Training Research Project 'Wissmann in Bad Lauterberg'
Die folgenden Beiträge wurden bereits auf dem Institutsblog veröffentlicht und geben einen Einblick in das Forschungsprojekt um 'Wissmann in Bad Lauterberg'.
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #1
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #2
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #3
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #1
Mit Bad Lauterberg verband ich bisher Ausflüge zu Kaffee und Kuchen oder zum Schwimmen ins Vitamar. Natürlich ist dies zum einen nicht die gesamte Wahrheit – in Bad Lauterberg gibt es viel mehr als nur positive Freizeiterlebnisse – und zum anderen ist meine Perspektive die eines Außenseiters. Die Außenseiterperspektive ist Ethnolog*innen nicht neu, da sie zwangläufig der Ausgangspunkt jeder unserer Forschungen ist. Als ich mit meiner Außenseiterperspektive auf das Thema um ‚Wissmann in Bad Lauterberg‘ durch eine Zoom-Konferenz zur Veröffentlichung folgenden Videos stieß, war meine Neugierde geweckt:
Wie ich erfuhr, gab es einen angeregten Diskurs um Hermann von Wissmann, dem als ehemaligen Kolonialbeamten in Deutsch-Ostafrika in Bad Lauterberg eine Statue aufgestellt und nach dem eine Straße benannt wurde. Hermann von Wissmann steht heute vor allem wegen seinen kolonialen Bestrebungen und seiner Anwendung von Gewalt gegenüber der lokalen Bevölkerung in Deutsch-Ostafrika in der Kritik (Cramer 2022; Kutsche 2022: 10), was auch den Umgang mit seiner Person in Bad Lauterberg in Frage stellt. Hierzu gibt es viele verschiedene Stimmen, die angehört und verstanden werden müssen.
Nachdem nun meine Neugierde geweckt war, entsprang aus ihr eine Idee. Da ich im Sommersemester 2023 wieder die Lehrveranstaltung ‚Feldforschung Übung‘ für das Institut für Ethnologie übernehmen sollte, wollte ich eine Lehrforschung zu ‚Wissmann in Bad Lauterberg‘ anbieten, um sozusagen aus der Außen- eine Innenperspektive zu machen. So begann ich erste Kontakte zu knüpfen und mich in die Thematik einzulesen.
In einer Publikation zu Hermann von Wissmann resümieren Stefan Cramer, Friedhart Knolle, Brigitte Maniatis und Martin Struck am Ende ihres Artikels ‚Chronologie des Widerstands gegen das Kolonialdenkmal‘:
"Doch es bleibt noch viel zu tun. Die Diskussion über eine eventuelle Umbenennung der Wissmannstraße ist noch nicht beendet. Die Mindestforderung ist die nach der Aufstellung von Informationshinweisen an der Straße und die Entfernung des zu Unrecht ehrenden und euphemistischen Zusatzschildes ‚Afrikaforscher‘. Das Denkmal steht nach wie vor im Kurpark. Aber das hat auch sein Gutes. Solange die Plastik im öffentlichen Raum sichtbar bleibt, wird sie immer wieder für Auseinandersetzungen und Diskussionen über den deutschen Kolonialismus sorgen" (Cramer u. a. 2022: 42).
An dieser Stelle will ich mit der Lehrforschung ansetzen: Warum sollten die Studierenden und ich nicht mit unserer ethnologischen Perspektive an den Diskursen und Diskussionen um deutschen Kolonialismus und Erinnerungskultur um Wissmann in Bad Lauterberg teilnehmen? Hier werden wir nicht nur die Chance haben, unsere methodischen Werkzeuge zu schärfen, sondern vielleicht auch einen Beitrag zu ‚Wissmann in Bad Lauterberg‘ zu leisten! Wir wollen versuchen, möglichst viele und unterschiedliche Meinungen und Ideen zu erfassen, um uns ein eigenes Bild vom Thema zu machen.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den Studierenden und mit den Menschen vor Ort, die sich schon über viele Jahre hinweg mit dem Thema auseinandersetzen (müssen)!
Literaturverzeichnis
Cramer, Stefan u. a. (2022) Chronologie des Widerstands gegen das Kolonialdenkmal. In: Fabiana Kutsche u. a. (Hrsg.), Hermann von Wissmann und Bad Lauterberg: Eine Spurensuche. Clausthal-Zellerfeld: Papierflieger Verlag GmbH. (Spuren Harzer Zeitgeschichte, 9)
Cramer, Stefan (2022) Hermann von Wissmann: Eine zu Unrecht geehrte Person. In: Fabiana Kutsche u. a. (Hrsg.), Hermann von Wissmann: Eine zu Unrecht geehrte Person. Clausthal-Zellerfeld: Papierflieger Verlag GmbH. (Spuren Harzer Zeitgeschichte, 9)
Kutsche, Fabiana (2022) Hermann von Wissmann (1853-1905): Eine biografische Annäherung. In: Fabiana Kutsche u. a. (Hrsg.), Hermann von Wissmann und Bad Lauterberg: Eine Spurensuche. Clausthal-Zellerfeld: Papierflieger Verlag GmbH. (Spuren Harzer Zeitgeschichte, 9)
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #2
Nach der Recherche am Schreibtisch war es am 12.5.2023 so weit: Eine kleine Gruppe Studierender brach zu einer Explorationsphase nach Bad Lauterberg auf. Mit dem Zug und einer kleinen Busfahrt erreichten wir unseren Zielort, wo uns der erste Weg direkt in den Kurpark zur Statue von Hermann von Wissmann führte.
