Geschichte des Instituts für Agrikulturchemie
Zum Aufgabengebiet Agrikulturchemie zählen die Abteilung Pflanzenernährung und Ertragsphysiologie, die Abteilung Qualität pflanzlicher Erzeugnisse und die Abteilung Qualität und Sensorik pflanzlicher Erzeugnisse sowie deren zentrale Dienste (Verwaltung, Versuchswesen, EDV).
Tabellarische Zusammenfassung
1827/28 | Carl Sprengel hält im Wintersemester erstmals an einer deutschen Universität in Göttingen eine Vorlesung über „Agricultur-Chemie“. |
1873 - 1911 | Bernhard Tollens Direktor des 1873 eingerichteten Agrikulturchemischen Laboratoriums am Landwirtschaftlichen Institut, Nikolausberger Weg. |
1911 - 1921 | Paul Ehrenberg Direktor des Agrikulturchemischen Instituts |
1921 - 1945 | Edwin Blanck Direktor des Agrikulturchemischen Instituts, Umbenennung in Agrikulturchemisches und bodenkundliches Institut. |
1945 - 1967 | Fritz Scheffer Direktor des Agrikulturchemischen und bodenkundlichen Instituts. |
1964 | Auf Empfehlung des Wissenschaftsrats Teilung des Lehrstuhls in Bodenkunde (F.Scheffer) resp. Agrikulturchemie. |
1965 - 1978 | Erwin Welte Direktor des Instituts für Agrikulturchemie. |
1973 - 1997 | Eberhard Przemeck Abteilungsvorsteher für Biochemie und Physiologie der Ertragsbildung am Institut für Agrikulturchemie. |
1980 - 1990 | Karl Müller Leiter der Arbeitsgruppe Qualität pflanzlicher Produkte am Institut für Agrikulturchemie. |
1983 - 1993 | Albrecht Jungk Inhaber des Lehrstuhls Agrikulturchemie. |
1995 - 2007 | Norbert Claassen Inhaber des Lehrstuhls Agrikulturchemie. |
1995 | Elke Pawelzik Leiterin der Abteilung Qualität pflanzlicher Produkte am Institut für Agrikulturchemie. |
2006 | Auflösung des Instituts für Agrikulturchemie und Eingliederung der Abteilung Pflanzenernährung und der Abteilung Qualität pflanzlicher Erzeugnisse in das neu geschaffene Department für Nutzpflanzenwissenschaften, die ehem. Abteilungen sind zum Aufgabengebiet Agrikulturchemie zusammengefasst. |
2008 - August 2009 | Joachim Schulze kommissarischer Leiter der Abt. Pflanzenernährung und Ertragsphysiologie. |
September 2009 - März 2011 | Elke Pawelzik kommissarische Leiterin der Abteilung Pflanzenernährung und Ertragsphysiologie. |
April 2011 | Klaus Dittert wird Leiter der Abteilung Pflanzenernährung und Ertragsphysiologie. |
April 2019 | Susanne Neugart wird Leiterin der neu geschaffenen Abteilung Qualität und Sensorik pflanzlicher Erzeugnisse |
Die Tradition der Agrikulturchemie als selbständiges Gebiet der akademischen Lehre reicht bis zum Jahr 1827 zurück, als Carl Sprengel (1787 - 1859) im Wintersemester 1827/28 erstmals an einer deutschen Universität in Göttingen eine 5stündige Vorlesung mit dem Thema „Agricultur-Chemie“ hielt. Sprengel, Schüler und später Mitarbeiter von A. Thaer, erkannte während seiner landwirtschaftlichen Forschungs- und Beratungstätigkeit, dass naturwissenschaftliche Grundkenntnisse notwendig für erfolgreiche landwirtschaftliche Tätigkeiten sind. Im Alter von 34 Jahren begann er an der Georgia-Augusta Naturwissenschaften (Schwerpunkt Chemie) zu studieren, promovierte zwei Jahre später (1823) und erlangte 1826 die venia legendi. Als Privatdozent setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten in Göttingen mit chemischen Untersuchungen an Böden, Pflanzen und Düngern fort und lehrte Agrikulturchemie. Er wies erstmals nach, dass Pflanzen für Wachstum und Entwicklung Mineralstoffe benötigen, die sie mit ihren Wurzeln aus dem Boden aufnehmen. Mit diesen Erkenntnissen schuf er die Grundlagen der „Mineralstofftheorie“ (1826), mit welcher er der Thaer’schen Humustheorie widersprach („Pflanzen ernähren sich von Humus“), erkannte aber den Humus als Träger und Lieferant von mineralischen Nährstoffen. 1828 formulierte er das „Gesetz vom Minimum“, - 27 Jahre vor Liebig. Die Göttinger agrikulturchemischen Arbeiten Sprengels insgesamt können als Beginn der Pflanzenernährungs-Wissenschaft der Neuzeit gewertet werden.
