II. Die Göttinger Universität von 1933 bis 1945
Die NSDAP war in Göttingen schon in den 20er Jahren überdurchschnittlich erfolgreich und wurde von Anfang an durch Mitglieder des akademischen Umfelds gefördert. Viele (ehemalige) Studierende und Jungakademiker hatten wichtige Posten in Partei, SS und SA inne.
Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” vom 7. April 1933 ordnete die Entfernung von jüdischen Dozenten und „politisch unzuverlässigen” Wissenschaftlern aus dem Universitätsbetrieb an.
Dieses Gesetz hatte auch starke Auswirkung auf viele Göttinger Institute; betroffen waren z. B. die Weltruhm genießende Mathematik mit Richard Courant und Emmy Noether.
Aus Protest auf die Entlassung jüdischer oder politisch ungefälliger Kollegen trat am 17. April der jüdische (aber als Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges von dem besagten Gesetz noch nicht betroffene) Physiker und Nobelpreisträger James Franck von seinen Ämtern zurück. In seiner Erklärung an den Rektor der Georg-August-Universität begründete er diesen Schritt damit, dass die „Deutschen jüdischer Abstammung [...] als Fremde und Feinde des Vaterlandes behandelt [werden].”
Brief von James Franck an den Rektor der Georg August Universität vom 17. April 1933,
Am 24. April 1933 druckte das Göttinger Tageblatt, das die NSDAP schon weit vor der Machtergreifung unterstützt hatte, eine Erklärung ab, die von 42 Professoren – darunter auch Hermann Kees – unterzeichnet worden war. Darin wurde Franck vorgeworfen, mit seinem Rücktritt, der von den Unterzeichnenden als „Sabotageakt” verstanden wurde, die „außen- und innenpolitische Arbeit unserer Regierung der nationalen Erhebung” zu erschweren.
Ein Jahr später, im Juni 1934, zeugten die als „Göttinger Krawalle” bekannten Konflikte zwischen Göttinger Studentenverbindungen und dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) von dem zunehmenden Druck der Gleichschaltung an der Georgia Augusta. Der Rektor der Universität, Friedrich Neumann, schickte im selben Jahr eine Liste von Professoren ans Ministerium, die er (nach NS-ideologischen Kriterien) für Auslandsaufträge geeignet hielt, darunter auch Hermann Kees.
An der 200-Jahr-Feier der Universität im Jahr 1937, die als politische Bühne genutzt wurde, nahm auch Heinrich Himmler teil. Historische Photos zeigen die gesamte Innenstadt und die zentralen Universitätsgebäude mit Hakenkreuzfahnen beflaggt.
In den Kriegsjahren 1939-1945 stieg die Zahl der Göttinger Studierenden stark an. Ein Grund dafür lag auch an der geographischen Lage Göttingens, das weit entfernt von den Fronten war. Viele der Studierenden waren Kriegsversehrte.
Früher als alle anderen Universitäten in den Westzonen begann die Georgia Augusta schon im Wintersemester 1945/46 wieder mit dem Lehrbetrieb. Eine Liste der von der NS-Verfolgung betroffenen Emigranten, die für die Wiederaufnahme ihrer Lehrtätigkeit in Frage kamen, wurde von der Universität erst auf das ausdrückliche Verlangen der britischen Militärregierung zusammengestellt.
Insgesamt fügen sich die Geschichte der deutschen Wissenschaft und der Universität Göttingen im „Dritten Reich” zu einem komplexen und vielgestaltigen Bild, von dem sich schlaglichtartig Aspekte in Akten der universitären Verwaltungsorgane und in der Korrespondenz des Seminars für Ägyptologie und Koptologie zeigen.