Hier galt es einen ersten Überblick über die örtlichen Gegebenheiten zu erlangen und vielen Fragen nachzugehen: Welche Merkmale besitzt die Statue, wie sieht der Bereich um die Statue aus, wie ist der Kurpark aufgebaut, welche Wege oder Blickwinkel gibt es auf die Statue, gibt es Beschädigungen oder Beschriftungen, die auf Vandalismus oder andere Meinungen hinweisen? In einer kurzen Diskussionsrunde hielten wir erste Antworten auf diese Fragen fest, stellten aber gleichzeitig schon erste Thesen für Forschungsansätze auf. So hielten wir unter anderem fest, dass die Statue zu groß und präsent sei, um sie als solche zu übersehen. Somit eignet sie sich als Fotomotiv, welches durch die eher versteckt angebrachte Hinweistafel kaum in einen historischen Kontext gesetzt wird. Wir fragten uns, inwiefern Besucher*innen des Kurparks weiter über etwaige Bedeutungen nachdenken würden, wenn die Hinweistafel präsenter angebracht wäre. Eine weitere Reflexion führte uns zu der Frage, wie man mit der Statue umgehen könnte und welche finanziellen oder erinnerungskulturellen Einflüsse entsprechende Entscheidungen prägen würden.
Nach unserem Aufenthalt im Kurpark gingen wir die Wissmannstraße entlang und schlugen einen Bogen in die Fußgängerzone der Stadt. Hierbei diskutierten wir weitere forschungsrelevante Ansätze, brachten uns Pros sowie Contras hinsichtlich der Statue von Wissmann ins Gedächtnis und setzten dies in den Kontext unserer bisherigen Eindrücke von Bad Lauterberg.
Bei einem Kaffee diskutierten die Studierenden und ich die einzelnen Themen, Ideen und Ansätze der Forschungsübungen. Hierbei wurde uns wieder klar, wie groß und umfangreich solche Forschungsprojekte werden können.
Durch unseren Aufenthalt in Bad Lauterberg sind die nächsten Schritte für die Forschungsübungen gelegt. Die Studierenden arbeiten nun selbstständig daran, weitere Kontakte zu ihrem Forschungsfeld zu knüpfen und ihre Gedanken weiter umzusetzen. Der nächste gemeinsame Aufenthalt ist am 9.6.2023 geplant.
Lehrforschungsprojekt 'Wissmann in Bad Lauterberg' #3
Am 9.6.2023 fuhren wir noch einmal gemeinsam mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Bad Lauterberg. Nachdem wir bei unserem letzten Aufenthalt eine explorative Phase durchführten, standen dieses Mal ein Interview und eine Beobachtungsübung auf dem Plan.
Das Interview führten wir mit einer Person in einem kleinen Café durch, die sich schon über Jahre hinweg für eine kritischere Auseinandersetzung mit der Person von Hermann von Wissmann einsetzte. Hier verfolgten wir hauptsächlich zwei Ziele: Wir erhofften uns bezüglich Wissmann in Bad Lauterberg erstens einen allgemeinen Überblick über die Auseinandersetzung zu erlangen und zweitens etwas über die persönliche Perspektive des/der Gesprächspartner*in auf die Vorgänge in Bad Lauterberg oder die Erfahrungen mit Bad Lauterberger*innen zu lernen.
Unser Vorgehen und unsere Fragestellungen konnten wir auf der Zugfahrt ausarbeiten. Hierbei stellten wir fest, dass es gar nicht so einfach werden würde, mehrere Interviewende mit unterschiedlichen Fragestellungen und Themen unter einen Hut zu bringen. Jedoch zeigte sich während des Interviews, dass sich die einzelnen Forschungsinteressen der Studierenden sehr gut ergänzten. Sicherlich war es auch positiv, dass die Studierenden nicht gleich alleine ein erstes Interview im Feld machen mussten, da der Sprechfluss so nie abriss und immer wieder eine andere Person eine neue Frage hatte. Zumal unser*e Gesprächspartner*in für den Einstieg in die Forschung durchaus ein*e sehr dankbare Gegenspieler*in war, da immer wieder auch sehr frei und ausführlich geantwortet wurde. Eine Herausforderung wird jedoch die Schlager-Musik werden, die aus den Lautsprechern ertönte und die Interviewtranskription zu einem noch größeren Geduldsspiel machen könnte.
Da ich nur mit am Tisch saß und lediglich zum Ende hin mich in das Interview einbrachte, nahm ich die Rolle des Beobachters ein, der so auf die Gesprächsführung und die Fragenformulierungen achtete. Die Studierenden schlugen sich in dem Interview sehr gut und die üblichen Fallstricke um Suggestivfragen oder zu komplizierte Formulierungen können dann mit steigender Erfahrung immer weiter abgestellt werden.
Nach unserem Interview führten die Studierenden noch eine Beobachtungsübung im Kurpark in Sichtweite der Wissmann-Statue durch. Hierbei bestand das Ziel darin, jeweils gezielt die eigene sensorische Wahrnehmung im beziehungsweise des Feldes zu erfassen. Gleichermaßen ergab sich die Möglichkeit, ein Gespräch mit zwei Urlauber*innen zu führen, die ihre Perspektive auf Hermann von Wissmann beziehungsweise den richtigen Umgang mit solchen Statuen teilten. Der Aufenthalt im Kurpark war dann der entspanntere Teil des Aufenthalts in Bad Lauterberg, da sich die Studierenden einen schattigen Platz unter einem Baum suchten und ich beim Wassertreten etwas für meine Gesundheit tun konnte.
Mit diesem letzten gemeinsamen Aufenthalt im Feld liegt es nun bei den Studierenden selbst, ihre Forschungsthemen und -fragen weiter zu untersuchen!