Um offenbar letzte Zweifel an der Mineralstofftheorie zu beheben, griff die Göttinger ‘Königl. Gesellschaft der Wissenschaften’ 1838 die Frage nach der Notwendigkeit von Mineralstoffen für das Pflanzenwachstum erneut auf und schrieb eine von einem „Freund der Wissenschaften“ mit 30 Pistolen (1 P = 1 goldenes Fünfthalerstück) dotierte Preisaufgabe aus, in der zu beantworten war, „ob die so genannten unorganischen Elemente (Kalium, Eisen Silizium etc.) auch dann in den Pflanzen sich finden, wenn sie denselben von Außen nicht dargeboten werden, und ob jene Elemente so wesentliche Bestandtheile des vegetabilischen Organismus sind, daß dieser sie zu seiner vollständigen Ausbildung durchaus bedarf?“ (F. G. Bartling, A. A. Berthold, F. Wöhler). Im Sinne der Sprengel’schen Mineralstofftheorie haben der Biologe A. F. Wiegmann und der Apotheker L. Polsdorff die Aufgabe 1842 gelöst und den Preis zuerteilt bekommen.
Etwa 50 Jahre später, um 1870, war in Weende (b. Göttingen) an der Landwirtschaftlichen Akademie ein Landwirtschaftsstudium eingerichtet, nachdem zuvor bis zum Ende des 18. Jahrhunderts landwirtschaftliche Kameralistik an der Georgia-Augusta studiert werden konnte. Die Universitätsleitung beschloss, das Landwirtschaftsstudium von Weende wieder in die Universität einzugliedern. Der Kurator der Universität erteilte dem 1872 zum Direktor des neuen Landwirtschaftlichen Instituts berufenen o.Prof. Dr. Gustav Drechsler (1833 - 1890) den Auftrag, die Wiederansiedelung des Studiums hier vorzubereiten. Zu den Gebäuden des Landwirtschaftlichen Instituts im Norden der Stadt am Weg nach Nikolausberg, die von Drechsler bereits errichtet worden waren und welche die Universität nun übernahm, gehörte auch das „Agrikulturchemische Laboratorium“ (s. Fotos). In ihm befanden sich neben den chemischen Laboratorien zur Untersuchung von Böden, Pflanzen, Düngemitteln sowie tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln Unterrichts- und andere Arbeitsräume. Dieses Gebäude (später Nikolausbergerweg 7) war für mehr als ein Jahrhundert Agrikulturchemisches, später Agrikulturchemisches und bodenkundliches Institut, bis es 1988 dem Neubau der Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek weichen musste.
Zum Direktor des Agrikulturchemischen Laboratoriums wurde 1873 der a.o.Professor Dr. Bernhard Tollens (1841 - 1918) bestellt. Tollens, ein Schüler F. Wöhlers, bereits in der Chemie bekannt durch seine Arbeiten zur Aufklärung der chemischen Konstitution und des sterischen Baus der Kohlenhydrate (Ringstruktur der Monosaccharide, Aldosen, Ketosen, Tollenssche Probe zum Nachweis reduzierender Zucker u.a.), richtete hier mit Vorlesungen und Praktika einen von zahlreichen Studenten mit großem Interesse aufgenommenen agrikulturchemischen Unterricht ein, der diese Einrichtung zu internationalem Ansehen führte. Studenten aus Übersee kamen nach Göttingen, um hier Agrikulturchemie zu studieren. Seine Forschung am Naturstoff Zucker setzte er hier fort. (Von Tollens ist überliefert, dass er – in vor-elektronischer Zeit – in dem Gebäude ein perfekt funktionierendes Kommunikationssystem mit Hilfe von Sprachrohren schuf, das nahezu alle Räume miteinander verband.) Tollens wandte sich in zahlreichen Vorträgen und mit Schriften auch an die landwirtschaftliche Praxis. Er leitete das Agrikulturchemische Laboratorium bis 1911.
