebd.). Diese bietet anhand ausgewählter Objekte eine religionswissenschaftliche Perspektive und möchte dabei die Lebenspraxis der Menschen fokussieren (ebd.). Der Islam soll in einer lebensnah aufbereiteten Ausstellung "über den Tellerrand hinaus" erkundet werden (ebd.). Nun stellt sich die Frage, ob dies gelungen ist.
Mit strahlender Sonne am Himmel erreichten wir nach entspannter Fahrt mit dem IC, einem idyllischen Gang durch die charmante Innenstadt sowie kurzer sportlicher Einheit das Museum der Religionen in Marburg. Das historische Gebäude begeisterte schon von außen und wirkte leicht geheimnisvoll, wie nachfolgend betrachtet werden kann.
Eingangsbereich des Museums sowie Hinweisschild neben der Tür.
Als wir wenig später im Seminarraum des Gebäudes saßen, wurden wir von Frau Runge begrüßt. Wie auch schon in der vorbereiteten Lektüre gelesen, hat uns Frau Runge einen kurzen historischen Abriss gegeben. Dabei betonte sie, dass es sich um eine "Lehrsammlung" der Vielfalt der Religion handelt. Ziel sei es, religiöse Vorstellungen zu zeigen.
Weiter ging die Reise in die Vergangenheit: Rudolf Otto, ein reisender Religionsforscher und bekannter Theologe, gründete 1929 die Religionskundliche Sammlung (Runge, 2013, S. 17). Dieses tat er für "seine Studierenden", die durch die Materialisierungen in Objekten das erkennen sollten, was sich sonst in Herz, Hand und Kopf abspielt. Ein ganzheitliches Erfassen und Lernen könnte seiner Vorstellung entsprochen haben, denn für ihn stand die "Lehrhaftigkeit des Objekts" im Fokus, nicht der künstlerische oder historische Wert (ebd., S. 19). 90 Jahre alt ist nun also die Sammlung, die wir erkundet haben, wobei Otto einen Schwerpunkt auf die asiatischen Religionen gelegt hat. Circa 8000 Objekte befinden sich in der Sammlung, wobei ungefähr 1700 ausgestellt sind.
Wie eingangs bereits erwähnt hat Runge hervorgehoben, dass ihr das Thema Islam schon lange am Herzen lag, nicht zuletzt wegen der starken Präsenz der Religion. Mit dieser Ausstellung zum Islam will sie einen multiperspektivischen Blick auf die Vielfalt im Islam durch ausgewählt Objekte aufzeigen - und umso mehr an die Empathie der Besucher appellieren. Hauptzielgruppen sind dabei Schulen oder Gemeinden. Die islambezogene Ausstellung zeigt sowohl historische Objekte (von Sufis bzw. Derwischen), als auch Objekte der religiösen Erziehung. Nun aber zu den selbstempfundenen Eindrücken der Führung: Ob Mihrab (=Gebetsnische), Schuhregal, Gebetsketten oder Gebetsteppich - all das war ungekünstelt aufbereitet im ersten Raum der Ausstellung zu finden.
Nachbildung eines Mihrab (=Gebetsnische).
Informationskärtchen.
Schaukasten mit Koranketten und -amuletten.
Der gesamte Koran auf einem Poster (London 1960).
Handgeschriebener Koran.
Durch diese lebensnahe Präsentation der Objekte, die man teilweise selbst in die Hand nehmen konnte, fühlte man sich gleich eingeladen in die "fremde" Welt einzudringen. Im selben Raum waren zahlreiche Glaskästen, die verschiedenste Objekte zeigten. Ein eindrucksvoller, handgeschriebener Koran, ein Plakat auf dem der gesamte Koran in Miniaturschrift ästhetisch niedergeschrieben wurde, Gebetsteppiche und -steine der verschiedenen Strömungen innerhalb des Islams - und noch vieles mehr. Zielgruppenorientiert konnte man in kleinen "Handbüchern" die "Basics" des Islams nachlesen. Zu jedem Objekt wurden kleine Informationstexte geschrieben, die seine Geschichte nachzeichneten.
Auch das persönliche "Herzstück" von Frau Runge befand sich in diesem Raum: Eine Bettelschale aus dem Jahr 1657/58 n. Chr., die nachfolgend abgebildet ist.
