Keris Crossing the Globe: Examining European Encounters with the Keris through Exemplars in the Ethnographic Collection of the University of Göttingen

Salman bin Satriya


Abstract

In der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen werden 18 keris-Dolchen aus Südostasien aufbewahrt. Das Objekttyp ist in seinem Herkunfstgesellschaften mit Symbolen, Mythen und Identitäten eng verflochten. Das Sammeln von dem keris durch Europäern hat eine lange und weiterführende Geschichte. Das älteste Stück in der Göttinger Sammlung stammt aus den Anfängen der Sammlung, die jüngsten wurde Ende der 1970er Jahre gesammelt. Welche Aspekte von dem keris haben den europäischen Sammlern interessiert? Wie wurde der keris von den Sammlern betrachtet? Wie haben die Europäer den keris beeinflusst? Und wieso gibt es keris in der universitären Sammlung? In der vorliegenden Arbeit versuche ich, die Antworten auf diese Fragen zu finden, indem ich die Provenienzen der Göttinger keris-Sammlung untersuche und sie in den Kontext der Repräsentationen der keris aus der Zeit ihres Erwerbs stelle. Dabei werden Art und Umfang der europäischen Interaktionen mit dem keris – und damit auch mit ihren Herkunftsgesellschaften – sowie die Gründe dafür beleuchtet.

Projektbeschreibung

Der keris, in deutschen Quellen meist als Kris oder Kriß bezeichnet, ist eine Dolchart, die bis ins 14. Jahrhundert n. Chr. auf der Insel Java im heutigen Indonesien zurückzuführen ist. Obwohl der keris ursprünglich von den Javanern stammt, ist er in ganz Südostasien verbreitet, einschließlich vieler anderer Inseln Indonesiens sowie in den Nachbarländern Thailand, Malaysia, Singapur, Brunei und den Philippinen. Viele ethnische Gruppen in dieser Region haben sich den keris zu eigen gemacht und ihn in ihr kulturelles Bewusstsein als Objekt des Prestiges, der feinen Handwerkskunst und manchmal auch der Spiritualität eingebettet. Auch wenn der keris heute nur noch selten für seinen ursprünglichen Zweck, den Kampf, verwendet wird, hat er einen festen Platz in der materiellen Kultur dieser Völker. Es wird nach wie vor hergestellt und bei Paraden, Hochzeiten, Staatszeremonien, Ritualen und anderen kulturellen Veranstaltungen getragen oder anderweitig verwendet.
Wie ordnen sich dann die keris in Europa in dieses Bild ein? Diese Frage ist nicht unbedeutend, denn die Zahl der keris in Europa ist erheblich. Auch eine rasche Suche auf den Websites der großen europäischen Museen zeigt, dass Dutzende von keris in ihrem Bestand aufgeführt sind. Die Zahl der nicht aufgelisteten keris ist zweifellos noch höher. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Geschichte der keris in Europa und die Geschichte der Beteiligung der Europäer an den keris-Traditionen aufzudecken, wobei die Göttinger keris-Sammlung als Ausgangspunkt dient.
Methodologisch ist diese Arbeit in der historischen Anthropologie verankert. Einen ethnografischen Ansatz wird bei der Untersuchung von Text- und Kunstwerken angewendet, die von Europäern produziert wurden und in denen der keris vorkommen. Dazu zählen verschiedene Reiseberichte, Historien, Zeitschriftenartikel, Gedichte, Romane, Gemälde und Fotografien aus dem 16. Jahrhundert und weiter, also ab dem Zeitpunkt, als die Europäer erstmals mit den keris in Berührung kamen. Die Begegnungen der Europäer mit dem keris in den Narrativen dieser Werke werden aufgezeichnet und verglichen. Die Werke werden mit ethnologischer Sensibilität durchgesehen, um die darin enthaltenen Darstellungen des keris zu erkennen, und die Perspektive und Haltung, die hinter diesen Darstellungen stehen, werden analysiert. Die historische, soziale und kulturelle Kontexte werden berücksichtigt.
Die gesammelten Informationen werden dann mit den Provenienzen der keris in der Göttinger Sammlung verglichen, um durch die Gegenüberstellung mit den zeitgenössischen Geschichten über die Interaktionen zwischen Europäern und keris einen besseren Einblick in die Provenienz des Objekts sowie in das Thema insgesamt zu erhalten.
Darüber hinaus wird auch Objektanalysen durchgeführt. Ein Besuch im Museumsdepot im Sommer 2024 ermöglichte es, den größten Teil der Göttinger keris-Sammlung zu untersuchen und zu fotografieren. Auf dieser Grundlage kann unter Hinzuziehung von Literatur und Experten eine grobe Bestimmung ihrer zeitlichen und kulturellen Herkunft vorgenommen werden.
Die Zusammenstellung des Forschungsmaterials für diese Arbeit begann im Frühjahr 2024, der Schreibprozess im Herbst desselben Jahres. Die Arbeit wird, so Gott will, bis zum Ende des Wintersemesters 2024/25 abgeschlossen sein.

Über mich

Ich habe im Winter 2020 mein Bachelor-Studium in Göttingen begonnen. Als ich von Malaysia nach Göttingen kam, hatte ich nicht viel für mein Studium im Voraus geplant. Ich brachte aber meinen kulturellen Hintergrund und mein Interesse an Geschichte, Literatur, materieller Kultur und (Post-)Colonial Studies mit. Als ich die Ethnologische Sammlung entdeckte, wollte ich mich sofort mit ihr beschäftigen. Das ist mir gelungen, und während meiner Arbeit in der Sammlung bin ich auf die keris gestoßen, die sie aufbewahrt. Es war für mich eine Überraschung, etwas so Vertrautes in dieser neuen, unvertrauten Umgebung zu sehen. Aus diesem Grund fühlte ich mich zu ihnen hingezogen und suchte nach weiteren Informationen, aber ohne Erfolg Dabei stellte ich fest, dass der Stand der Forschung über keris in europäischen Sammlungen recht dürftig ist, eine Situation, die ich mit dieser Arbeit ein wenig zu verbessern hoffe.
Zudem findet sich ein kurzer Beitrag von mir zum Thema keris als Identitätssymbol im modernen Malaysia in dem neuen Band Weltenfragmente (2024), herausgegeben von Michael Kraus, Kustos der Ethnologischen Sammlung der Universität Göttingen.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Arbeit steht derzeit bei etwa 50 % des geplanten Seitenumfangs. Das behandelte historische Material reicht vom 16. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Zu den aktuellen Inhalten der Arbeit gehören u.a. folgende: So konnte ich Zusammenhänge zwischen den keris und wichtigen gesellschaftspolitischen Strömungen in Europa zu Beginn und auf dem Höhepunkt der europäischen Kolonisation Südostasiens feststellen. Ein Unterkapitel befasst sich mit den ältesten keris in der Göttinger Sammlung und ihrem Zusammenhang mit dem Phänomen der europäischen Wunderkammern, das wiederum mit den Reisen und Expeditionen des so genannten europäischen Entdeckungszeitalters verbunden ist. In einem weiteren Unterkapitel wird die Präsenz von keris in der europäischen Populärliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts behandelt.
Die wenig bekannte Art und Weise, wie die Europäer die keris-Traditionen beeinflusst haben, wird derzeit erforscht.