Ihm folgte von 1911 bis 1921 o.Prof. Dr. Paul Ehrenberg (1875-1956) als Direktor des Agrikulturchemischen Instituts. Die Umwandlung des früheren Laboratoriums in ein Institut kennzeichnet die Entwicklung der Agrikulturchemie zu einer akademischen Disziplin und ihr gefestigtes Ansehen in der Universität. Ehrenberg wurde in seiner Göttinger Zeit vor allem durch Arbeiten über die Eigenschaften der Bodenkolloide und ihre Bedeutung für die Ernährung der Pflanzen sowie durch das von ihm formulierte „Kalk-Kali-Gesetz“ international bekannt. In zahlreichen Veröffentlichungen nahm er auch zu Fragen der Düngung Stellung.
Als Ehrenberg einen Ruf an die Universität Breslau annahm, wurde 1921 o.Prof. Dr. Edwin Blanck (1877 - 1953) auf den Lehrstuhl für Agrikulturchemie berufen, den er bis 1945 innehatte. Blanck, Chemiker und Geologe, knüpfte an die stärker auf den Boden ausgerichtete Forschung seines Vorgängers an und verankerte in dem Institut zwei Arbeitsrichtungen: die klassische Agrikulturchemie mit Schwerpunkt Pflanzenernährung und Düngung sowie die auf den Boden ausgerichtete Forschung. (Nur für wenige Jahre boten Blanck und F. Giesecke Lehrveranstaltungen für das Fach Tierphysiologie und Tierernährung an.) Besonderes Gewicht legte Blanck in Lehre und Forschung auf die chemische Bodenanalytik zur Darstellung der Zusammensetzung und Eigenschaften der Böden wie auch zum Studium der Bodengenese. Diese Arbeitsgebiete wurden für die Zukunft der Landwirtschaftswissenschaften als so prägend bewertet, dass die Universität seinem Antrag stattgab, das Institut in „Agrikulturchemisches und bodenkundliches Institut“ umzubenennen. Diesen Namen trug das Institut bis 1964. Zusammen mit Emil Haselhoff (1862 - 1948) verfasste er das „Lehrbuch der Agrikulturchemie“ in 4 Bänden (Berlin 1924-1929), das ein Standardwerk seiner Zeit wurde. In den Jahren 1929 bis 1939 erschien, von Blanck herausgegeben und mitverfasst, das „Handbuch der Bodenlehre“ in 10 Bänden mit einem Ergänzungsband, das für die internationale Bodenkunde richtungweisend wurde, und 1949, nach seiner Emeritierung, eine „Einführung in die genetische Bodenlehre als selbständige Naturwissenschaft und ihre Grundlagen“.
1945 wurde o.Prof. Dr. Fritz Scheffer (1899 - 1979) auf den Lehrstuhl für Agrikultuchemie und Bodenkunde berufen, den er bis 1967 innehatte. Scheffer, Schüler von Blanck, danach Assistent und Habilitand bei Th. Roemer, Halle, stand zunächst vor der Aufgabe, die Lehre in Agrikulturchemie und Bodenkunde für die „Kriegsgeneration“ neu zu organisieren. Die Georgia-Augusta nahm als eine der ersten deutschen Universitäten nach Kriegsende ihre Lehrtätigkeit bereits am 17. September 1945 wieder auf. Außerdem musste das von englischem Militär zeitweilig besetzte Institut am Nikolausbergerweg 7 nach zwischenzeitlicher Unterbringung im Anorganisch-Chemischen Institut an der Hospitalstraße 8/9 neu eingerichtet werden. 1962 erhielt das Institut einen Neubau an der Von-Siebold-Straße 4.