Bettelschale (kashkul), Persien, 1657/58 n.Chr.
Die Verbindung zu dem Objekt entstand durch den persönlichen Bezug. Die Schale war bereits seit 1960 in der Sammlung enthalten, jedoch wurde nie vollständig entziffert, was darauf stand. Seit ihrem Studium bis 2013 hat sie diese Schale nicht losgelassen und die Mühe hat sich gelohnt, denn 2013 konnte sie mit Hilfe von Kollegen entziffert werden: "Oh Ali! Das Himmelslicht stammt von seiner leuchtenden Stirn. Die Oberhoheit über das Universum steht ihm zu. In der Wertschätzung Alis sei dies genügend, er ist die Hand Gottes. In der Wertschöpfung Gottes sei dies genügend, Ali ist sein Geschöpf" (Der Objektbeschreibung entnommen). Diese "emotionale" Bindung zu einem Objekt hat mich hier sehr fasziniert.
Im ersten Ausstellungsteil befanden sich also hauptsächlich Objekte der religiösen Alltagspraxis, die an Beispielen des Pilgerns und Betens veranschaulicht wurde. Fokussiert wurde dabei der südostasiatisch geprägte Islam in Indonesien. Damit verbunden war der dritte Teil der Ausstellung: Ausrüstungsgegenstände der Sufis und Derwische - besonders prägnant ein Bild vom "Johnny Depp" der Sufis (Frau Runge nannte ihn so), welcher hier zu sehen ist:
Sufi auf Wanderschaft.
Daneben eine Doppelaxt, die einem Bektaschi-Derwisch gehörte und früher möglicherweise als Schutzwaffe auf der Wanderschaft diente.
Doppelaxt eines Bektashi-Derwischs als Schutzwaffe auf Wanderschaft. Türkei vor 1929.
Ein weiterer sehr spannender Bereich, war der Bereich der religiösen Erziehung. Eingerichtet wie eine Art "Kinderzimmer" wurden verschiedenste Objekte - von "liberal" bis "fundamentalistisch" - mit Mühe und Sorgfalt positioniert. Von einer alten Holztafel mit arabischer Schrift u.a. aus Zuckerwasser beschriftet bis hin zu Razanne einer "islamischen Barbie". Auch Spielsachen und Mobiles wurden ansprechend drapiert. Diese Inszenierung war für mich am eindrücklichsten. Anzumerken ist jedoch, dass viele dieser Objekte eine schwierige Quellenlage haben, sodass oftmals der genaue Hersteller nicht genannt werden konnte. Die Studierenden haben sich interessiert über die Objekte "hergemacht" und mit Begeisterung alles inspiziert. Ebenfalls sagen hier Bilder mehr als Worte:
Razanne - eine islamische Version der Barbie. Hier als Schülerin und Lehrerin.
Holzfiguren einer muslimischen Familie. Fundamentalistisch angehaucht.
Kommilitonin mit Puppe.
Kommilitonin "durchforstet" die Spielsachen.
Korantafel aus Holz (Algerien 2012) und Mobilee und Kärtchen mit Regeln für Kinder.
"Moscheebastelset".
Lernbild "Der Abend vor Ramadanbeginn".
Kritisch geäußert werden kann an dieser Stelle, dass einige der Objekte jeweils eine bestimmte eher fundamentalistische Perspektive darstellen, so verkörpern die "Barbie-Puppen" eine bestimmte Rolle der Frauen. Zudem lässt sich bei einigen Objekten ein missionarischer Anspruch erkennen. Umso wichtiger erscheint es, dieses angemessen zu reflektieren. So betonte Frau Runge, dass solche kritischen Objekte bewusst mit aufgenommen worden sind und in den Führungen auf den kritischen Status aufmerksam gemacht wird.
Den Abschluss bildete die sogenannte "Medienecke", die eine aufwendig aufbereitete Power-Point Präsentation beinhaltet sowie erklärende Schaubiler, musikalische Untermalungen und Filmausschnitte.
Medienecke der Ausstellung. Power-Point und PC.
Schaubild "Islam - Eine Einführung".
Diese Medienecke bildete das Ende unserer Führung. Anschließend konnten wir diskutieren und Fragen stellen, die Frau Runge interessiert beantwortete.
Was kann insgesamt mitgenommen werden? Was ist kritisch anzumerken?
