Civil Society zwischen Patronage, primordialer (familiärer) Verpflichtung und ökonomischer Rationalität. Schuldner und Gläubiger in einer Stadt-Gesellschaft des frühen 19. Jahrhunderts
Gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Oktober 2007 bis September 2009)
Civil Society repräsentiert im englischen Diskurs ein normatives Konzept, das abhebt auf Öffentlichkeit und demokratische Verfahren. In der Theorie geht man davon aus, dass mit der Herausbildung der Civil Society und moderner marktförmiger Ökonomie im 19. Jahrhundert traditionale asymmetrische Beziehungen wie die von Patron und Klienten weitgehend aufgehört haben. Die gesellschaftliche Praxis um die Mitte des 19. Jahrhunderts dagegen war vielschichtiger und – so die These des vorliegenden Vorhabens – sehr viel stärker geprägt vom Fortdauern traditionaler Beziehungen als bisher erforscht.
1. Teil
Um diese Traditionsüberhänge im Gewand der sich etablierenden Civil Society aufzudecken, wird im ersten Teil des Forschungsprojekts untersucht, ob traditionale Patronagebeziehungen und bürgerliche Organisationsformen einen Einfluss auf die Kreditvergabe hatten. Schuldner-Gläubiger-Relationen werden deshalb in Bezug gesetzt zum politischen Geschehen in der Stadt (Organisationen, städtischer Institutionen, bürgerliche Vereine, Wahlverhalten). Auf der Grundlage von Unterpfandskrediten wird analysiert, wer als Kreditgeber auftrat, welche Bedeutung der Civil Society oder den Sparkassen als neu entstehenden Institutionen im Kreditwesen zukam.
2. Teil (Bearbeiterin im Rahmen einer Dissertation: Anna-Carolina Vogel, M.A.)
In einem zweiten Teil wird die soziale Struktur und innere Logik der ökonomischen Kreditbeziehungen analysiert, ob sie hierarchisch oder sozial homolog waren, ob die Kredite aus der näheren Umgebung von Personen (Nachbarschaft, Verwandtschaft) stammten, oder ob es rationale gewinnorientierte Investitionen fremder Geldgeber oder Institutionen waren und in welchem Zusammenhang sie mit bestimmten Zyklen der Familienentwicklung standen. Die Auswertung der Kreditquellen erfolgt personenbezogen. Die Identifikation von Debitoren und Kreditoren wird computergestützt auf der Basis der Verknüpfung mit anderen Quellenbeständen durchgeführt.
Leitung:
Prof. Dr. Carola Lipp
Mitarbeiterin:
Anna-Carolina Vogel M.A.
Kontakt:
Prof. Dr. Carola Lipp: carola.lipp@phil.uni-goettingen.de
Anna-Carolina Vogel: avogel@gwdg.de