Als Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeiten dieses Instituts kristallisierten sich in Lehre und Forschung Gebiete heraus, wie „Nährstoff-Transformationsvermögen“ der Böden, Düngemittel und Düngung (langsam wirkende Stickstoffdünger, Phosphat- und Kalidüngung, Stallmist- und Strohdüngung, Kalkversorgung der Böden, Methoden der Düngerbemessung u.a.), Bodenfruchtbarkeit, Humusforschung (Entstehung, stoffliche Charakterisierung, Eigenschaften, Bedeutung für die Pflanzenernährung und für die Eigenschaften von Böden u.a.m.[später von Prof. Dr. Wolfgang Ziechmann im Lehrgebiet Chemie des Fachbereichs Agrarwissenschaften weitergeführt]), aber auch breit angelegte Themen zu bodenkundlichen Grundlagen (Bodengenese, Bodeneigenschaften, Bodenstruktur, Tonmineralogie u.a., näheres hierzu siehe Institut für Bodenwissenschaften, Göttingen). Unter anderem entstanden Neuauflagen in der Reihe Lehrbuch der Agrikulturchemie und Bodenkunde, die Scheffer zusammen mit Koautoren herausgab, wie Scheffer-Schachtschabel (Lehrbuch der Bodenkunde, bis zur Gegenwart fortgeführt), Scheffer-Welte (Lehrbuch der Pflanzenernährung) oder Scheffer-Ulrich (Humus und Humusdüngung); zusammen mit O. Tornau bearbeitete er das Lehrbuch des Ackerbaues (1956) von Roemer-Scheffer neu.
Darüber hinaus war Scheffer an der Wiedergründung von wissenschaftlichen Gesellschaften und Verbänden in der gerade entstehenden Bundesrepublik Deutschland maßgeblich beteiligt, wie an der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, am Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten u.a. Dies war prägend für ein weltoffenes Institut, in dem neben deutschen auch zahlreiche ausländische Studierende ihre wissenschaftliche Qualifikation erwarben.
Nach einer Evaluierung der landwirtschaftlichen Fakultäten der Bundesrepublik Deutschland erteilte der Wissenschaftsrat 1962 der Universität Göttingen die Empfehlung, dem Prozess der Verselbständigung von Pflanzenernährung und Bodenkunde an der Landwirtschaftlichen Fakultät in Göttingen durch die Schaffung von zwei unabhängigen Lehrstühlen und Instituten Rechnung zu tragen. Nach Befürwortung durch den Senat richtete 1964 die Niedersächsische Landesregierung die Professur für Agrikulturchemie für das Studienfach Pflanzenernährung ein. Die bestehende Professur mit dem Amtsinhaber F. Scheffer erhielt die Bezeichnung Bodenkunde.
Zu ihrer Besetzung und zur Neugründung des Instituts im Altbau am Nikolausbergerweg 7 wurde 1965 Prof. Dr. Erwin Welte berufen, der sie bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1978 innehatte. Welte war Schüler von E. Blanck, danach Direktor des Instituts für nichtparasitäre Pflanzenkrankheiten an der Biologischen Bundesanstalt Berlin sowie später Direktor der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Büntehof der Verkaufsgemeinschaft Deutscher Kaliwerke (heute Kali und Salz AG). Er entwickelte ein arbeitsfähiges Institut und überführte es 1971 in einen Neubau an der Von-Siebold-Straße 6. Das wissenschaftliche Personal umfasste neben dem Lehrstuhlinhaber einen Abteilungsvorsteher (Prof. Dr. Eberhard Przemeck Amtszeit 1973-1997), einen Akademischen Oberrat (a.pl. Prof. Dr. Karl Müller 1926-1996, Amtszeit 1980-1990), einen Oberassistenten (Dr. Friedel Timmermann), einen Wissenschaftlichen Angestellten (Dr. Ladislav Cervenka) und zwei Assistentenstellen.
Das neue Institut wurde wie folgt gegliedert:
- Allgemeine Pflanzenernährung sowie Chemie und Verwertung von Wässern und Abwässern (Prof. Dr. E. Welte, Dr. L. Cervenka),
- Biochemie und Physiologie der Ertragsbildung (Prof. Dr. E. Przemeck),
- Qualität pflanzlicher Produkte (Prof. Dr. K. Müller),
- Düngung und technologische Chemie der Düngemittel (Dr. F. Timmermann),
- Analytik und Statistik
Schwerpunktmäßig stellte Welte in Lehre und Forschung die engen Verbindungen der landwirtschaftlichen Flächennutzung durch die Pflanzen- und Tierproduktion zur möglichen Belastung der Umwelt mit Schadstoffen dar, - zu dieser Zeit noch als „einsamer Rufer in der Wüste“ -. Besondere Beachtung schenkte er den Ursachen der Gewässereutrophierung und der Gewässerverunreinigungen durch Kommunen, Industrien aber auch durch die Landwirtschaft u.a.. Er trug dazu bei, dass die Landwirtschaft ihre Mitverantwortung für den Erhalt schadstoff-freier ökologischer Systeme als wichtige gesellschaftliche Aufgabe zur Bewahrung von Lebensgrundlagen des Menschen (z.B. Trinkwasser) erkannte.