Insgesamt kann ich nur meine Erfahrungen reflektieren: Es blieb das im Kopf, was man mit allen Ebenen durchdrungen hat - nicht die kostbaren "Schätze", die künstlerisch hervorragend gearbeiteten Objekte - sondern die, die einen "berührt" haben. Meinerseits war das vor allem der Bereich der religiösen Erziehung. Doch die Erwartungen, einer spektakulären - auf Herz, Hand und Kopf - ausgelegten Lehrsammlung blieben teilweise unbefriedigt. Wichtig scheint mir zu sein, dass die gesamte Ausstellung mittels wenig finanzieller Unterstützung auf die Beine gestellt wurde, was Grund dafür sein könnte, dass an einigen "Ecken und Kanten" das Besondere gefehlt hat. Gerade im ersten und dritten Bereich der Ausstellung hat mir die "emotionale" Ebene der Objekte nicht ausgereicht. Bei den Sufis hätte ich mir mehr "Anschauungsmaterial" gewünscht. Denn gerade diese "mystische" Strömung des Islams lebt von Musik, Gesängen und meditativen, tranceartigen Arrangements. Summa summarum kam die "sinnliche Erkenntnis" (Cancik/Mohr, 1988, 121), wie es Baumgarten ausdrücken würde, bei mir persönlich zu kurz. Wichtig ist es, trotz alledem zu betonen, dass die Intention und die Umsetzung der Ausstellung Raum für ein Nachdenken und vielleicht auch Umdenken der eigenen Wahrnehmung des Islams lässt.
Die Exkursionsgruppe in unterschiedlicher Besetzung.
Literatur
Beinhauer-Köhler, Bärbel. 2011. "Einblicke 1 - Orthodoxe Blickkulturen". In Gelenkte Blicke: visuelle Kulturen im Islam. Zürich: TVZ, Theol. Verl., 29-55.
Cancik, Hubert, und Hubert Mohr. 1988. "Religionsästhetik". Herausgegeben von Hubert Cancik, Burkhard Gladigow, und Karl-Heinz Kohl. Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Band I. Stuttgart: Kohlhammer, 121-56.
Mohn, Jürgen. 2012. "Wahrnehmung der Religion: Aspekte der komparativen Religionswissenschaft in religionsaisthetischer Perspektive". In EWE, 23(2012)2, 241-54.
Morgan, David. 2010. "Materiality, social analysis, and the study of religions". In Religion and material culture: The matter of belief. London; New York: Routledge, 55-74.
Runge, Konstanze. 2013. "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis". In Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis. Begleitband zu einer Sonderausstellung der Religionskundlichen Sammlung der Philipps-Universität Marburg, herausgegeben von Edith Franke und Konstanze Runge. Marburg: Diagonal-Verl., 15-43.
Wilke, Annette. 2008. "Religion/en, Sinne und Medien". In Im Netz des Indra: Das Museum of World Religions, sein buddhistisches Dialogkonzept und die neue Disziplin Religionsästhetik, herausgegeben von Annette Wilke und Esther-Maria Guggenmos. Bd. 7. Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster. Münster, Westf.: LIT, 206-32.
Exkursionsziel: die Ausstellung "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis", Religionskundliche Sammlung, Philipps-Universität Marburg
Bericht zur Exkursion am 30.05.2017
von Ariane Brandes
Am 30.05.17 war es soweit: Eine Gruppe von Studierenden traf sich um 10.30 Uhr in Göttingen, um gemeinsam mit ihrem Dozenten, Mehmet Kalender, die Religionskundliche Sammlung des Museums der Religionen in Marburg aufzusuchen. Die Wochen zuvor haben wir intensiv genutzt, um in die "Welt der Ästhetik" einzusteigen. Der Fokus dieser Exkursion lag auf der Religionsästhetik des Islams. Aber was ist eigentlich Ästhetik und wie kann man sich das konkret vorstellen? Ob Cancik/Mohr (1988), Wilke (2008), Mohn (2012), Morgan (2010) oder Beinhauer-Köhler (2011), sie alle haben uns eine Basis bieten können, um Aspekte einer religionsästhetischen Perspektive kennen zu lernen.
