Nahrung als Kulturerbe und kulinarische Patrimonialisierung aus kritisch-vergleichender Perspektive
Projektleitung: Dr. Raúl Matta
In verschiedenen regionalen Kontexten fördern Politiker, die sich auf das jeweilige kulturelle Erbe berufen, die Wiederbelebung lokaler und traditioneller Nahrungsmittel aus verschiedenen Beweggründen, wie beispielsweise kulturelle Anerkennung und Markterschließung. Die Aufnahme der französischen Gastronomie, der traditionellen mexikanischen Küche und der mediterranen Ernährung als immaterielles Kulturerbe durch die UNESCO sind, zusammen mit der Förderung von touristischen Straßen des gastronomischen Erbes ein klarer Beweis für diesen Trend. In der Folge rückten verschiedene Esskulturen ins Zentrum eines Dreiecks zwischen Kultur, Identität und Märkten. Die vorliegende Arbeit soll die Besonderheiten des kulinarischen Erbes kritisch hinterfragen, da es zwischen den mannigfaltigen Varianten der Kommodifizierung und der Verbesserung der menschlichen Aktivitäten, die ursprünglich zu Nahrungsmitteln geführt haben, hin und her schwankt. Das Projekt integriert ethnographische und historische Ansätze im Vergleich der verschiedenen Methoden der Schaffung eines kulinarischen Erbes. Der komparative Ansatz ist unverzichtbar für ein differenziertes Verständnis dessen, wie und warum Essen und kulinarisches Erbe immer stärker gefördert werden. Die Untersuchung analysiert die Rolle kulinarischer Patrimonialisierung vor dem Hintergrund vergangener und aktueller Identitäten, der Integration sozialer Gruppen in die Weltwirtschaft sowie der Zuordnung von Werten sowohl an die involvierten Menschen und an die Substanzen. Drei Forschungsgegenstände sollen zur Realisierung des Forschungsziels beitragen:
a) Untersuchung der Verbindung zwischen kulinarischem Erbe und kulturellen Identitäten: worin bestehen die Identitätsmechanismen, die in der kulinarischen Heritagisierung wirken?
b) Infragestellung der Verbindung zwischen kulinarischem Erbe und lokalen Entwicklungsstrategien: Wie werden Ziele in Hinblick auf kulturelle Anerkennung formuliert? Wie werden diese Ziele formuliert und welche Rolle spielen das Konzept und das Ziel der Entwicklung? Welche Machtverhältnisse spielen bei der kulinarischen Patrimonialisierung eine Rolle?
c) Herausarbeitung der Anforderungen der kulturellen Anerkennung und wirtschaftlichen Kapitalisierung des kulinarischen Erbes über die Wertkomponente: Sollte Wert im Zusammenhang mit kulinarischem Erbe unabhängig von dessen Verknüpfung zum Wert der Menschen erfolgen, die dieses Erbe schaffen? Wie ist dieser Wert im Gefüge der Schaffung des kulinarischen Erbes zu verstehen? Das Projekt verdeutlicht die Entstehung eines neuen und dynamischen Forschungsgebiets, in dem Identität, Zugehörigkeit, soziale Einbeziehung und Entwicklung die Schlüsselkomponenten bilden.