In der Abteilung Ertragsphysiologie (E. Przemeck) waren Fragen der Schwermetallversorgung (Mikronährstoffe) und der Schwermetallbelastung (Schadstoffe) und deren Einwirkungen auf den Stickstoff-Stoffwechsel von Nutzpflanzen Schwerpunkte der Forschung. Sie hatten zum Ziel, die Kenntnisse über die N-Assimilation und den Aminosäurenhaushalt im Wachstumsverlauf von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zu vertiefen sowie Kriterien für eine hohe metabolische N-Effizienz unter Berücksichtigung der Mikronährstoffernährung der Pflanzen zu erarbeiten. Daneben wurden physiologische Grundlagen über den Transport und die Verteilung von Schwermetallen in Pflanzen bearbeitet. - Mit der Gruppe Qualität (K. Müller) wurde ein Arbeitsgebiet begründet, das in der wissenschaftlichen Zielsetzung im Lehr- und Forschungsbereich der Fakultät neu war. Mit zunehmender „Veredelung“ landwirtschaftlicher Pflanzenerzeugnisse in der Nahrungsmittelindustrie zu Fertigprodukten werden vermehrt spezielle Anforderungen an die Qualität der gelieferten Rohstoffe gestellt, die durch die Landwirtschaft für diesen Marktsektor zu erbringen sind. Die Qualitätskriterien zu definieren und ihre Beeinflussbarkeit in den Rohprodukten durch Anbau-, Ernte- und Lagerungsprozesse zu beschreiben, war und ist eine wesentliche Aufgabe in Lehre und Forschung dieser Gruppe. Neben Gemüse und Obst wurde von Müller vor allem die Kartoffel untersucht („Kartoffel-Müller“ in Studentenkreisen). 1990 trat er in den Ruhestand.- Im Bereich Düngung und Düngemittel standen Arbeiten zur Anwendung von Mineral- und Wirtschaftsdüngern, über ihre Wirkungen und über methodische Grundlagen zur Bemessung der Düngung im Vordergrund, aber auch Arbeiten zur Rückgewinnung von Phosphat aus Abwässern in Kläranlagen sind zu nennen.
Nach der Emeritierung von Welte führte der 1983 auf den Lehrstuhl berufene Prof. Dr. Albrecht Jungk die Rhizosphäre als neues Forschungsgebiet in das Institut ein. Es hat zum Ziel, das kausale Verständnis für den Übergang der Mineralstoffe aus dem Boden in die Pflanze zu vertiefen. Seine Arbeiten zeigten, dass die Versorgung der Pflanze mit Mineralstoffen das Ergebnis von Wechselwirkungen zwischen der Verfügbarkeit der Nährstoffe im Boden und dem Nährstoffaneignungsvermögen der Pflanze ist. Er versuchte insbesondere, die beteiligten Einzelfaktoren zu erfassen und ihren Einfluss auf die Ernährung der Pflanze zu quantifizieren. Hierzu gehören einerseits die Dynamik der Pflanzennährstoffe im Grenzbereich von Wurzel und Boden und auf der anderen Seite die morphologischen und physiologischen Eigenschaften der Wurzel, die den Zugang zu den Nährstoffen des Bodens und ihren Eintritt in die Wurzel bestimmen. Hinzu kommt die Stoffabscheidung der Wurzel, die zur Mobilisierung von Bodennährstoffen führt, wie auch die Besiedelung der Wurzeln mit Organismen, besonders Mykorrhizen, die ebenfalls für die Ernährung der Pflanze bedeutsam sein können. Ausführlich legte er die Grundlagen und Zusammenhänge des auf die Pflanzenernährung bezogenen Teils der Rhizosphärenforschung dar in “Plant Roots - The Hidden Half”(herausgegeben von Y. Waisel et al., s.u.). - Jungk führte außerdem langfristige Feldversuche an verschiedenen Standorten durch, um die Empfehlungen für die Phosphat- und Kali-Düngung den heutigen Gegebenheiten anzupassen. Er trat 1993 in den Ruhestand.