Auf Grundlage eines Textes von Konstanze Runge (2013) konnten wir uns ein erstes Bild von dem machen, was uns in der islambezogenen Ausstellung "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola" erwarten sollte. Nach Runge, einer Mitarbeiterin in der Religionskundlichen Sammlung, gibt es unterschiedliche Motive, die zu dieser Ausstellung geführt haben. Zum einen ist das muslimische Leben in Deutschland in den letzten Jahren präsenter geworden, ebenso die Sichtbarkeit des Islam, wie sie sich etwa in prachtvollen Moscheebauten repräsentiert (ebd., S. 15). Zum anderen stellt der Islam eine der am stärksten polarisierenden Religionen dar, sodass oftmals in den öffentlichen Medien berichtet wird - zum Teil verzerrt, verkürzt, nicht korrekt. Um dieser Einseitigkeit entgegen zu wirken und die innerislamische Vielfalt zu veranschaulichen, aber auch um die religionshistorische Verwandtschaft mit dem Judentum und dem Christentum aufzuzeigen, wurde an einer authentischen Ausstellung gearbeitet (ebd.). Diese bietet anhand ausgewählter Objekte eine religionswissenschaftliche Perspektive und möchte dabei die Lebenspraxis der Menschen fokussieren (ebd.). Der Islam soll in einer lebensnah aufbereiteten Ausstellung "über den Tellerrand hinaus" erkundet werden (ebd.). Nun stellt sich die Frage, ob dies gelungen ist.
Mit strahlender Sonne am Himmel erreichten wir nach entspannter Fahrt mit dem IC, einem idyllischen Gang durch die charmante Innenstadt sowie kurzer sportlicher Einheit das Museum der Religionen in Marburg. Das historische Gebäude begeisterte schon von außen und wirkte leicht geheimnisvoll, wie nachfolgend betrachtet werden kann.
Eingangsbereich des Museums sowie Hinweisschild neben der Tür.
Als wir wenig später im Seminarraum des Gebäudes saßen, wurden wir von Frau Runge begrüßt. Wie auch schon in der vorbereiteten Lektüre gelesen, hat uns Frau Runge einen kurzen historischen Abriss gegeben. Dabei betonte sie, dass es sich um eine "Lehrsammlung" der Vielfalt der Religion handelt. Ziel sei es, religiöse Vorstellungen zu zeigen.
Weiter ging die Reise in die Vergangenheit: Rudolf Otto, ein reisender Religionsforscher und bekannter Theologe, gründete 1929 die Religionskundliche Sammlung (Runge, 2013, S. 17). Dieses tat er für "seine Studierenden", die durch die Materialisierungen in Objekten das erkennen sollten, was sich sonst in Herz, Hand und Kopf abspielt. Ein ganzheitliches Erfassen und Lernen könnte seiner Vorstellung entsprochen haben, denn für ihn stand die "Lehrhaftigkeit des Objekts" im Fokus, nicht der künstlerische oder historische Wert (ebd., S. 19). 90 Jahre alt ist nun also die Sammlung, die wir erkundet haben, wobei Otto einen Schwerpunkt auf die asiatischen Religionen gelegt hat. Circa 8000 Objekte befinden sich in der Sammlung, wobei ungefähr 1700 ausgestellt sind.
Wie eingangs bereits erwähnt hat Runge hervorgehoben, dass ihr das Thema Islam schon lange am Herzen lag, nicht zuletzt wegen der starken Präsenz der Religion. Mit dieser Ausstellung zum Islam will sie einen multiperspektivischen Blick auf die Vielfalt im Islam durch ausgewählt Objekte aufzeigen - und umso mehr an die Empathie der Besucher appellieren. Hauptzielgruppen sind dabei Schulen oder Gemeinden. Die islambezogene Ausstellung zeigt sowohl historische Objekte (von Sufis bzw. Derwischen), als auch Objekte der religiösen Erziehung. Nun aber zu den selbstempfundenen Eindrücken der Führung: Ob Mihrab (=Gebetsnische), Schuhregal, Gebetsketten oder Gebetsteppich - all das war ungekünstelt aufbereitet im ersten Raum der Ausstellung zu finden.
Nachbildung eines Mihrab (=Gebetsnische).
Informationskärtchen.
Schaukasten mit Koranketten und -amuletten.
Der gesamte Koran auf einem Poster (London 1960).
Handgeschriebener Koran.
Durch diese lebensnahe Präsentation der Objekte, die man teilweise selbst in die Hand nehmen konnte, fühlte man sich gleich eingeladen in die "fremde" Welt einzudringen. Im selben Raum waren zahlreiche Glaskästen, die verschiedenste Objekte zeigten. Ein eindrucksvoller, handgeschriebener Koran, ein Plakat auf dem der gesamte Koran in Miniaturschrift ästhetisch niedergeschrieben wurde, Gebetsteppiche und -steine der verschiedenen Strömungen innerhalb des Islams - und noch vieles mehr. Zielgruppenorientiert konnte man in kleinen "Handbüchern" die "Basics" des Islams nachlesen. Zu jedem Objekt wurden kleine Informationstexte geschrieben, die seine Geschichte nachzeichneten.
Auch das persönliche "Herzstück" von Frau Runge befand sich in diesem Raum: Eine Bettelschale aus dem Jahr 1657/58 n. Chr., die nachfolgend abgebildet ist.
Bettelschale (kashkul), Persien, 1657/58 n.Chr.
Die Verbindung zu dem Objekt entstand durch den persönlichen Bezug. Die Schale war bereits seit 1960 in der Sammlung enthalten, jedoch wurde nie vollständig entziffert, was darauf stand. Seit ihrem Studium bis 2013 hat sie diese Schale nicht losgelassen und die Mühe hat sich gelohnt, denn 2013 konnte sie mit Hilfe von Kollegen entziffert werden: "Oh Ali! Das Himmelslicht stammt von seiner leuchtenden Stirn. Die Oberhoheit über das Universum steht ihm zu. In der Wertschätzung Alis sei dies genügend, er ist die Hand Gottes. In der Wertschöpfung Gottes sei dies genügend, Ali ist sein Geschöpf" (Der Objektbeschreibung entnommen). Diese "emotionale" Bindung zu einem Objekt hat mich hier sehr fasziniert.
Im ersten Ausstellungsteil befanden sich also hauptsächlich Objekte der religiösen Alltagspraxis, die an Beispielen des Pilgerns und Betens veranschaulicht wurde. Fokussiert wurde dabei der südostasiatisch geprägte Islam in Indonesien. Damit verbunden war der dritte Teil der Ausstellung: Ausrüstungsgegenstände der Sufis und Derwische - besonders prägnant ein Bild vom "Johnny Depp" der Sufis (Frau Runge nannte ihn so), welcher hier zu sehen ist:
Sufi auf Wanderschaft.
Daneben eine Doppelaxt, die einem Bektaschi-Derwisch gehörte und früher möglicherweise als Schutzwaffe auf der Wanderschaft diente.
Doppelaxt eines Bektashi-Derwischs als Schutzwaffe auf Wanderschaft. Türkei vor 1929.
Ein weiterer sehr spannender Bereich, war der Bereich der religiösen Erziehung. Eingerichtet wie eine Art "Kinderzimmer" wurden verschiedenste Objekte - von "liberal" bis "fundamentalistisch" - mit Mühe und Sorgfalt positioniert. Von einer alten Holztafel mit arabischer Schrift u.a. aus Zuckerwasser beschriftet bis hin zu Razanne einer "islamischen Barbie". Auch Spielsachen und Mobiles wurden ansprechend drapiert. Diese Inszenierung war für mich am eindrücklichsten. Anzumerken ist jedoch, dass viele dieser Objekte eine schwierige Quellenlage haben, sodass oftmals der genaue Hersteller nicht genannt werden konnte. Die Studierenden haben sich interessiert über die Objekte "hergemacht" und mit Begeisterung alles inspiziert. Ebenfalls sagen hier Bilder mehr als Worte:
Razanne - eine islamische Version der Barbie. Hier als Schülerin und Lehrerin.
Holzfiguren einer muslimischen Familie. Fundamentalistisch angehaucht.
Kommilitonin mit Puppe.
Kommilitonin "durchforstet" die Spielsachen.
Korantafel aus Holz (Algerien 2012) und Mobilee und Kärtchen mit Regeln für Kinder.
"Moscheebastelset".
Lernbild "Der Abend vor Ramadanbeginn".
Kritisch geäußert werden kann an dieser Stelle, dass einige der Objekte jeweils eine bestimmte eher fundamentalistische Perspektive darstellen, so verkörpern die "Barbie-Puppen" eine bestimmte Rolle der Frauen. Zudem lässt sich bei einigen Objekten ein missionarischer Anspruch erkennen. Umso wichtiger erscheint es, dieses angemessen zu reflektieren. So betonte Frau Runge, dass solche kritischen Objekte bewusst mit aufgenommen worden sind und in den Führungen auf den kritischen Status aufmerksam gemacht wird.
Den Abschluss bildete die sogenannte "Medienecke", die eine aufwendig aufbereitete Power-Point Präsentation beinhaltet sowie erklärende Schaubiler, musikalische Untermalungen und Filmausschnitte.
Medienecke der Ausstellung. Power-Point und PC.
Schaubild "Islam - Eine Einführung".
Diese Medienecke bildete das Ende unserer Führung. Anschließend konnten wir diskutieren und Fragen stellen, die Frau Runge interessiert beantwortete.
Was kann insgesamt mitgenommen werden? Was ist kritisch anzumerken?
Insgesamt kann ich nur meine Erfahrungen reflektieren: Es blieb das im Kopf, was man mit allen Ebenen durchdrungen hat - nicht die kostbaren "Schätze", die künstlerisch hervorragend gearbeiteten Objekte - sondern die, die einen "berührt" haben. Meinerseits war das vor allem der Bereich der religiösen Erziehung. Doch die Erwartungen, einer spektakulären - auf Herz, Hand und Kopf - ausgelegten Lehrsammlung blieben teilweise unbefriedigt. Wichtig scheint mir zu sein, dass die gesamte Ausstellung mittels wenig finanzieller Unterstützung auf die Beine gestellt wurde, was Grund dafür sein könnte, dass an einigen "Ecken und Kanten" das Besondere gefehlt hat. Gerade im ersten und dritten Bereich der Ausstellung hat mir die "emotionale" Ebene der Objekte nicht ausgereicht. Bei den Sufis hätte ich mir mehr "Anschauungsmaterial" gewünscht. Denn gerade diese "mystische" Strömung des Islams lebt von Musik, Gesängen und meditativen, tranceartigen Arrangements. Summa summarum kam die "sinnliche Erkenntnis" (Cancik/Mohr, 1988, 121), wie es Baumgarten ausdrücken würde, bei mir persönlich zu kurz. Wichtig ist es, trotz alledem zu betonen, dass die Intention und die Umsetzung der Ausstellung Raum für ein Nachdenken und vielleicht auch Umdenken der eigenen Wahrnehmung des Islams lässt.
Die Exkursionsgruppe in unterschiedlicher Besetzung.
Literatur
Beinhauer-Köhler, Bärbel. 2011. "Einblicke 1 - Orthodoxe Blickkulturen". In Gelenkte Blicke: visuelle Kulturen im Islam. Zürich: TVZ, Theol. Verl., 29-55.
Cancik, Hubert, und Hubert Mohr. 1988. "Religionsästhetik". Herausgegeben von Hubert Cancik, Burkhard Gladigow, und Karl-Heinz Kohl. Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Band I. Stuttgart: Kohlhammer, 121-56.
Mohn, Jürgen. 2012. "Wahrnehmung der Religion: Aspekte der komparativen Religionswissenschaft in religionsaisthetischer Perspektive". In EWE, 23(2012)2, 241-54.
Morgan, David. 2010. "Materiality, social analysis, and the study of religions". In Religion and material culture: The matter of belief. London; New York: Routledge, 55-74.
Runge, Konstanze. 2013. "Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis". In Von Derwisch-Mütze bis Mekka-Cola. Vielfalt islamischer Glaubenspraxis. Begleitband zu einer Sonderausstellung der Religionskundlichen Sammlung der Philipps-Universität Marburg, herausgegeben von Edith Franke und Konstanze Runge. Marburg: Diagonal-Verl., 15-43.
Wilke, Annette. 2008. "Religion/en, Sinne und Medien". In Im Netz des Indra: Das Museum of World Religions, sein buddhistisches Dialogkonzept und die neue Disziplin Religionsästhetik, herausgegeben von Annette Wilke und Esther-Maria Guggenmos. Bd. 7. Veröffentlichungen des Centrums für Religiöse Studien Münster. Münster, Westf.: LIT, 206-32.