Nominierte für den Christian-Gottlob-Heyne-Preis 2023

In diesem Jahr hat die Jury sich entschlossen, zwei Preisträger auszuwählen:




In meiner Dissertationsschrift setze ich mich mit der räumlichen Verortung interreligiöser Aktivitäten auseinander und frage nach der Wechselwirkung zwischen der sozialen Interaktion in interreligiösen Veranstaltungen einerseits und den materiellen und mentalen räumlichen Strukturen der Veranstaltungsorte andererseits. Vor dem Hintergrund einer raumsensiblen interaktionstheoretischen Perspektive analysiere ich vier unterschiedliche interreligiöse Veranstaltungsreihen, die an tendenziell religiösen (Kirchenraum, Teeküche im Pastorat) und tendenziell nicht-religiösen Orten (Kunsthalle, Rathaus) in Hamburg stattfinden. Im Zuge einer selbst entwickelten Form dichter Beschreibungen und eines systematischen Vergleichs der Fälle in Anlehnung an Werkzeuge der Grounded Theory Methodologie rekonstruiere ich vier verschiedene Dimensionen der Wechselwirkung von Handeln und Raum, die auch über den religiösen Kontext hinaus zur Analyse der Verortung sozialen Handelns anschlussfähig sind.





„Pics or it didn’t happen!” – (Wie) Wird in antiken Texten über die Vergangenheit ein Anspruch auf sachliche Richtigkeit formuliert? In über 10000 Texten aus dem hebräischen Alten Testament, dem alten Ägypten, Vorderasien und Griechenland sowie aus einem Zeitraum vom 3. Jt. v. Chr. Bis um die Zeitenwende sammelt die Arbeit solche metatextuellen Signale, die das Publikum auf Wahrheitsmittel wie Zeugen, Relikte, Quellen usw. verweisen. Dabei stell sich heraus, dass griechische Historiographen, ägyptische Beamte, hebräische Theologen und babylonische Könige unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten alle zu denselben Mitteln greifen, die der jeweiligen zeitgenössischen Gerichtswesen entstammen. Das Konzept sachlicher Richtigkeit einer Erzählung in der Geschichtsschreibung stammt aus der Forensik: Gerichtliche und geschichtliche Wahrheit teilen seit der Antike ihre forensische, intersubjektiv nachvollziehbare Basis und werden virulent, wenn Ansprüche in der Gegenwart im Raum stehen.





The war in Syria has lasted for many years and continues to cast a dark shadow over its people, including healthcare workers caring for those injured and in distress. During the war, healthcare workers have been exposed to unprecedented challenges, becoming targets of bombing, killing, siege, arrest, and torture. Moreover, healthcare workers continue to experience difficult situations that require them to make decisions with no clear or easy moral choice. The present study aimed to understand the experiences of healthcare workers and the difficulties and challenges that hinder applying existing ethical frameworks and codes for disasters within Syria’s context of revolution and war. Gleaning insight from the participants in this study helped identify what ethical principles and values are difficult to implement as well as what values and principles are most valuable to healthcare workers in Syria. Moreover, comparing these values and principles with those included in the ethical frameworks, codes, and guidelines helped to identify gaps between theory and practice, specifically in the context of war, presenting the opportunity for broader application of the data.





Die Arbeit erschließt erstmals systematisch die Schriften des frühen deutschen Amerikaauswanderers Franz Daniel Pastorius (1651–1719/20) aus literaturwissenschaftlicher Perspektive. Pastorius steht zu Beginn des transatlantischen Kulturtransfers zwischen Zentraleuropa und Nordamerika. Seine Schriften tragen zunächst dazu bei, in der Kolonie Pennsylvania eine neue, tendenziell egalitäre Gesellschaft zu begründen. So verfasst Pastorius in bis zu sieben Sprachen Anleitungsliteratur für die Auswanderer, engagiert sich gegen die Sklaverei und für eine freie und öffentliche Schulbildung für Jungen und Mädchen. Sein aus einem bürgerlichen wie quäkerisch-religiösen Selbstverständnis betriebenes Engagement reflektiert er in Gedichten und findet dafür neue Schreibweisen, die in der Dissertation analysiert werden. Seine Ideen vermittelt Pastorius zurück nach Europa, wo er so im Vorfeld der Aufklärung demonstriert, dass tolerante und freiheitliche Gesellschaftsentwürfe in der Praxis möglich sind.






Im Jahr 2024 nähert sich der 250. Geburtstag des Künstlers Caspar David Friedrich. Seine Werke erfreuen sich heute international großer Beliebtheit und werden in Ausstellungen gezeigt, die großen Zulauf verzeichnen. Ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte Friedrichs offenbart jedoch ein Schwanken zwischen Phasen des Vergessens und ‚Wiederentdeckens‘. Obwohl sich beobachten lässt, dass Letztere stets durch Ausstellungen angestoßen wurden, ist ihre Rolle innerhalb der Rezeptionsgeschichte des Künstlers bisher nicht vertiefend erforscht worden. Hier setzt meine Dissertation an. Am Beispiel dreier Ausstellungen anlässlich Friedrichs 200. Geburtstags in London, Hamburg und Dresden (1972–1975) zeige ich, warum gerade dieses Medium der Rezeptionsgeschichte von Künstler:innen entscheidende Impulse zu geben vermag. Die Studie entwickelt die Methode der Ausstellungsbiografie als mehrschrittiges Analysevorgehen, um über die verräumlichten Ausstellungen hinausgehend auch ihre Verflechtungen mit Diskursen der Zeit mit einbeziehen zu können. Ich argumentiere, dass ein Betrachten von Ausstellungen als historisch situierte Ereignisse entscheidend für ihre Wirkmacht ist. Damit erhoffe ich mir, nicht nur den Blick der Friedrich-Forschung zu schärfen und kaum erschlossene oder unbekannte Quellen bereitzustellen, sondern auch Anstoß für ein stärkeres Einbeziehen von Ausstellungen in eine kritische Forschung zu Wissenschafts- und Rezeptionsgeschichte zu geben.