In dieser Zeit wurden die Arbeiten zur Qualität pflanzlicher Produkte fortgesetzt. In der Abteilung Ertragsphysiologie verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt auf Untersuchungen zur Quantifizierung der pflanzeninternen, ontogenetisch gesteuerten Remobilisierung des Stickstoffs. Neu aufgenommen wurden ökologische Forschungsansätze zu Fragen der Freisetzung von auswaschungsgefährdetem Nitrat aus Böden durch verschiedene Formen der Grünbrache oder durch Veränderung der Anbauintensität und durch Besonderheiten im Stickstoffhaushalt einiger Nutzpflanzen. Außerdem führte Przemeck (zusammen mit Dr. B. Berger, Inst. f. Phytopathologie und Pflanzenschutz, und Dr. J. Niemeyer, Inst . f. Bodenwissenschaften) das Fach „Umweltanalytik und Ökotoxikologie“ als Wahlpflichtfach an der Fakultät ein. Nach seiner Pensionierung im Jahr 1997 wurde die Professorenstelle innerhalb der Fakultät verlagert. Die Arbeit der Abteilung, die umbenannt wurde in ‘Ökotoxikologie’, wird in vollem Umfang in Lehre und Forschung von Dr. T. Lickfett (Wiss. Assistent) fortgesetzt.
Als Nachfolger von A. Jungk wurde 1995 Prof. Dr. Norbert Claassen, zuvor Professor für Pflanzenernährung an der TU München in Freising-Weihenstephan, auf die Professur für Agrikulturchemie berufen. Den Ruf auf die Professur Produktqualität (Pflanze) nahm 1995 Frau Prof. Dr. Elke Pawelzik als Lebensmitteltechnologin an.
1991 trat (apl.) Prof. Dr. Wilhelm Römer in das Institut für Agrikulturchemie ein und habilitierte sich im Fachbereich Agrarwissenschaften um. Er war zuvor Hochschuldozent für Pflanzenernährung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit dem Arbeitsschwerpunkt Phosphatdynamik in Böden und Pflanzen sowie dem Problem der Schadstoffbelastungen in Gebieten mit Kalisalzproduktion. Am Göttinger Institut arbeitete er in der Forschung auf dem Gebiet der Nährstoff- und Schadstoffmobilisierung in Böden durch Wurzelausscheidungen sowie auf dem Gebiet der genetisch bedingten Nährstoffeffizienz bei verschiedenen Pflanzenarten. Darüber hinaus publizierte er über Fragen der P-Verwertung aus Klärschlämmen und über die Optimierung der P- und K-Düngung. Die von A. Jungk begonnenen P- und K-Dauerversuche im Feld setzte er fort. - In der Lehre war er verantwortlich für das Wahlpflichtfach der Diplom-Prüfungsordnung "Ernährung der Kulturpflanzen der Tropen und Subtropen" und hielt vertretungsweise die Vorlesung "Grundlagen der Pflanzenernährung". Nach der Beendigung der Lehrtätigkeit von E. Przemeck setzte er dessen Lehrveranstaltungen (Physiologie, Mikronährstoffe) fort. Im Jahr 2001 ging W. Römer in den Ruhestand.
Literaturhinweise:
- Böhm, W. (1997): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus. Verlag K. G. Saur, München.
- Jungk, A. (1996): Dynamics of Nutrient Movement at the Soil - Root Interface. In: Waisel, Y., A. Eshel und U. Kafkafi (Editors), Plant Roots - The Hidden Half. Marcel Dekker, Inc., New York, Basel, Honkong, p. 529 - 556.
- Herpel, H. J. (1932): Die Entwicklung des landwirtschaftlichen Studiums an der Universität Göttingen. Göttingen.
- Sauerbeck, D. und H. Söchtig (1987): Carl Sprengel, precursor of agricultural chemistry. In: E. Welte und I. Scabolcs, Agricultural waste management and environmental protection. 4th Internat. Sympos. of CIEC, 11-14 May 1987 in Braunschweig, Proceedings Vol. 1, p. 25-33