Geschichte

Bei ihrer Gründung 1737 war die Theologische Fakultät zwar wie seinerzeit üblich in der Reihe der Fakultäten die erste, aber die überkommene sachliche Vorrangstellung bzw. Kontrollfunktion über die Lehre der übrigen Fakultäten erhielt sie nicht. Mit dem Kirchengeschichtler und `Praktischen Theologen´ Johann Lorenz von Mosheim, der u.a. als Kanzler der Universität fungierte, stellte die Fakultät eine prägende Figur der universitären Gründerjahre.

Im 18. und 19. Jahrhundert ist die Fakultät in Übereinstimmung mit dem Charakter der Gesamtuniversität durch einen pragmatisch-historischen Umgang mit ihren Gegenständen gekennzeichnet. Als maßgebliche Gestalt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist Albrecht Ritschl zu nennen, dessen Arbeitsethik und mildes Luthertum für die Fakultät wie für das Hannoversche Kirchentum typisch war und geblieben ist.

Seit 1878 ist die heutige Gliederung in fünf Disziplinen etabliert. Allerdings gehörte das Fach „Altes Testament“ – und mit ihm einer der berühmtesten Alttestamentler und Orientalisten Göttingens, Julius Wellhausen – lange nicht der Theologischen, sondern der Philosophischen Fakultät an. Von der Göttinger Fakultät sind im späten 19. und 20. Jahrhundert wegweisende Impulse für die theologische Wissenschaft ausgegangen. So ist etwa der Begriff der Religionswissenschaft in ihrem Umfeld geprägt worden. In Gestalt der Religionsgeschichtlichen Schule (Johannes Weiß, Hermann Gunkel, Wilhelm Bousset, Ernst Troeltsch, William Wrede, Wilhelm Heitmüller) hat sie das Profil der Fakultät zeitweise entscheidend bestimmt.

Die Dialektische Theologie ist durch so unterschiedliche Vertreter wie Karl Barth in den 1920er Jahren und Friedrich Gogarten seit den 1930er Jahren von Göttingen aus beeinflusst worden. In dieser Zeit lehrte mit Emanuel Hirsch eine weitere prägende Gestalt eigenen theologischen Profils an unserer Fakultät.

In der Zeit des "Dritten Reiches" verhielt sich die Fakultät in wesentlichen ihrer Vertreter der Ideologie des Nationalsozialismus entsprechend. Auch in der Berufungspolitik konnten die hohen Standards, die in der Weimarer Zeit und später galten, auch aufgrund von Mechanismen der Selbstgleichschaltung nicht gehalten werden. In Bezug auf einzelne Vertreter der Fakultät, die eine gewisse Nähe zur Bekennenden Kirche suchten, sind differenzierte Einschätzungen infolge einer demnächst veröffentlichten Studie, die die Fakultät veranlasst hat, zu erwarten. * Kurzbericht zur Göttinger Theologischen Fakultät im Nationalsozialismus.

Nach Kriegsende gelang eine Reihe von Berufungen, die eine neue Blütezeit heraufführten (Gerhard von Rad, Walther Zimmerli, Günther Bornkamm, Ernst Käsemann, Hans Conzelmann). Ernst Wolf und Wolfgang Trillhaas, die dominierenden Theologen in den 1950er und 60er Jahren, haben der Fakultät eine lebhafte Diskussion zwischen Barthianismus und liberalem Erbe beschert. Neben der neutestamentlichen Exegese im Gefolge Bultmanns stand der Name von Joachim Jeremias für die Erforschung des rabbinisch-talmudischen Judentums und seiner Bedeutung für das Neue Testament sowie der Name Walter Bauer für grundlegende lexikographische Forschung und die Bearbeitung des hellenistischen Hintergrundes des Neuen Testaments.

Bis heute werden an der Göttinger Theologische Fakultät in der Spur ihres aufklärerischen Erbes theologische und religionswissenschaftliche Themen der Geschichte und der Gegenwart in großer interdisziplinärer Offenheit bearbeitet. In Ergänzung der traditionell starken Disziplinen der Bibelwissenschaften und Kirchengeschichte hat sich im Zusammenspiel von Systematik und Praktischer Theologie in den letzten Jahren ein weiterer Schwerpunkt heraus gebildet: die Erforschung des neuzeitlichen Protestantismus.

* Die Aufarbeitung der Geschichte der Theologischen Fakultät zwischen 1933 und 1945 erfolgt durch den Historiker Dr. Hansjörg Buss. Die Drucklegung eines Buches wird derzeit vorbereitet.

weiterführende Informationen: