„Herr Fischer, wie tief ist das Wasser?“ –
Inter- und transmediale Perspektiven auf
Kinder- und Jugendmedien des Exils
Kinder- und Jugendliteratur steht – und das tendenziell häufiger als die Allgemeinliteratur – in intermedialen Bezügen und wird durch Medienwechsel geprägt. Dabei ist der Ursprung nicht immer beim literarischen Text zu finden, sondern kann durchaus auch in einem anderen Medium liegen, z.B. in der Gegenwart häufig im Film und dem dann zugehörigen ‚Buch zum Film‘. Dieser Medienverbund wurde häufiger als konstitutiv für die Kinder- und Jugendliteratur betrachtet und hat entsprechend Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren, wobei der Schwerpunkt hier deutlich auf Kinder- und Jugendmedien der Gegenwart und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegt. Arbeiten sind zu früheren Epochen sind selten und vor allem mit Blick auf Kinder- und Jugendmedien des Exils zeigen sich hier Lücken.
Das liegt auch daran, dass Flucht- und Exilerfahrungen dazu geführt haben, dass viele Projekte nicht oder nur unter erschwerten Publikationsbedingungen umgesetzt werden konnten. Hier hatte und hat die Forschung zunächst vor allem Biographien aufzuarbeiten sowie Werke zu finden, zu sichten und in ihrer Genese und Produktion zu kontextualisieren. Dabei beschäftigt sich die Forschung zu Kinder- und Jugendmedien des Exils allerdings bis heute vornehmlich mit der Sichtung und mit Motivstudien, was zu einem gewissen Theoriedefizit geführt hat. Während die allgemeine Exil- sowie die allgemeine Kinder- und Jugendliteraturforschung ihre vormals gelegentlich konstatierte Theorieferne inzwischen abbauen konnte, ist die Synthese von einschlägigen kultur- und medienwissenschaftlichen Theorien und Verfahren mit der Analyse von spezifisch exilischen Produktions- und Rezeptionspraktiken der Kinder- und Jugendliteratur nach wie vor ein Desiderat. Die Tagung möchte zu dessen Bearbeitung beitragen, indem Kinder- und Jugendmedien des Exils in inter- und transmedialer wie diachroner Perspektive analysiert und vergleichend miteinander in Verbindung gebracht werden, um spezifisch exilische Phänomene im historischen wie medialen Wandel zu untersuchen.
Den zeitlichen Ausgangspunkt des bei der Tagung untersuchten Medienkorpus bildet das Exil zur Zeit des Nationalsozialismus. Nach 1933 hat sich die Lebenswelt für Kinder und Jugendliche, die vom nationalsozialistischen Regime schrittweise aus dem gesellschaftlichen Leben exkludiert worden sind, in Deutschland radikal verändert. Ebenfalls exilierte Künstler*innen haben sich den Perspektiven dieser Kinder und Jugendlichen gewidmet. Daher sind im Exil unter den verschiedenen Produktionsbedingungen der jeweiligen Länder literarische Texte und andere mediale Auseinandersetzungen entstanden, die sich an diese Altersgruppe richten oder die aus kindlicher und jugendlicher Perspektive heraus erzählen. Dabei hatte insbesondere die technologische Entwicklung ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts im Zusammenspiel mit (sozial-)pädagogischen Entwicklungen große Auswirkungen auf die Medienlandschaft; sie bedingte einen Wandel der künstlerischen Ausdrucksformen und hat zu neuen Konzepten in der Kinderliteratur und in den neuen Kindermedien wie dem Rundfunk und dem Film geführt. Diese Entwicklungen machen eine inter- und transmediale Herangehensweise an die Kinder- und Jugendmedien des Exils notwendig. Im Zentrum der Tagung stehen daher neben der Literatur im engeren Sinne und Theaterstücken auch Medien wie Film, Fotografie, Hörbücher, Ausstellungen und Radiobeiträge.